Margarete von Wrangell
Filmserie & Jubiläums-Vorlesung [19.09.23]
Bild: Universität Hohenheim
Sie war die erste ordentliche Professorin Deutschlands und eine herausragende Wissenschaftlerin: Vor 100 Jahren gründete Prof. Dr. Margarete von Wrangell in Hohenheim das Institut für Pflanzenernährung. Sie leistete Pionierarbeit zur Phosphat-Versorgung der Pflanzen. Ihr zu Ehren entstand nun eine Filmserie, und die Deutsche Gesellschaft für Pflanzenernährung (DGP) richtet ihre diesjährige Jahrestagung an der Uni Hohenheim aus. Interessierte sind eingeladen zur Jubiläums-Vorlesung ihres direkten Nachfolgers Prof. Dr. Uwe Ludewig am 25.9.2023 um 20 Uhr im Katharinasaal.
Phosphor, neben Stickstoff eines der wichtigsten Elemente für Düngemittel, war Prof. Dr. Margarete von Wrangells wichtigstes Forschungsgebiet. Sie kam zu einem damals verblüffenden Ergebnis: Schwer lösliche Phosphate können im Boden in pflanzenverfügbare Formen umgewandelt werden. „Bei der Düngemittel-Industrie stieß dies auf großes Interesse, denn die Landwirtschaft war damals stark von importierten Rohphosphaten abhängig“, erklärt Prof. Dr. Uwe Ludewig.
Der fünfte Nachfolger der Pionierin leitet das heutige Fachgebiet Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen am früheren Institut für Pflanzenernährung. „Das Thema war nach dem ersten Weltkrieg von solcher Bedeutung, dass die Düngemittel-Industrie 75 Millionen Mark für die Instituts-Gründung in Hohenheim zur Verfügung gestellt hat“, berichtet Ludewig. „Und da die Förderung an die Person Margarete von Wrangells gebunden war, hat man damals zähneknirschend akzeptiert, dass eine Frau das Institut leiten soll.“
Von Wrangell setzte sogar eine nach damaligen Verständnis unerhörte Bedingung durch: Sie bestand auf einem ordentlichen Lehrstuhl anstelle eines Extraordinariats, also auf eine Professorenstelle mit Etat, Mitarbeiter:innen und Leitungsfunktionen. Die Institutsgründerin war damit die erste ordentliche Professorin Deutschlands.
DGP-Jahrestagung ehrt erste ordentliche Professorin und Institutsgründerin
Zu Ehren der außergewöhnlichen Wissenschaftlerin und des 100. Jahrestages ihrer Berufung richtet die Deutsche Gesellschaft für Pflanzenernährung ihre diesjährige Jahrestagung in Hohenheim aus. Neben den Beiträgen für Fachpublikum wird es eine öffentliche Jubiläums-Vorlesung geben:
- Thema: „Pflanzenernährung damals und heute“: Prof. Dr. Ludewig lässt auf unterhaltsame Weise das Leben Margarete von Wrangells, aber auch Inhalte und Methoden der Pflanzenernährung im Laufe der letzten einhundert Jahre Revue passieren.
- Termin: Mo 25.9.2023, 20–22 Uhr
- Ort: Euro-Forum der Universität Hohenheim, Katharinasaal
- Der Vortrag in deutscher Sprache ist öffentlich, es ist keine Anmeldung erforderlich.
Jubiläumsvortrag schlägt Brücke in die Gegenwart
„Phosphor ist noch heute ein zentrales Forschungsthema“, betont Ludewig. „Bei der Frage, wieviel des im Boden vorhandenen oder als Dünger applizierten Phosphats die Pflanzen tatsächlich aufnehmen können, gibt es noch immer große Erkenntnislücken. Ein Problem ist, dass lösliche Phosphordünger im Boden in nicht pflanzenverfügbare Formen umgewandelt werden können, und zudem die Vorräte endlich sind.“
„Wir arbeiten daran, Phosphat ressourcenschonend einzusetzen und aus nachhaltigen Quellen wie Bioabfällen, häuslichem Abwasser oder Gärresten aus der Biogasanlage zu gewinnen“, skizziert der Experte die Hohenheimer Forschungsansätze. So gäbe es zum Beispiel das deutsch-chinesische DFG-Graduiertenkolleg AMAIZE-P zu nachhaltiger Phosphor-Nutzung oder das Projekt NOcsPS, das Anbausysteme ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz, aber mit gezieltem Mineraldüngereinsatz untersucht.
Filmserie zu Margarete von Wrangell – mit historischen Bewegtbildern
Interessante Einblicke in das Leben und Wirken von Margarete von Wrangell gibt auch eine
aktuelle Filmserie – mit historischem Filmmaterial, das erstmals außerhalb der Uni Hohenheim zu sehen ist. In sechs Folgen zeigt die Videojournalistin Christine Harbig, wie es zu der damals ungewöhnlichen Berufung kam, berichtet über die Kindheit der Wissenschaftlerin, über ihre Zeit als eine der ersten Studentinnen an der Universität Tübingen und ihre Netzwerke. Auch die historische Einordnung und das Frauenbild der Zeit kommen nicht zu kurz. Im Interview: Prof. Dr. Ulrich Fellmeth, der ehemalige Leiter des Universitätsarchivs. Er hat intensiv zu der Pionierin geforscht.
Auch das historische Filmmaterial an sich hat eine interessante Geschichte: „Meines Wissens sind dies die einzigen bewegten Bilder von Margarete von Wrangell“, berichtet Fellmeth. „Anfang der 1990er Jahre erhielt ich zwei Filmrollen von Uni-Mitarbeitern. Sie hatten sie im Keller ihres Instituts gefunden. Wie sich schnell herausstellte, handelte es sich um hochgefährliche, explosive Nitrofilme. Das Bundesfilmarchiv hat sie in eine VHS-Version umkopiert, die Originale verblieben aus Sicherheitsgründen dort.“ Dieses gesamte historische Filmmaterial liegt heute – mittlerweile digitalisiert – im Archiv der Universität Hohenheim.
Webseite zum von-Wrangell-JubiläumWer mehr über Margarete von Wrangell erfahren möchte, wird auf der
Jubiläums-Website fündig. Hier steht nicht nur das bewegte Leben der Pionierin selbst im Mittelpunkt, sondern auch die Geschichte ihres Instituts und dessen Forschenden bis in die heutige Zeit. Auch ein Zeitzeugenbericht lässt das Leben der Professoren-Familien in der Zeit nach Margarete von Wrangell wiederauferstehen.
Wie Frauen im Laufe der Geschichte ihren Platz an den Hochschulen erkämpft haben und wie die Situation heute ist, zeigen Informationen und Fakten zum Thema auf. Ein Interview mit Dr. Dagmar Höppel (LaKoG) legt dar, wie Baden-Württemberg die Zahl der Professorinnen gesteigert und was das Margarete von Wrangell-Programm des Landes dazu beigetragen hat. Film-Porträts einiger Wrangell-Fellows, die über das Programm gefördert wurden, runden das Angebot ab.
Margarete von Wrangell – erste ordentliche Professorin DeutschlandsDie deutsch-baltische Adlige Margarete von Wrangell kommt am 7. Januar 1877 in Moskau auf die Welt. Sie gilt als eine der Pionierinnen im Kampf um Gleichberechtigung in der Wissenschaft. Mit ihrem außergewöhnlichen Durchsetzungswillen, aber auch mit Fleiß und Können bringt sie es für eine Frau in der damaligen Zeit sehr weit. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Herstellung von Mineraldüngern und erwirbt sehr schnell ein beachtliches wissenschaftliches Renommee. Dabei gilt ihr Hauptaugenmerk dem Phosphat – damals wie heute ein knapper Rohstoff.
Während der russischen Oktoberrevolution flieht sie 1918 nach Hohenheim, wo sie 1920 habilitiert. Es ist die erste Hohenheimer Habilitation überhaupt. Gegen den Widerstand mancher Hohenheimer Professoren wird sie 1923 zur ersten ordentlichen Professorin Deutschlands berufen. Sie gründet das Institut für Pflanzenernährung, das sie bis zu ihrem frühen Tod am 31. März 1932 leitet. Noch heute bildet es eine zentrale Säule der agrarwissenschaftlichen Forschung an der Universität Hohenheim.
An ihre Rolle als Pionierin für Frauen in der Wissenschaft erinnert unter anderem das erstmals 1997 vom Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg aufgelegte Margarete von Wrangell-Programm, heute Margarete von Wrangell-Juniorprofessorinnen-Programm.
Text: Elsner