Schätze der Sammlungen

Hohenheimer Romadur  [02.05.16]

Die Originalverpackung des Hohenheimer Romadur ist heute im Deutschen Landwirtschaftsmuseum zu bewundern. | Bildquelle: Angelika Emmerling.

Seine Herstellung wurde bereits vor fast 30 Jahren eingestellt, aber noch immer fragen Besucher nach dem Hohenheimer Romadur. Von der Nachkriegszeit bis in die späten 1970er Jahre hinein produzierte und verkaufte die Hohenheimer Forschungs- und Lehrmolkerei eine Vielzahl an Milch- und Käseprodukten – darunter auch den würzigen, backsteinförmigen Käseklassiker mit dem kräftigen Aroma.

 

„Als ich 1970 nach Deutschland kam, habe ich mich schon gefragt: Was ist das für eine Esskultur in Deutschland? Mit der Zeit ist mir der deutsche Käse dann aber doch ans Herz gewachsen.“ So erinnert sich der ehemalige Leiter der Forschungs- und Lehrmolkerei Giovanni Migliore an seine Ankunft in Hohenheim. Als junger Mann kommt er aus der sizilianischen Stadt Modica an die Universität und beginnt dort, als Molkereifachmann zu arbeiten.

Die Hohenheimer Forschungs- und Lehrmolkerei

Die Hohenheimer Forschungs- und Lehrmolkerei

Forschung rund um Milchproduktion und -verarbeitung hat in Hohenheim Tradition: Seit 1822 steht Käsetechnologie in Hohenheim auf dem Stundenplan, 1883 baut die damalige Landwirtschaftliche Akademie eine Molkerei und gründet die „Versuchsanstalt für Milch- und Molkereiprodukte“.

Anlässlich der Neuberufung von Prof. Jörg Hinrichs wird die Forschungseinrichtung 2002 erneut auf den Stand der Technik gebracht und mit neuen Maschinen und Apparaten ausgestattet. Im Jahr 2008 wird das Transfer-Zentrum-Milch (TZM) für den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis gegründet.



Damals hat die Molkerei in der Garbenstraße neben Lehre und Forschung eine weitere Aufgabe: Die dort hergestellten Produkte können Unimitarbeiter und Besucher in einem kleinen Laden auf dem Campusgelände kaufen. Giovanni Migliore erinnert sich an das breite damalige Angebot der Molkerei: „Milch, Sahne, Joghurt, Quark, Schafs- und Ziegenkäse, Hart- und Weichkäse – und natürlich Romadur: Das alles haben wir damals verkauft. Aber der Romadur, das war der Stolz von Hohenheim.“

Romadur: Aufwändig und ausgezeichnet

14 Beschäftigte arbeiten damals in der Molkerei, denn die Produktion des Verkaufsschlagers ist aufwändig: „Romadur und seinen ‚großen Bruder‘ Limburger herzustellen war sehr mühsam, denn man musste ihn täglich ‚pflegen‘, wie man im Molkereibetrieb sagt.“ Das bedeutet, dass die Fachleute jeden einzelnen der 100 Gramm schweren Käsestücke mit den Kulturen des Bakteriums Brevibacterium linens von Hand einreiben müssen. Dadurch entstehen die typische rötliche Käseoberfläche und der intensive Geschmack und Geruch. Zwei bis zweieinhalb Wochen dauert es, bis der Käse reif ist und verkauft werden kann. 400 bis 800 Liter Milch wurden im Schnitt pro Woche zu Romadur verarbeitet, pro Jahr bis zu 30.000 Liter.

Die Anstrengung zahlt sich aus: unter Giovanni Migliores Leitung erhält der Hohenheimer Romadur die goldene Medaille der Deutschen Lebensmittelgesellschaft (DLG), eine Auszeichnung für besondere Lebensmittelqualität. Die Jury bewertet dabei Aussehen, Geschmack, Geruch und Konsistenz und überprüft, ob der Hersteller bei der Produktion alle lebensmittelrechtlichen Vorgaben eingehalten hat.


Vom Produktions- zum Lehrbetrieb


Die Umstrukturierung der Forschungs- und Lehrmolkerei setzt dem Verkaufsschlager jedoch ein Ende: Bereits Anfang der 1990er Jahre wird von der Universität die Forschungseinrichtung Molkerei vermehrt auf das Forschen und Lehren ausgerichtet. Mit Folgen für den Verkauf: „Für den verlässlichen Verkauf muss ich die Produktion vorrangig planen. Zusätzlich fällt Bürokratie an, Kontrollen und Auflagen müssen beachtet werden. Das ist aber natürlich nicht im Sinne einer Forschungseinrichtung“, resümiert Migliore.

Deutsches Landwirtschaftsmuseum (DLM)

Das DLM zeigt auf 5.700 qm überdachter Ausstellungsfläche liebevoll restaurierte Landmaschinen, die Agrargeschichte geschrieben haben. Die Besucher erleben den Wandel der landwirtschaftlichen Produktion und erfahren die Auswirkungen der technischen Innovationen auf die Arbeitsbedingungen der Bauern. Die Exponate zeigen die Entwicklung vom einfachen ackerbaulichen Gerät bis hin zur modernsten Agrartechnik.

Inzwischen produzieren die Wissenschaftler und Fachleute mit Studierenden und den Auszubildenden der Molkerei zwar noch Käse und andere Milchprodukte, zu kaufen gibt es diese aber nicht mehr. Dafür werden neue Technologien, inline Analysetechniken und Produkte erforscht und anschließend mit modernen chemisch-physikalischen und sensorischen Methoden charakterisiert.

Speziell für Ernährungsstudien produziert das Technikum der Molkerei Hohenheim auch Produkte mit genau definierter Zusammensetzung. Kostproben für die Öffentlichkeit gibt es immer noch beim Tag der OffenenTür der Universität.


Unvergessen im Käsehimmel


Den Romadur aber vermissen viele Ortsansässige noch heute. „Manchmal rufen mich noch ältere Leute an und fragen: ‘Wo gibt es heute noch den guten Hohenheimer Käse, die Hohenheimer Schlagsahne?‘“, erzählt Giovanni Migliore. „Ich sage ihnen dann immer: ‘Die sind alle im Himmel.‘“

Heute ist Giovanni Migliore im Ruhestand, die Leitung der Hohenheimer Forschungs- und Lehrmolkerei hat er an Manfred Huss übergeben. Er unterstützt die Wissenschaftler und Mitarbeiter aber immer noch bei der Arbeit und gibt seine Erfahrungen weiter. Gerade arbeitet er an einer neuen Technik zur Mozzarella-Herstellung – noch mag er sich nicht von der Molkerei verabschieden. „Solange ich am Leben bin, möchte ich, dass die Hohenheimer Molkerei berühmt bleibt.“

Text: Barsch/ Klebs

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