Ein Kaffee mit… dem Akademischen Auslandsamt
Unterstützung für Internationals [18.03.21]

Besondere Zeiten im Akademischen Ausland. Franziska Schenk und Benjamin Gehring berichten. Bild: Uni Hohenheim.
Solidarität zu rechten Zeit: Der langen Lockdown wirkt sich für viele internationale Studierende an der Uni Hohenheim besonders kritisch aus. Umso größer die Freude über eine überraschend erfolgreiche Spendenaktion, die eine Neuauflage des Nothilfefonds in Höhe von 76.000 € möglich machte. Wie das Akademische Auslandsamt Internationals beim Home-Studium darüber hinaus unterstützen will – und welche große Themen für das Team 2021 außerdem noch anstehen, berichten Franziska Schenk und Benjamin Gehring beim virtuellen Kaffee mit dem Online-Kurier.
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Frau Schenk, Herr Gehring, der Lockdown dauert länger als viele sich das im letzten Jahr hätten vorstellen können. Was bedeutet das für internationale Studierende an der Uni Hohenheim?
Schenk: Es ist schon eine extrem schwierige Zeit für unsere Internationals. Psychisch, aber auch finanziell. Wegen der Pandemie sind ja sehr viele Studentenjobs weggefallen. Die internationalen Studierenden sind davon ganz besonders stark betroffen.
Im Sommersemester hatten rund 70 Hohenheimer Internationals eine Rückerstattung der Studiengebühren beantragt. Hierzu mussten sie uns ihre finanzielle Situation offenlegen. Der Blick auf den Kontostand hat uns damals in vielen Fällen wirklich erschreckt.
Gehring: Hier zeigt sich, dass die Politik die Realität verkennt – zumindest, wenn es um Studierende aus Entwicklungs- und Schwellenländern geht, die hier in Hohenheim ja einen besonders hohen Anteil ausmachen: Die Vorstellung, dass sie ihr Studium bestreiten könnten, ohne parallel zu arbeiten, ist eine Utopie. Viele müssen sogar zwei oder drei Jobs ausüben, um sich die Studiengebühren und das Leben in Deutschland leisten zu können.
Zwar sind alle Internationals bei der Einreise verpflichtet, ein Sperrkonto mit rund 10.000 € vorzuhalten, von dem sie monatlich nur 800 € abheben können. Dieses Geld ist dann aber in vielen Fällen nach einem Jahr aufgebraucht. Wer seinen fest einkalkulierten Job verliert, hat also ein massives Problem.
Umso wichtiger, dass die Uni Hohenheim einen Nothilfefonds organisieren konnte. Bereits im Frühjahr 2020 sammelten die Universitätsstiftung und der Prorektor für Internationalisierung rund 32.000 € an Spenden, zusätzlich konnten gut 22.000 € an Internationalisierungsmitteln für den Fonds umgewidmet werden. 2021 ging das Hilfsprogramm in eine neue Runde.
Schenk: Ja, wir konnten den letztjährigen Spendenbetrag sogar noch einmal übertreffen: Insgesamt gelang es der Universitätsstiftung diesmal, 76.000 Euro zusammenzubekommen. Möglich wurde dieses kleine Wunder durch einen Artikel der Stuttgarter Zeitung.
Die Redaktion war über eine Pressemitteilung der Uni Hohenheim auf die Problematik der internationalen Studierenden und unseren Nothilfefonds aufmerksam geworden. In der Folge erreichten uns zahlreiche Spenden in unterschiedlicher Höhe: Zwischen 50 und 15.000 €. Darunter auch eine Großspende der Richard-Winter-Stiftung.
Gehring: In der aktuellen Runde des Nothilfefonds konnten wir somit insgesamt 76 Studierenden einen Betrag von 1000 Euro ausbezahlen. Priorität hatten dabei Studierende aus besonders armen Ländern, die sich in einem höheren Fachsemester befinden und gute Studienleistungen nachweisen können.
Als wir die Pressemitteilung Anfang Dezember an die Redaktionen versendet haben, konnten wir noch gar nicht absehen, wie notwendig wir die Spenden tatsächlich brauchen würden. Die Dankesmails, die wir in den letzten Wochen von den Studierenden erhalten haben, sprechen hier wirklich für sich. Das bewegt einen auch persönlich.
Sie haben allerdings erwähnt, dass die Probleme der Internationals nicht ausschließlich finanzieller Natur sind.
Gehring: So ist es. Auch in normalen Zeiten ist es ja durchaus eine Herausforderung, internationale Studierende gut ins Campus-Leben zu integrieren. Unter Pandemie-Bedingungen ist das natürlich ungleich schwieriger: Welcome-Partys müssen entfallen, es gibt keine Lehrveranstaltung auf dem Campus, kein gemeinsames Mittagessen in der Mensa, keine TMS-Events. Kurz: Der Campus ist ausgestorben. Auch der Kontakt mit anderen Studierenden der jeweiligen Landes-Community ist nur eingeschränkt möglich.
Im Grunde sitzen viele Internationals die meiste Zeit in ihrem Wohnheimzimmer und studierenden online. Einige kommen ganz gut damit zurecht, andere jedoch haben massive Probleme. In diesen Fällen versuchen wir zu helfen, indem Mitarbeiterinnen oder Studierende aus dem Buddy-Programm gezielt den Kontakt suchen und bei Bedarf ggfs. auch einen Termin bei der Psychologin des Studierendenwerks vermitteln.
Vor Weihnachten konnte man die Hoffnung hegen, dass im neuen Semester alles besser wird...
Schenk: Ja, auch wir hatten natürlich gehofft, dass das Impfen schneller gehen würde. Nun stellen wir uns auf das dritte Digital-Semester ein.
Der studentischen Gruppe ISO und dem Buddy-Programm kommt deshalb weiterhin eine ganz besonders wichtige Rolle zu. Sie tun ihr Bestes, um für die Internationals da zu sein, mit Online-Aktionen und Treffen in kleinem Kreis, sofern wieder möglich. Aktuell sucht ISO dafür wieder Hohenheimer Studierende, die sich als Buddies engagieren wollen.
Ergänzend dazu haben wir seitens des Akademischen Auslandsamts einen Podcast ins Leben gerufen, der sich an die internationale Studierende der Uni Hohenheim richtet. Wir erklären darin z.B. wie Mülltrennung in Deutschland funktioniert, welche Anlaufstellen es an der Uni gibt, etc. Fest eingeplant sind auch schon Folgen mit der Psychologin des Studierendenwerks. Außerdem haben wir Facebook-Gruppen initiiert, die Landsleute an der Uni Hohenheim untereinander vernetzten.
Tatsächlich läuft nicht alles schlechter sonst. Die digitale Variante der Welcome Week im Wintersemester war sogar stärker besucht als in normalen Jahren. Wir wollen deshalb auch in Zukunft mehr digitale Formate einsetzen, insbesondere wenn es rein um das Vermitteln von Informationen geht. On-Campus können wir uns dann noch mehr auf das Socializing konzentrieren.
Wie klappt denn eigentlich der Empfang von Neuankömmlingen unter Corona-Bedingungen?
Gehring: Das war im Wintersemester schon eine Herausforderung. Insgesamt hatten wir 74 Neuankömmlinge aus Risikogebieten, die eine 10 bis 14-tägige Qurantäne einhalten mussten. Glücklicherweise waren die Wohnheime corona-bedingt leerer als sonst, sodass wir zusammen mit der Wohnheimverwaltung viele Einzelzimmer organisierten konnten. Die übrigen Studierenden haben wir in den Gästehäusern und in Hotels untergebracht.
Während der Quarantäne haben Mitarbeiterinnen, Hiwis und Aushilfen des Auslandsamts die Verpflegung sichergestellt: Das heißt wir haben den Internationals Care-Pakete mit Reis, Nudeln, Pastasoße etc. zum Einkaufspreis vorbeigebracht.
Tatsächlich wurde auch eine Handvoll der internationalen Studierenden positiv auf Corona getestet. Allerdings hatte unserer Kenntnis nach niemand ausgeprägte Krankheitssymptome. Und die Fälle zeigen: Unsere Quarantäne-Maßnahmen haben sich bewährt. Die Wohnheime wurden nicht zu Hotspots.
Im Sommersemester kommen traditionell ja wenig ausländische Studierende neu nach Hohenheim. Leider stehen für sie nun allerdings keine freien Einzelzimmer mehr in den Wohnheimen zur Verfügung. Also müssen alle Neuankömmlinge die Quarantäne nun in Hotels verbringen.
Abgesehen von Corona: Was beschäftigt das Team des Akademischen Auslandsamts im Moment noch?
Schenk: Wir feiern in diesem Jahr unser 50-jähriges Bestehen. 1971 wurde das Akademische Auslandsamt gegründet „um den Ausländerzustrom zu bewältigen“, wie es in einer Festschrift von 1993 heißt.
Zwischenzeitlich hat sich das Selbstverständnis natürlich komplett gewandelt. Die Internationalisierung ist heute ein zentrales strategisches Handlungsfeld der Uni Hohenheim. Dementsprechend sind und auch unsere Aufgaben vielfältiger geworden.
Gehring: Das Jubiläum wollen wir am liebsten gemeinsam mit den Uni-Angehörigen feiern. Eigentlich hatten wir an eine internationales Fest gedacht. Nun müssen wir zumindest in der ersten Jahreshälfte nach corona-gerechten Alternativen suchen.
Gleichzeitig möchten wir das Jubiläum auch gerne als Gelegenheit nutzen, um das neue Erasmus-Programm der EU an der Uni bekannt zu machen.
Was hat es damit auf sich?
Gehring: Ebenso wie das Forschungsförderungsprogramm „HORIZON“ wird das Erasmusprogramm alle sieben Jahre neu aufgelegt, dem Haushaltszyklus der EU entsprechend. 2021 beginnt die neue Förderperiode mit dem Titel Erasmus+.
Die EU hat erkannt, welche enorme Bedeutung der interkulturelle Austausch während des Studiums hat, damit junge Menschen eine europäische Identität entwickeln. Deshalb wurden die Mittel für das Programm auf über 26 Milliarden Euro aufgestockt.
Schenk: Wir sehen daher auch hier in Hohenheim gute Chancen für neuartige internationale Kooperationen und Projekte, die über klassische Austauschprogramme hinausgehen.
Gleichzeitig setzt das Programm neue Akzente: Im Mittelpunkt stehen Klimaschutz, Digitalisierung und soziale Teilhabe. Details zu den neuen Fördermöglichkeiten will die EU im April bekannt geben.
Wir werden berichten, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Leonhardmair