Messergebnisse & weiteres Vorgehen
Update: PCB im Schloss [09.10.19]
81 Beschäftigten und Ehemalige haben bislang auf Kosten der Uni einen Bluttest durchführen lassen. Bild: Uni Hohenheim
Nach dem PCB-Fund im Schloss Osthof-Süd (Brandflügel) scheint es nach aktuellem Kenntnisstand erstmal eine Entwarnung für die Beschäftigten zu geben, die sich in den Räumen aufgehalten haben: In 80 von 81 bislang ausgewerteten Bluttests, die der Uni vorliegen, wurden keine kritischen Werte festgestellt. Ein Bluttest mit erhöhtem PCB-Wert steht nach Einschätzung der Fachkraft für Arbeitssicherheit vermutlich nicht in Zusammenhang mit dem Aufenthalt im Schloss. Die Uni hat in einer ersten Messreihe (58 Materialproben, 38 Luftmessungen) weitere verdächtige Fugen im Schloss untersucht. Eine Überschreitung des Vorsorgewerts wurden bei Messungen in drei Bereichen festgestellt: In zwei weiteren Büros im Brandflügel, in dessen östlicher Verlängerung (äußeren Brandflügel) sowie im Wohnheim der Gartenbauschule (Schloss Westhof-Nord). In anderen untersuchten Bereichen wurden bislang keine kritischen Werte gemessen. Die Uni will das PCB-Screening im Schloss in einer zweiten Messreihe noch ausweiten.
Hintergrund: PCB-Fund im April
Im April wurde bei Bauarbeiten im Osthof-Süd (Brandflügel, Dachgeschoss) in einer Dehnungsfuge erhöhte PCB-Werte festgestellt. Luftmessungen ergaben, dass die Vorsorgewerte in zwei Büros des Fachgebiets Produktionstheorie und Ressourcenökonomik im Agrarbereich (Raum 116, 131) überschritten sind (1900 und 1747 ng/m³). Die Räume sind seitdem geschlossen.
Luftmessungen im Gang gaben darüber hinaus Hinweis auf eine weitere PCB-Quelle im Bereich des Fachgebiets Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management. Inzwischen hat sich dieser Verdacht bestätigt und der Raum wurde ebenfalls geschlossen (s.u.).
Bluttests
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Nach dem PCB-Fund bot die Uni Beschäftigten und Ehemaligen, die sich längere Zeit in den belasteten Räumen oder naheliegenden Büros aufgehalten haben, einen Bluttest auf Kosten der Uni an. Von diesem Angebot haben bislang 81 Personen Gebrauch gemacht.
Laut Fachkraft für Arbeitssicherheit geben die bisherigen Testergebnisse Entwarnung: Bei 80 Untersuchungen liegen die Werte unterhalb des von der DFG ermittelten Vorsorgewerts von 3,5 Mikrogramm PCB pro Liter Blut, der für Schwangere als unbedenklich eingestuft wird und bei dem auch keine fruchtschädigende Wirkung angenommen wird (MAK/BAT-Liste). Für Erwachsene gilt ansonsten der biologische Grenzwert von 15 Mikrogramm pro Liter als unbedenklich.
Das Testergebnis einer Person weise bei einer von sechs gemessen PCB-Verbindungen (PCB 101) einen erhöhten Wert auf. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit geht allerdings davon aus, dass vermutlich kein Zusammenhang mit dem Aufenthalt im Schloss besteht, da im betroffenen Büroraum nur in vergleichsweise geringem Umfang PCB 101 festgestellt wurde. Denkbar sei eine andere PCB 101-Quelle im privaten Bereich. Auch ein Messfehler des Labors könne nicht ausgeschlossen werden. Er empfiehlt daher, die Blutuntersuchung zu wiederholen.
Auf Wunsch vermittelt die Fachkraft für Arbeitssicherheit betroffenen Beschäftigten einen Gesprächstermin mit einem Experten für Umweltmedizin, um die Ergebnisse der Bluttests besser einschätzen zu können.
Weitere PCB-Funde
Schadstoffmessungen |
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Als Reaktion auf den Fund haben Universität und Universitätsbauamt eine erste Messreihe (Mai-August) durchgeführt, um mögliche weitere PCB-Quellen im Schloss aufzuspüren. Im Fokus standen dabei andere Dehnungsfugen, die der belasteten Fuge ähneln.
Dazu wurden insgesamt 58 Materialproben und 38 Luftmessungen durchgeführt. 16 Luftmessungen durch das Universitätsbauamt werden von der Universität allerdings nicht akzeptiert, da die Messdauer nach Ansicht der Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht der relevanten DIN-Norm entsprach. Die Uni ließ die Messungen daher auf eigene Kosten wiederholen. Die neusten Ergebnisse liegen der Uni seit Montag 8. Oktober vor.
Relevant für die Beurteilung einer möglichen gesundheitlichen Gefährdung ist die Konzentration von PCB in der Atemluft. Der Vorsorgewert, der laut PCB-Richtlinie als langfristig tolerabel gilt liegt bei 300 ng/m³. Im Bereich 300-3000 ng/m² sollte die PCB-Quelle mittelfristig durch eine Sanierung beseitigt werden. Bis dahin sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die PCB-Konzentration zu senken (gründliches Reinigen, regelmäßig Lüften). Schwangere sollten diese Räume meiden. Ab 3000 ng/m² ist laut PCB-Richtlinie zeitnah eine Sanierung erforderlich.
Messergebnisse mit Überschreitung des Vorsorgewerts:
- Der Verdacht einer zweiten PCB-Quelle im Dachgeschoss des Brandflügels (04.34) in der Nähe des ersten Fundorts bestätigte sich: In zwei weiteren Büroräumen mit einer PCB-belasteten Fugen wurden die Vorsorgewerte überschritten, in einem davon erheblich (Raum 127: 1553 ng/m³, Raum 126: 591 ng/m³). Die Büros gehören zum Fg. Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management. In einem weiteren Büro (Raum 124) mit erhöhten PCB-Werten in einer Materialprobe steht das Ergebnis der Luftmessung noch aus.
- Im Dachgeschoss des östlich angrenzenden Äußeren Brandflügels (04.35) wurde bei einer ersten Luftmessung ebenfalls ein erhöhter PCB-Wert gemessen (575 ng/m³). Um die PCB-Quelle und mögliche Belastungen in anderen Räumen zu finden sind weitere Messungen geplant.
- Weitere Fugen mit kritischem PCB-Gehalten wurden im Wohnheim der Gartenbauschule im Westhof-Nord (Obergeschoss) (04.22) gefunden. Es handelt sich um einen sensiblen Bereich, da die Schülerinnen und Schüler sich auch über Nacht in den Räumen aufhalten. Eine Luftmessung in der Nähe der PCB-belasteten Fugen ergab einen Wert von 896 ng/m³. Da Universität und Gartenbauschule organisatorisch getrennt sind, liegt die Verantwortung für das weitere Vorgehen beim Amt für Vermögen und Bau und der Schulleitung.
Im Erdgeschoss des Brandflügels wurde bei einer Materialprobe im Flurbereich (neben Raum 016) ebenfalls ein erhöhter PCB-Wert festgestellt. Es handelt sich um dieselbe Dehnungsfuge wie im Dachgeschoss, die sich im Erdgeschoss fortsetzt. Das Ergebnis der Luftmessung (298 ng/m³) liegt nur knapp unterhalb des Vorsorgewertes. Auch hier will die Uni deshalb den Reinigungszyklus erhöhen.
Darüber hinaus ergab die erste Untersuchungsreihe in anderen Schlossbereichen keine bedenklichen Ergebnisse. „Vereinzelt wurden in Stoffproben leicht erhöhte Werte festgestellt. Dem gehen wir mit Luftmessungen weiter nach. Die PCB-Konzentration liegt hier allerdings um ein Vielfaches unter den Funden in Brandflügel und in der Gartenbauschule“, so Javanshir Hosseinzadeh, Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Maßnahmen
Das Bauamt hat zugesagt, die PCB-haltigen Fugen im Brandflügel zu sanieren. Die Uni hofft, dass die Sanierung in den kommenden Monaten in Angriff genommen wird. Einen genauen Zeitplan legte das Bauamt bislang noch nicht vor.
Bis dahin bleiben drei Räume im Brandflügel (116, 127, 131), in denen der Vorsorgewert sehr deutlich überschritten ist, gesperrt. Die übrigen Räume können aus Sicht der Fachkraft für Arbeitssicherheit bis zur Sanierung unter Auflagen weiter genutzt werden. Ausnahme: Schwangere und stillende Mütter sollten sich auch in Räumen, in denen der Vorsorgewert geringfügig überschritten ist, nicht aufhalten.
Zur Minderung der PCB-Belastung in der Luft fand Mitte August im Dachgeschoss des Brandflügels eine PCB-Feinreinigung statt. Darüber hinaus soll in belasteten Räumen auch der reguläre Reinigungszyklus erhöht werden. Eine weitere Auflage ist das regelmäßige Lüften.
Tatsächlich arbeiten Beschäftigte mit Büros im Dachgeschoss des Brandflügels seit Mitte Mai im Home-Office und in Container-Büros. Für Meetings und Vor-Ort-Termine hat die Uni vier Großraumbüros in einem Container südlich des Biogebäudes zur Verfügung gestellt.
Dissens über weiteres Vorgehen
Zwischen Uni-Leitung und Universitätsbauamt (Landesamt für Vermögen und Bau) gibt es unterschiedliche Auffassungen über das weitere Vorgehen.
Die Kanzlerin fordert vom Universitätsbauamt, ein systematisches Schadstoffkataster für den gesamten Campus in Angriff zu nehmen. Dazu sollen Schadstoffuntersuchungen auch ohne konkreten Anlass durchgeführt und in einem Gesamt-Verzeichnis zusammengeführt werden. Im Fokus sollen die Schadstoffe PCB, PCP, Asbest und Künstliche Mineralfasern KMF stehen.
Das Bauamt will hingegen grundsätzlich am bisherigen Vorgehen festhalten und ausschließlich im Vorfeld von Baumaßnahmen oder bei konkreten Verdachtsfällen Schadstoffuntersuchungen durchführen. Allerdings sagte das Bauamt zu, die Schadstoffuntersuchungen auszuweiten und künftig auch bei kleineren Baumaßnahmen durchzuführen. Dazu soll ein Rahmenvertrag mit einem Schadstoffgutachter abgeschlossen werden.
Als Grund nannte das Bauamt die Vielzahl an möglichen Schadstoffen und Untersuchungsmethoden. Eine Untersuchung ohne konkreten Verdacht sei deshalb schwer möglich. Viele Untersuchungen könnten zudem nur am Rohbau durchgeführt werden.
Universität plant Schadstoffmessungen auf eigene Kosten
„Auf den konkreten PCB-Fund bezogen heißt das: Das Bauamt finanziert nur Untersuchungen von Dehnungsfugen im Schloss, die eine große Ähnlichkeit zum ersten Fundort aufweisen“, erläutert Hosseinzadeh. „Seitens der Universität halten wir es hingegen für notwendig, auch weiteren Verdachtsfällen nachzugehen. Wir wissen z.B., dass auch andere Gebäudefugen PCB enthalten können. Ein Beispiel dafür sind die Fugen in den Räumen 127 und 126 im Brandflügel, auf die wir nur deshalb aufmerksam wurden, weil sie sich in unmittelbarer Nähe des erstens Funds befinden.“
Die Universität habe sich deshalb dazu entschlossen, sich beim Schadstoff-Screening nicht allein auf die Untersuchungen des Bauamts zu verlassen, sondern auf eigene Kosten zusätzliche Messungen durchzuführen. „Als erster Schritt ist eine zweite PCB-Messreihe im Schloss geplant. Dazu sind aktuell 100 zusätzliche Stoffproben und 100 zusätzliche Luftmessungen ausgeschrieben. Die ersten Messungen werden voraussichtlich im November durchgeführt. In weiteren Schritten wollen wir dann auch in anderen verdächtigen Gebäuden Messungen vornehmen“, so Hosseinzadeh.
In einem weiteren Streitpunkt konnten sich Universität und das Bauamt hingegen inzwischen einigen: Die Uni besteht darauf, dass Luftmessungen grundsätzlich nach zertifiziertem Verfahren (DIN ISO 16000-12) durchgeführt werden, d.h. 4-8 Stunden (ohne Lüften) plus zusätzlicher Untersuchung des Staubs. Das Bauamt hielt zunächst kürzere Messungen von einer Stunde (ohne Staubmessung) für ausreichend. Die Universität ließ die betroffenen Luftproben deshalb auf eigene Kosten wiederholen. Inzwischen lenkte das Bauamt auf die Kritik der Universität ein und sagte zu, in Zukunft ausschließlich nach DIN-Methode zu prüfen.
Betroffene hoffen auf zügige Sanierung
Die betroffenen Beschäftigten mit Büros im Dachgeschoss des Brandflügels haben während des laufenden Semesterbetriebs im Juli ein Übergangsquartier südlich des Biogebäudes bezogen bzw. sich aufs Home-Office verlagert. In vier Container-Büros reihen sich Schreibtische dicht an dicht. Telefonanschluss gibt es nur einen. Gespräche mit Studierenden müssen ebenfalls im Großraumbüro geführt werden.
Allen Widrigkeiten zum Trotz überwiegt bei Prof. Dr. Christian Lippert und seinem Team im Moment das Gefühl der Erleichterung. Anfang Oktober haben sie von dem Angebot der Uni Gebrauch gemacht und ihre Bluttests mit einem Umweltmediziner der Uniklinik Freiburg besprochen.
„Wir waren in den letzten Monaten ehrlich gesagt schon ziemlich verunsichert, da viele Kolleginnen und Kollegen über sehr lange Zeit der PCB-Belastung ausgesetzt waren. Ich persönlich saß gut 16 Jahre unmittelbar neben der belasteten Fuge“, berichtet Lippert. „Was die Auswirkungen von PCB auf die Gesundheit betrifft, handelt es sich um ein medizinisches Spezialthema, zu dem auch Hausärzte und unser Betriebsarzt nur in beschränktem Umfang informieren können. Uns trieben vor allem die Fragen um, was die Bluttests wirklich aussagen und ob überhaupt alle relevanten PCB-Verbindungen getestet wurden. Hier hat uns das Gespräch mit dem Experten sehr geholfen, den Sachverhalt und auch das Ergebnis unserer Bluttests einzuschätzen.“
Eine Rückkehr vor der Sanierung kommt für Lippert und sein Team nicht in Frage, solange die Quellen der PCB-Ausgasung nicht beseitigt sind. „Wir hatten sozusagen Glück im Unglück und möchten einfach kein weiteres Risiko eingehen. Zumal Auflagen wie regelmäßiges, intensives Lüften im Winter nur schwer umsetzbar sind und eine Mitarbeiterin aus zwingenden gesundheitlichen Gründen sich auch in schwach PCB-belasteten Räumen nicht aufhalten dürfte. Wir sind deshalb dankbar, dass die Uni uns dieses Übergangsquartier hier ermöglicht“, so Lippert.
Die Kommunikation seitens des Bauamts gegenüber den Betroffenen lasse nach wie vor zu wünschen übrig, so Lippert: „Umso mehr wissen wir zu schätzen, dass die Kanzlerin und der Beauftragte für Arbeitssicherheit sich der Problematik beherzt angenommen haben und uns über aktuelle Entwicklungen informiert halten. Nun hoffen wir natürlich, dass offene Fragen im Zusammenhang mit der Sanierung bald geklärt werden und ein konkreter Zeitplan dafür festgelegt wird.“
Text: Leonhardmair