Auswirkung von Studiengebühren
Kein weiterer Rückgang bei internationalen Studierenden [07.03.19]
Neueinschreibungen von Nicht-EU-Bürgern an Hochschulen in Baden-Württemberg - inklusive Zeitstudierende (gebührenbefreit).
Im zweiten Jahr nach der Einführung der Studiengebühren für internationale Studierende aus Nicht-EU-Staaten scheint der Einbruch bei den Neueinschreibungen landesweit gestoppt. An der Uni Hohenheim gab es in der betroffenen Gruppe im Wintersemester 2018/19 ca. gleich viele Neueinschreibungen wie im Jahr vor den Gebühren. Das gilt auch für Studierende aus der Gruppe der ärmsten Staaten (AKP-, LDC-Staaten). Soziale Auswirkungen der Studiengebühren werden durch die Zahlen jedoch nicht erfasst, gibt die Studiendekanin der Fakultät Agrarwissenschaften, Prof. Dr. Regina Birner, zu bedenken. Alle Nicht-EU-Bürger, die sich seit dem Wintersemester 2017/18 neu an einer Hochschule in Baden-Württemberg einschreiben, müssen pro Semester 1.500 € Studiengebühren bezahlen.
Die offizielle Studierendenstatistik des Statistischen Landesamts liegt zwar noch nicht vor, allerdings veröffentlichte das Ministerium inzwischen einen ersten Auszug.
Demnach sind die Neueinschreibungen bei den internationalen Studierenden aus Nicht-EU-Staaten im Wintersemester 18/19 im Vergleich zum Vorjahr landesweit wieder spürbar angestiegen (+ 8,7%). Allerdings fällt der aktuelle Wert (6.194) immer noch ca. 13% geringer aus als im Wintersemester 2016/17 (7.039) – dem Jahr vor der Einführung der Gebühren.
Klammert man die sogenannten Zeitstudierenden*) aus, die grundsätzlich von den Gebühren befreit sind, dürfte der prozentuale Rückgang in der Gruppe der tatsächlich Betroffenen landesweit vermutlich noch etwas höher ausfallen. Eine gesonderte Auswertung dazu legte das Ministerium allerdings nicht vor.
*) Definition: Zeitstudierende kommen im Rahmen von Hochschulkooperationen für eine begrenzte Zeit nach Baden-Württemberg und streben keinen Abschluss an einer hiesigen Hochschule an. An der Uni Hohenheim machen sie bei den Neueinschreibungen der Nicht-EU-Bildungsausländer derzeit einen Anteil von ca. 16 Prozent aus.
Ein überraschender Effekt stellte sich bei den Kunst- und Musikhochschulen ein: Dem landesweiten Einbruch zum Trotz schrieben sich zum Zeitpunkt der Gebühreneinführung sogar 7,1% mehr neue Studierende aus Nicht-EU-Staaten ein. Im aktuellen Wintersemester verzeichnen die Kunst- und Musikhochschulen in dieser Gruppe abermals ein Plus von 6,7%.
Ca. gleich viele Neueinschreibungen in Hohenheim wie vor 2 Jahren
Im Vergleich mit den meisten anderen Hochschulen in Baden-Württemberg hatte sich die Einführung der Gebühren vor anderthalb Jahren auch an der Uni Hohenheim weniger stark auf die Studierendenstatistik ausgewirkt. Klammert man die gebührenbefreiten Zeitstudierenden aus, sank die Zahl der Neueinschreibungen aus Nicht-EU-Staaten im Wintersemester 17/18 von 164 auf 155.
Im aktuellen Wintersemester kann Hohenheim mit 165 Neueinschreibungen nun wieder an das Niveau vor der Einführung der Gebühren anknüpfen. Dies gilt auch für Studierende aus Entwicklungsländern mit besonders niedrigem Prokopfeinkommen (AKP/LCD-Staaten), die in Hohenheim ca. die Hälfte der Studierenden aus Nicht-EU-Staaten ausmachen.
„Aus unserer Sicht ist es überraschend, aber natürlich sehr erfreulich, dass sich die Anfängerzahlen schon im zweiten Jahr nach Einführung der Studiengebühren wieder zu konsolidieren scheinen“, sagt Franziska Schenk vom Akademischen Auslandsamt der Uni Hohenheim. „Studieninteressierte aus dem Ausland treffen ihre Wahl für die Uni Hohenheim offenbar sehr bewusst. Wir führen das auf das besondere Hohenheimer Profil und das internationale Renommee der Universität zurück.“
Soziale Auswirkungen unbekannt
Die Studiendekanin der Fakultät Agrarwissenschaft, Prof. Dr. Regina Birner, zeigt sich, insbesondere mit Blick auf die AKP- und LDC-Staaten, jedoch nach wie vor besorgt.
„Natürlich freue ich mich, dass der große Einbruch unter Strich ausgeblieben ist – auch wenn wir in einzelnen Studiengängen an der Fakultät Agrarwissenschaft noch immer einen deutlichen Rückgang verzeichnen. Allerdings sagen die Zahlen allein nicht alles aus. Wir wissen beispielsweise nicht, ob wir heute möglicherweise einen ganz anderen Pool an Studieninteressierten ansprechen als zuvor – also ob wir junge Menschen verloren haben, die aus weniger gut situierten Verhältnissen stammen. Das kostenlose Studium in Deutschland war aus meiner Sicht eine der effektivsten Entwicklungshilfemaßnahmen überhaupt, da die Absolventinnen und Absolventen unserer Studiengänge in ihren Heimatländern im Anschluss häufig einen wichtigen und nachhaltigen Beitrag für die Entwicklung leisten“, so Birner.
Ebenfalls gehe aus den Zahlen nicht hervor, wie hoch die Belastung für einzelne Studierende ausfalle, die nun möglicherweise mehrere Jobs neben dem Studium ausüben müssen, um die Gebühren zu finanzieren.
Land meldet Einnahmen von ca. 10 Mio. Euro im Jahr
Alle Nicht-EU-Bürger, die sich seit dem Wintersemester 2017/18 neu an einer Hochschule in Baden-Württemberg einschreiben, müssen pro Semester 1.500 € Studiengebühren bezahlen. Befreit sind u.a. Zeitstudierende, Bildungsinländer, die bereits ihr Abitur in Deutschland gemacht haben, Studierende mit gefestigten Inlandsbezug und Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive. Zudem können Hochschulen in begrenztem Umfang weitere Befreiungen aussprechen.
Das Land nimmt laut Pressemitteilung des Ministeriums durch die Gebühren derzeit pro Jahr ca. 10 Mio. Euro ein. Dieser Betrag werde so lange kontinuierlich aufwachsen, bis alle Bachelor-und Masterjahrgänge an den Hochschulen von der Gebührenpflicht erfasst werden.
80% der Gebühren verwendet das Land zum Ausgleich des Haushalts. An den Hochschulen verbleiben lediglich 20% der Einnahmen. An der Uni Hohenheim entspricht dies im aktuellen Wintersemester einer Summe von knapp 40.000 €.
Hohenheim will Willkommenskultur fördern
Mit den Geldern, die an der Uni verbleiben, will Hohenheim insbesondere die Willkommenskultur auf dem Campus fördern und die soziale, sowie fachliche Integration der internationalen Studierenden unterstützen. Konkret werden v.a. Maßnahmen in drei Bereichen finanziert:
- Zuschüsse zu den Teilnahmegebühren für die Intensivsprachkurse Deutsch in den Semesterferien
- Ausweitung von Angeboten für internationale Studierende, z.B. Facts & Skills-Seminar in der neuen Einführungswoche für internationale Studierende, Förderung des Buddy-Programms, Förderung der sprachlichen Studienvorbereitung in Deutsch und Englisch
- „Studiengebühren-Stipendien“ mit Fokus auf Entwicklungsländer (AKP/LDC-Staaten): Die Uni Hohenheim macht damit von einer gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch, wonach über die gesetzlich vorgesehenen 5% der Studierenden hinaus bis zu 10 weitere Studierende durch hochschulinterne Regelungen von den Gebühren befreit werden können.
Text: Leonhardmair