Ein Kaffee mit… Natascha Selje-Aßmann und Joanna Fietz

Humboldt reloaded wirkt weiter  [26.03.21]

Dr. Natascha Selje-Aßmann und Dr. Joanna Fietz koordinieren Humboldt reloaded ab 1. April gemeinsam. Bild: Uni Hohenheim

In knapp 10 Jahren hat Humboldt reloaded an der Uni Hohenheim tiefe Spuren hinterlassen. Warum genau sich die Teilnahme für Studierende lohnt, untersuchte in den letzten Jahren u.a. auch eine breitangelegte Wirkungsstudie. Und auch in Zukunft wirkt Humboldt reloaded weiter. Denn ab 1. April verstetigt die Uni das Projekt nach dem Ende der maximalen Förderdauer mit eigenen Mitteln. Studierende können sich ab dem 12. April für die neuen Projekte im Sommersemester bewerben. Anlass für einen Kaffee mit den Koordinatorinnen Dr. Natascha Selje-Aßmann und Dr. Joanna Fietz.

 

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Maximale Laufzeit – und dann eine Verstetigung aus uni-eigenen Mitteln, das ist wirklich nicht selbst verständlich. Kann man Humboldt reloaded jetzt nach knapp 10 Jahren eigentlich überhaupt noch als „Reformprojekt“ bezeichnen?


Fietz: „Reformprojekt“ klingt natürlich erstmal toll. Aber Ziel jeder Reform ist ja eine dauerhafte Veränderung. In dem Fall von Humboldt reloaded geht es um die Lehr- und Lernkultur. Eigentlich sollte Forschendes Lernen ein Wesensbestandteil jeder Universität sein – seit der Bologna-Reform ist das aber nicht mehr so einfach umzusetzen. Unser Ziel war es deshalb, das Forschende Lernen in zeitgemäßer Form wiederzubeleben, sodass es auch im Bachelor-Studium umsetzbar ist.

Selje-Aßmann: Ich denke, nach knapp 10 Jahren Humboldt reloaded kann man sagen: Dieses Vorhaben ist geglückt. Die Förderzeit hat uns erlaub, einen Freiraum für Lehrinnovationen und einen fakultätsübergreifenden Diskurs zu Forschender Lehre ermöglicht. Das wurde von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als unglaublich bereichernd und motivierenden empfunden.

Wir möchten hier nochmal dem ganzen Humboldt reloaded-Team, den Projektassoziierten und unseren weiteren jahrelangen Unterstützerinnen und Unterstützern in Hohenheim ganz herzlich für die erfolgreiche Zusammenarbeit danken!

Das Forschende Lernen ist zu einem Markenzeichen der Uni Hohenheim geworden. Auch über Humboldt reloaded hinaus. Ich denke z.B. an das Forschungssemester an der Fakultät A oder die Ringvorlesung „Biologie I“ in der Fakultät N. Hier wurde das Konzept des Forschenden Lernens ebenfalls dauerhaft im Curriculum verankert.

Auch in Zukunft wollen wir dafür sorgen, dass die Kultur des Forschenden Lernens in Hohenheim lebendig bleibt und sich stetig weiterentwickelt.

Zum Thema

Online-Sprechstunde für Projektbetreuer:innen

30.03., 12-13 Uhr

Link zum Zoom-Meeting

Meeting-ID: 857 3784 6647
Kenncode: =9T7s!

Online-Sprechstunde für Studierende

13.04., 12-13 Uhr

Link zum Zoom-Meeting

Meeting-ID: 889 6811 1681
Kenncode: veS6Dv

Wie sind Sie eigentlich ganz persönlich zu Humboldt reloaded gekommen? Können Sie sich z.B. noch an Ihr erstes Projekt erinnern?

Selje-Aßmann: Ich bin seit 2013 an Bord, zunächst als fakultätsspezifische Koordinatorin in der Fakultät A. In dieser Funktion habe ich auch selbst studentische Forschungsprojekte betreut. 2019 habe ich dann die Nachfolge von Julia Gerstenberg als Gesamt-Koordinatorin von Humboldt reloaded angetreten.

Mein erstes Humboldt reloaded-Projekt werde ich tatsächlich nie vergessen. Es war für mich wie eine Initialzündung. Seitdem bin ich mit Herzblut dabei. Ich habe damals gemeinsam mit den Studierenden eine neue Methode ausprobiert. Es ging um die Validierung eines Kauschlagzählers für Kühe zur Schätzung der Futteraufnahme.

Zunächst planten wir einen Vorversuch, um unser Software-Programm für die Validierung zu testen. Leider klappte das in der Realität im Stall nicht so wie vorgesehen und wir mussten die Parameter noch einmal anpassen und das Programm umschreiben, um den Versuch zum Erfolg zu führen. Die Studierenden meinten in der Reflexionsrunde am Ende: „Es hat Spaß gemacht, war aber auch echt chaotisch!“ Meine Antwort: „Das war doch super! Genau so funktioniert Forschung“

Tatsächlich haben die Studierenden die Ergebnisse dann auf einer Fachtagung präsentiert und eine Projektteilnehmerin von damals hat inzwischen sogar selbst ihren Doktor gemacht, eigene Humboldt reloaded-Projekte angeboten und ist nun erfolgreich ins außeruniversitäre Berufsleben eingestiegen.

Frau Fietz, wie war das bei Ihnen?

Fietz: Ich habe mein erstes Projekt 2015 in der Biologie angeboten und war bisher fakultätsspezifische Koordinatorin in Fakultät N. Ab 1. April werde ich gemeinsam mit Natascha Selje-Aßmann dann die Gesamt-Koordination von Humboldt reloaded übernehmen.

Auch mir ist Humboldt reloaded schnell ans Herzen gewachsen. In meinen Projekten geht es meistens um Freiland-Versuche mit Wildtieren, häufig noch verknüpft mit einem Labor-Teil. Es kommt wahrscheinlich dem ziemlich nah, was sich viele Studieninteressierte vorstellen, wenn sie an die Arbeit von Biolog:innen denken. Tatsächlich kommt man mit so etwas im Bachelor-Studium dann allerdings eher selten in Berührung. Normalerweise.

Meine ersten Humboldt reloaded-Projekte führten wir im Nationalpark Schwarzwald durch, es ging u.a. um die Erfassung von Populationen bedrohter Tierarten, wie etwa Gartenschläfern. Teilweise war das ganz schön abenteuerlich. Wir wohnten alle in einer Hütte ohne fließend Wasser und Strom, mussten auch weiterarbeiten, wenn es mehrere Tage in Strömen regnete. Ich glaube es sind Erfahrungen, die allen auch nach dem Studium in Erinnerung bleiben.

Ich persönlich war vor allem begeistert von dem Teamgeist, der in den Projekten entfacht wurde. Studierende haben sich gegenseitig in Tätigkeiten eingewiesen und ihr Wissen an die Nächsten weitergeben. Peer-Teaching wie aus dem Lehrbuch.

Video-Rückblick: Knapp 10 Jahre Forschen(d) Lernen an der Uni Hohenheim



Ab 1. April beginnt für Humboldt reloaded nun ein neues Kapitel. Was ändert sich genau?

Selje-Aßmann: Für Studierende und die Projektbetreuer:innen gar nicht so viel. Das ist eigentlich unsere wichtigste Botschaft. Wie in den vergangenen Jahren können sich Studierende ab dem 12. April für die neuen Projekte bewerben, die natürlich bis auf Weiteres immer noch unter Corona-Bedingungen stattfinden. Auch eine studentische Jahrestagung im Herbst ist wieder fest eingeplant.

Forschende können bis 9. April Projektideen einreichen und für die Durchführung, wie bisher, Hiwi- und Sachmittel erhalten. Für Lehrende, die Fragen haben oder noch unsicher sind, ob sie ein Projekt anbieten sollten, bieten wir am 30. März eine virtuelle Sprechstunde an. Auch für Studierende wird es wieder eine Online-Fragerunde am 13. April geben, um Fragen zur Projektteilnahme zu klären.

An dieser Stelle auch noch ein kurzer Werbeblock für unsere Homepage, die in den nächsten Tag in neuem Look online gehen wird: Lehrende finden hier u.a. unseren „digitalen Forschungskreislauf“ mit vielen Anregungen und Materialien zum Forschenden Lehren und Lernen- virtuell oder analog. Außerdem gibt es zwei aktuelle Videos von unserem Lehr-Coach Cornelia Frank zum Thema Entwicklung der eigenen forschenden Lehrpersönlichkeit.

Also gar keine so großen Abstriche?

Fietz: Unser Ziel ist auf jeden Fall, dass es auch weiterhin ein vielfältiges Angebot an studentischen Forschungsprojekten in allen Fakultäten und möglichst vielen Fachgebieten gibt. Da wir mit einem verkleinerten Kern-Team arbeiten, können wir aber etwas weniger Projekte selbst konzipieren und durchführen. Schon bisher wurden die meisten Projekte aber direkt von den vielen Forschenden der Universität bereut, die Studierende an einem laufenden Projekt teilhaben lassen möchten.

Tatsächlich verzichten müssen wir aber auf einige Zusatzangebote wie z.B. die Summer School und spezielle Weiterbildungsreihen für Forschende. Aber auch was das Thema Weiterbildung betrifft, suchen wir in Zusammenarbeit mit dem Hochschuldidaktikzentrum nach Wegen, diesen Wegfall zu kompensieren.

Wo ist Humboldt reloaded künftig eigentlich organisatorisch angesiedelt?


Selje-Aßmann: „Humboldt reloaded“ bildet ab 1. April ein eigenes Referat in der neu strukturierten Abteilung „Studium & Lehre“ in der Verwaltung – der bisherigen Abteilung „Studienangelegenheiten (AS)“. Auch das Hochschuldidaktikzentrum wird im Zuge der Reform in die Abteilung integriert, hier erhoffen wir uns gute Synergie-Effekte durch eine engere Zusammenarbeit.

Eine weitere organisatorische Neuerung ist die Zusammenführung des Forschungsschnuppern mit Humboldt reloaded, was inhaltlich ja auch hervorragend passt. Bisher wurde dies im Projekt STEPS koordiniert, das ebenfalls ausläuft und teilweise verstetigt wurde.

Fietz: Ganz generell möchten wir in den kommenden Jahren gerne eine größere Vielfalt an Formaten für das Forschende Lernen etablieren. Dem klassischen Humboldt reloaded-Projekt könnte z.B. noch eine Art Forschungsmodul vorausgehen, das die Studierenden auf den Einstieg ins praktische Forschen vorbereitet. Idealerweise zieht sich also eine Kette vom Forschungsschnuppern am Beginn des Studiums bis hin zur Bachelorarbeit.

Diese Überlegung geht übrigens u.a. auch auf die Auswertung der Wirkungsstudie zurück, die der Marketing-Lehrstuhl von Prof. Dr. Voeth in den letzten Jahren projektbegleitend durchführt hat.

Was genau waren denn die Ergebnisse?


Selje-Aßmann: Normalerweise werden Lehrveranstaltung ja durch eine Befragung der Teilnehmer:innen unmittelbar im Anschluss evaluiert. Das Besondere an der Wirkungsstudie war zum einen, dass die Befragung dreimal wiederholt wurde: Vor dem Projekt, unmittelbar danach und am Ende des Bachelor-Studiums. Außerdem wurde parallel auch eine Kontrollgruppe befragt, die kein HR-Projekt belegt hatte.

Untersucht wurde jeweils die Selbsteinschätzung der Studierenden in unterschiedlichen Kompetenzfeldern, z.B. Recherchekompetenz, Fachkompetenz, Kommunikationskompetenz oder Reflexionskompetenz. Dazu gehört also z.B. auch Selbstorganisation, der Umgang mit Rückschlägen oder Kritik, etc.

Fietz: Die Befragung vor und unmittelbar nach der Teilnahme an einem HR-Projekt ergab, dass die Studierenden ihre Kompetenzen signifikant höher einschätzen, während es bei der Kontrollgruppe im gleichen Zeitraum diese Veränderungen nicht gab.

Die teilnehmenden Studierenden verfügen also früher über Kompetenzen, die für das Studium und das Arbeitsleben sehr bedeutsam ist. Und der empfundene Kompetenzzuwachs kann eindeutig der Teilnahme an Humboldt reloaded zugeordnet werden.

Allerdings gleichen sich die beiden Gruppen bei einer dritten Befragung am Ende des Studiums hinsichtlich ihrer Selbsteinschätzung wieder an. Das ist aber auch nicht unbedingt verwunderlich, da die meisten Studierenden ja nur einmal, meist im 3. oder 4. Semester an einem Humboldt reloaded-Projekt teilnehmen und die Kontrollgruppe z.B. in der Bachelorarbeit inzwischen ebenfalls forschend gelernt hat.

Humboldt reloaded konnte zwar nicht mehr verlängert werden, aber es gibt weiterhin Fördertöpfe für innovative Lehrkonzepte. Sind neue Anträge in der Mache – und inwiefern ist das Humboldt-Team daran beteiligt?

Selje-Aßmann: Humboldt reloaded war ja finanziert aus dem Bund-Länder-Programm „Qualitätspakt Lehre“ (QPL). Es gibt ein Nachfolgeprogramm, das allerdings mit etwas weniger Mitteln ausgestattet ist. Da gerade an vielen Hochschulstandorten die QPL-Projekte ausgelaufen sind, sind diese Gelder natürlich umso heißer umkämpft.

Selbstverständlich wirft hier auch die Uni Hohenheim ihren Hut in den Ring. Ein Antrag zur Digitalisierung der Lehre wurde bereits Anfang des Monats eingereicht. Das Konzept war echtes Team-Work von unterschiedlichen Hohenheimer Akteuren. Auch wir seitens Humboldt reloaded haben uns dabei eingebracht und werden dies bei künftigen Ausschreibungen gerne wieder tun.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.


Interview: Leonhardmair


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