Schaufenster Bioökonomie

Schweineställe der Zukunft  [15.09.20]

Bild: Uni Hohenheim / Sacha Dauphin

Innen- und Außenbereiche, verschiedene Einstreu, wechselndes Spielzeug und fortschrittliche Fütterungstechnik: Die Anforderungen an moderne Schweineställe sind hoch. „Schweinen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen und dabei umweltbewusst und wirtschaftlich zu sein ist gar nicht einfach“, weiß Projektleiterin apl. Prof. Dr. Eva Gallmann. Zusammen mit Prof. Maren Bernau von der HfWU Nürtingen unterstützt sie mit einem Forschungsprojekt nicht nur innovative Projekte in der Bauphase, sondern erarbeitet auch Praxisempfehlungen für Schweinehalter. 23 wissenschaftlich betreute Bauvorhaben sind bereits abgeschlossen, bis Ende 2020 werden weitere 9 Ställe realisiert. Die restlichen 4 Betriebe folgen bis Mitte 2021.

 

Das Tierwohl ist ein wesentlicher Faktor bei der Konzeption neuer Schweineställe: „Schweine sind intelligente Tiere, ihnen wird schnell langweilig“, erklärt Agrarwissenschaftlerin apl. Prof. Dr. Gallmann. Damit es nicht zu aggressivem Verhalten komme, sei es daher wichtig den Tieren abwechslungsreiche Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.

Doch Seile und Holzbalken zum Beknabbern allein reichen nicht. Auch eine entsprechende Fütterungstechnik trägt zum Schweinewohl bei: „Bodenfütterung ist für Schweine natürlicher“, so apl. Prof. Dr. Gallmann. „Sie können wühlen und suchen, wie sie es auch in der Natur machen würden.“

Dass Schweine gerne wühlen, spielt auch für die Einstreu eine große Rolle: „Die Tiere brauchen verschiedene Bereiche. So können beispielsweise Teile des Stalls mit Wühlerde eingestreut sein, damit die Tiere ihrem Wühltrieb nachkommen können. In anderen Bereichen können Untergründe mit Stroh sinnvoller sein.“

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In der Folge 2: „Schwein gehabt – innovativ gemacht!“ gibt apl. Prof. Dr. Eva Gallmann einen Einblick in die Schweineställe der Zukunft. Zu hören zum Beispiel auf YouTube...

Auch ausreichend Platz ist wichtig. „Optimal ist eine Kombination von Außen- und Innenbereich, sodass die Schweine sich der Witterung entsprechend in die Sonne legen oder zurückziehen können. Darüber hinaus bietet ihnen das auch die Möglichkeit sich ausreichend zu bewegen.“

Entgegen ihres Rufs seien Schweine außerdem reinliche Tiere. „Sie legen Toiletten an und versuchen, soweit wie möglich von diesen entfernt zu liegen“, berichtet apl. Prof. Dr. Gallmann. „Und praktischerweise legen Schweine ihre Toiletten – wenn möglich – im Freien an.“

Neben dem Aspekt Tierwohl stehen noch drei weitere Handlungsfelder im Fokus der Untersuchung: Emissionsminderung/Ressourcenschonung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Schaffung von Funktionsbereichen innerhalb des Stalls. Gemeinsam erarbeiten die Projektpartner potenzielle Lösungen, sodass jeder Landwirt mit seinem Stallprojekt alle vier Bereiche bedienen kann.

Tierwohl messbar machen

Während  des Projektes untersuchten die Wissenschaftler die Tiere anhand eines festgelegten Boniturkatalogs auf Verletzungen an Ohren, Körper und Schwanz sowie insbesondere auf körperliche Schäden und Verhaltensstörungen, die durch die Haltungsbedingungen verursacht werden. Außerdem werden die Bucht und der Auslauf – wenn vorhanden – auf Verschmutzung und somit Einhaltung der Funktionsbereiche hin untersucht. Staub- und Ammoniakgehalte werden mit verschiedenen Messgeräten erhoben.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung besuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Betriebe regelmäßig. Über mehrere Wochen hinweg erheben sie regelmäßig tier- und ressourcenbezogene Daten sowie Daten zur Arbeitswirtschaft und zum Stallklima.

Um den Zustand der einzelnen Tiere zu beurteilen, nutzen sie ein von Expertengruppen entwickeltes Tierwohl-Indikatorensystem. Sie dokumentieren Verletzungen, aber auch allgemeine körperliche und gesundheitliche Eindrücke der Schweine. Außerdem beschreiben sie Verhaltensauffälligkeiten und beziehen die Betriebsdaten zur Gewichtsentwicklung, Futter- und Strohaufwand und gegebenenfalls Medikamenteneinsatz bei ihrer Beurteilung mit ein.

„Zu den ressourcenbezogenen Indikatoren zählen die Dimension, Ausgestaltung und Sauberkeit der Stallflächen“, erklärt Studienleiterin apl. Prof. Dr. Gallmann. Wichtig sei außerdem, ob die Tiere die Funktionsbereiche für Liegen/Ruhen, Fressen/Trinken, Aktivität/Spielen sowie Ausscheidung wie vorgesehen nutzen können.

„Den Tieren müssen je nach Jahreszeit und Wetterlage ausreichend warme Bereiche zur Verfügung stehen bzw. Möglichkeiten zur Abkühlung wie Suhlen und Schweineduschen geboten werden“, so apl. Prof. Dr. Gallmann weiter.

Jeder Stall sei deshalb dauerhaft mit Temperatur-Feuchte-Loggern ausgestatten, die kontinuierlich die Daten im Stallraum und in den geschützten Liegebereichen oder im Ferkelnest aufzeichnen. Mit einer Wärmebildkamera stellen die Forscherinnen und Forscher die Schwachstellen und den Erfolg der Temperatur-Regulierung dar.

Umweltfaktor Schweinemast

Neben dem Schweinewohl stehen aber auch Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz im Fokus des Projekts. „Natürlich ist uns wichtig, dass es den Schweinen gut geht“, so apl. Prof. Dr. Gallmann. „Aber wir untersuchen auch, wie gleichzeitig die Umweltbelastung möglichst gering gehalten werden kann.“ Denn: Je mehr Auslauf die Tiere haben, desto mehr Fläche kann potenziell verschmutzt werden und eine zusätzliche Emissionsquelle sein.

„Durch innovative Auslauf- und Entmistungskonzepte versuchen wir daher, Kot und Harn besser voneinander getrennt zu halten“, erklärt apl. Prof. Dr. Gallmann. Das kann die Bildung von Ammoniakemissionen verzögern oder vermindern.

„Mit Hilfe von ausgeklügelten Systemen schaffen wir es, den Schweinen ein gutes Leben zu bieten und gleichzeitig die Umwelt weniger zu belasten“, so die Wissenschaftlerin. Auch entstehende Gase seien durch entsprechendes Stall- und Entmistungsmanagement beherrschbar. Dazu gehörten z.B. regelmäßiges Reinigen und Nachstreuen, auch mit Hilfe von Einstreurobotern, bauliche Lösungen für Harnablaufrinnen, Bodengefällegestaltung und Entmistungsschieber.

In allen Betrieben führt das Forschungsteam außerdem über mehrere Stunden oder Tage stichprobenartig Luftmessungen durch. Mit handlichen Messgeräten werden die Feinstaub- und Ammoniakwerte ermittelt. So kann man nicht nur das Stallklima, sondern auch die Umweltbelastung besser beurteilen.

Innovation lohnt sich – auch wirtschaftlich

„Die betreuten Betriebe haben zwischen 200 und 1.500 Schweine“, berichtet apl. Prof. Dr. Gallmann. „Uns war wichtig unterschiedlich große Betriebe zu begleiten, um so auch Praxisempfehlungen für sämtliche Betriebsgrößen ableiten zu können.“

Allen Betrieben gemein sei neben der Schweinehaltung natürlich auch das Streben nach Wirtschaftlichkeit. „Innovative Ställe erzeugen zunächst einmal Kosten und Mehraufwand“, so apl. Prof. Dr. Gallmann. „Unser Ziel ist die Arbeitsprozesse zum Beispiel durch Automatisierung und raffinierte Konzepte zu verschlanken.“ Beispiel hierfür seien wegklappbare Zwischenwände, die das Ausmisten der Ställe erheblich erleichterten.

Ein weiterer Faktor für die Wirtschaftlichkeit seien die Vermarktungsstrategien. „Innovationskonzepte eröffnen den Weg zu neuen, besseren Vermarktungswegen wie zum Beispiel über Tierschutzlabel“, erklärt Projektleiterin apl. Prof. Dr. Gallmann. „Solche Label bringen höhere Erlöse. Das hilft dabei, Bau- und Betriebskosten abzudecken.“

HINTERGRUND: Projekt „Verbesserung des Tier- und Umweltschutzes in der Schweinehaltung durch baulich-innovative Lösungen mit dem Ziel der Praxisverbreitung“

Das Projekt „Verbesserung des Tier- und Umweltschutzes in der Schweinehaltung durch baulich-innovative Lösungen mit dem Ziel der Praxisverbreitung“ startete unter der Leitung der Universität Hohenheim im März 2016 und endet voraussichtlich am 31.12.2022.

Kooperationspartner der Uni Hohenheim in diesem Projekt sind Prof. Barbara Benz und Prof. Maren Bernau von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, die AgriConcept Beratungsgesellschaft mbH sowie 50 Landwirte. Das Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg sowie der freiberufliche Berater Rudolf Wiedmann unterstützen das Projekt. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg fördert es mit 265.084 Euro.

Text: Dannehl / Elsner

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