Frederic Kindler: „Das Studium ist das Wichtigste für mich“

Hochschulsportler des Jahres im Interview  [31.01.20]

Frederic Kindler bei der Universiade 2019 in Neapel | © Arndt Falter

Der deutsche Hochschulsportler des Jahres 2019 kommt von der Uni Hohenheim: Der allgemeine Deutsche Hochschulsportverband (adh) hat Wiwi-Student Frederic Kindler interviewt. Dabei lässt der 21-Jährige Säbel-Fechter seine Saison Revue passieren und spricht auch darüber, wie er Studium als auch Spitzensport unter einen Hut bekommt und was er sich für die Zukunft wünscht.


Nach einem durchwachsenen Start in die Saison 2019 mit vielen unglücklichen Niederlagen bei internationalen Gefechten ist Frederic Kindler rechtzeitig zu den letztjährigen Großereignissen in Form gekommen. Der U23-Vize-Europameisterschaft mit der Mannschaft folgte bei der Sommer-Universiade in Neapel nicht nur die Silbermedaille mit dem Säbel-Team. Auch im Einzel stürmte der Student der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim bis ins Finale, wo sich der Fechter der TSG Eislingen erst dem damaligen Weltranglistenzweiten Sanguk Oh aus Südkorea geschlagen geben musste.


Hochschulsportler des Jahres 2019 – Was bedeutet Dir diese Auszeichnung?

Die Auszeichnung ist für mich von großer Bedeutung, da sie nicht nur meine diesjährige Leistung wiederspiegelt, sondern ein Zeichen an mich ist, dass meine Arbeit richtig ist und es sich lohnt, weiterzumachen. Gerade jetzt während der Olympiaqualifikation ist jeder Motivationsschub Gold wert, und auf solchen Ergebnissen kann man aufbauen.

Bei der Universiade in Neapel hast Du letztes Jahr nicht nur Silber im Einzel, sondern auch mit dem Team errungen. Was für ein Gefühl war das?

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Frederic Kindler bei der Universiade 2019 in Neapel
© Arndt Falter

Es war ein Hammergefühl, vor allem, weil ich wusste, dass meine Teamkollegen auch auf eine Medaille brennen und wir uns so gemeinsam freuen konnten. Wir wussten auch, dass wir gute Chancen auf eine Medaille haben, da wir schon seit mehreren Jahren unter Beweis gestellt haben, dass wir ein eingespieltes Team sind und einen super Zusammenhalt haben.

Wie hast Du die Universiade insgesamt erlebt und das deutsche Team wahrgenommen?


Die Universiade das erste Mal direkt erfolgreich zu erleben, ist natürlich ein einzigartiges Erlebnis, das man nicht beschrieben kann. Es macht auf jeden Fall Hunger auf mehr solcher Events. Dennoch war es extrem schade, dass das Dorf auf mehrere Standorte verteilt war und so kein richtiges Gemeinschaftsgefühl entstanden ist.

Das noch größere Manko war jedoch die zeitliche Spanne zwischen den Standorten. Da es sich um mehrere Stunden Fahrtzeit gehandelt hat, konnte man nicht bei anderen Sportarten zuschauen und hatte auch keine Möglichkeit, gemeinsam Zeit zu verbringen.

Welchen Stellenwert haben studentische Wettkämpfe für Dich?


Nach dem Erlebnis Neapel natürlich einen noch höheren. Man kennt Olympia oder WM und EM, aber von der Universiade hat man kein genaues Bild im Kopf. Deswegen war es erstaunlich zu sehen, was für ein Großevent das wirklich ist.

Die Bedeutung eines Turniers kann man oft am Teilnehmerfeld messen. Gerade beim Fechten waren internationale Topleute am Start, die einem noch mehr das Gefühl gegeben haben, dass dieses Turnier ein großes Prestige hat.

Neben der Universiade hattest Du eine vollgepackte Saison, in der Du einen Monat vor Neapel U23-Vize-Europameister mit der Mannschaft geworden bist. Wir ordnest Du Deine Saison insgesamt ein?


Für mich war es eine Saison mit gemischten Gefühlen, denn es gab viele Ups and Downs. Ich habe gerade bei Weltcups und Grand Prix immer knapp verloren, obwohl ich die Gefechte durchaus dominiert habe. Dann beginnt man sich zu hinterfragen oder nach Lösungen für Probleme zu suchen, obwohl es eigentlich keine relevanten gibt.

Genau in diese Phase ist die U23 EM und die Universiade gefallen, die mir wieder gezeigt haben, wie mein Weg aussieht und dass ich einiges doch richtig gemacht habe. Dieses Gefühl nehme ich mit und hoffe, dass ich 202 da weitermachen kann, wo ich letztes Jahr aufgehört habe.

Was sind Deine Ziele für die kommende Saison?


Ich möchte mich für die Zeit nach 2020 in eine gute Position bringen und meinen Coaches zeigen, dass mit mir bis 2024 zu rechnen ist.

Ich will mich weiterentwickeln und zusammen mit meinem Team von der Universiade den nächsten Schritt gehen, also nach Olympia 2020 das erste Team bilden.

Du hast mittlerweile viel Erfahrung mit der Verbindung von Studium und Spitzensport gesammelt. Was würdest Du Leistungssportlerinnen und -sportlern, die jetzt anfangen zu studieren, mit auf den Weg geben?

Dass alles halb so schlimm ist. Man braucht Disziplin, und man muss ein paar Abstriche in Kauf nehmen, was das Lernen und das allgemeine Unileben angeht. Aber die meisten kennen das bereits aus der Schulzeit.

Das Gute an der Uni ist, dass man sein eigener Herr ist und man sich seinen Lern- beziehungsweise Klausurenplan selbst zusammenstellen kann und vieles einfacher nachzuarbeiten ist als zur Schulzeit.

Welchen Stellenwert nimmt für Dich das Studium ein?

Das Studium ist das Wichtigste für mich, denn ich weiß, dass das Fechten später meine Rechnungen nicht bezahlen wird. Wäre Fechten eine Sportart, von der ich auch in Zukunft noch leben könnte, würde der Sport die höchste Priorität genießen. Das Studium ist meine Zukunft und nimmt daher den größten Stellenwert ein. Diese Rangfolge war aber bereits schon zur Schulzeit vorherrschend.

Spitzensport ist nicht immer Rampenlicht und Großveranstaltung – wie schaffst Du es, Dich Tag für Tag zum Training zu motivieren?

Keiner von uns betreibt den Sport, um damit im Rampenlicht zu stehen, sondern weil uns als kleines Kind aufgefallen ist, dass wir Spaß daran haben. Aus diesem Spaß wurde über die Jahre hinweg Hunger auf Erfolg und die Lust am Gewinnen.

Es ist dieser persönliche Ehrgeiz, den jeder Sportler hat, der mich antreibt. Ich will es nicht halbherzig machen, sondern mich mit den Besten der Welt messen. Dafür gehe ich jedes Mal aufs Neue an meine Grenzen. Nichts ist schlimmer als eine Niederlage, bei der man weiß, dass man nicht alles gegeben hat.

Wie sieht eine normale Trainingswoche bei Dir aus?

Morgens geht es bis nachmittags in die Uni, danach ins Training und dann nach Hause. Das ist schnell zusammengefasst, aber so sehen meine Tage unter der Woche aus.

Was sind die größten Herausforderungen, die Du täglich meistern musst?

Alles so zu organisieren, dass ich alles unter einen Hut bekomme und alles von mir genügend Aufmerksamkeit bekommt. Das umfasst nicht nur das Studium, sondern auch den privaten Bereich. Es immer jedem Recht zu machen, ist schwer, da ich eben nur bedingt Zeit habe. Ein Gleichgewicht zu wahren und allen Ansprüchen gerecht zu werden, ist die größte Aufgabe.

Wenn Du drei Wünsche für die Zukunft hättest, was wären diese?


Zeit mit Menschen, die mir wichtig sind, Gesundheit für meine Familie und später behaupten zu können, dass die wichtigen Entscheidungen, die ich getroffen habe, die richtigen waren.

Wie bist Du zum Fechten gekommen?

Meine beiden Geschwister haben angefangen zu fechten, denn die Trainer von unserem Verein gehen regelmäßig in Schulen, um Kinder fürs Fechten zu begeistern. Das hat erst bei meinem Bruder, dann bei meiner Schwester und zuletzt auch bei mir geklappt.
 
Was fasziniert Dich an Deiner Sportart?

Die Schnelligkeit, die Fähigkeit, blitzschnell Entscheidungen zu treffen, die Dich vielleicht zu einer Niederlage oder einem Sieg führen. Dieses Gefühl, dass Dein Wille Berge versetzen kann und Dich niemand aufhalten wird. Dass man für sich selbst verantwortlich ist, dass niemand da ist, der Dir helfen kann und dass, wenn es mal schlecht läuft, Du der einzige Mensch bist, der Dich rausziehen kann. Dass, egal, was auch passiert, es immer eine Chance gibt, doch noch zu gewinnen.

Interview: adh

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