Studie zu Corona-Folgen
Start-ups besonders bedroht [29.04.20]
Bild: Uni Hohenheim / Clipdealer
Eine aktuelle Studie der Uni Hohenheim zeigt: Der Corona-Lockdown bedroht die Existenz vieler deutscher Start-ups. Um die Innovationskraft des Landes nicht zu gefährden, brauche es nicht nur finanzielle Erste Hilfe, sondern auch langfristige, zielgerichtete Programme, so das Fazit des Teams um Prof. Dr. Andreas Kuckertz. Denn eigentlich hätten gerade Start-ups das Potenzial, gestärkt aus der Krise hervorzugehen – sofern sie die richtige Unterstützung erhalten, die eine rasche Erholung und ein schnelles Wachstum sicherstellen.
Serie: Corona-Krise und ihre Folgen. Die weltweite Corona-Pandemie hat bereits jetzt einschneidende Folgen: der Bildungssektor, die Wirtschaft, die Arbeitswelt allgemein, aber auch das menschliche Miteinander werden voraussichtlich auch nach der Krise anders sein als vorher. Um damit sinnvoll umgehen zu können, sind sowohl in der Krise selbst als auch für die Zeit danach wissenschaftliche Fakten wichtiger denn je. Auch zahlreiche Expertinnen und Experten der Uni Hohenheim stehen bereit, um ihre jeweilige Fachexpertise zu verschiedenen Aspekten der Corona-Krise und ihren Folgen, beizusteuern. Mehr...
Innovative Start-ups stehen unter Druck: Viele von ihnen können Hilfspakete nicht nutzen, welche die Politik für Unternehmen aufgelegt hat, die von der COVID-19-Krise betroffen sind. Der Grund: Sie erfüllen (insbesondere in der Anfangsphase nach ihrer Gründung) beispielsweise die üblichen Kriterien für die Gewährung von Darlehen nicht, wie es etablierte Unternehmen tun.
Bei vielen Hilfsprogrammen wird zudem erwartet, dass die geförderten Unternehmen innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens wieder rentabel sind. Dieses Kriterium kann ein innovatives Start-up, das erst vor Kurzem gegründet worden ist, normalerweise nicht erfüllen.
Aktuelle Publikation |
Startups in crisis – a rapid response to the COVID-19 pandemic. A. Kuckertz, L. Brändle, A. Gaudig, S. Hinderer, C.A. Morales Reyes, A. Prochotta, K. Steinbrink & E.S.C. Berger. Journal of Business Venturing Insights |
Innovative Start-ups brauchen jetzt spezielle Förderung
Um die aktuelle Situation der Start-ups in Deutschland und weltweit zu erfassen, führte das Team des Hohenheimer Fachgebiets für Unternehmensgründungen und Unternehmertum umfassende Interviews mit der deutschen Start-up-Szene, die anschließend qualitativ ausgewertet wurden. Begleitend wurde die internationale öffentliche Berichterstattung aus über 40 Ländern analysiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass Start-ups unmittelbar und greifbar unter den Folgen des COVID-19-Ausbruchs leiden. Doch „die Annahme, dass Maßnahmen, die auf kleine und mittlere Unternehmen abzielen, automatisch auch innovative Start-ups schützen, ist ein Trugschluss“, meint Prof. Dr. Kuckertz. Für die Forschungsgruppe ist offensichtlich, dass nur Programme, die speziell auf innovative Start-ups abzielen, eine drohende Innovationslücke in den nächsten drei bis vier Jahren vermeiden können.
Möglichkeiten für die Politik gibt es viele: Angefangen beim Abbau von bürokratischen Hürden über die Förderung einer Start-up-spezifischen Infrastruktur bis hin zur Schaffung von Anreizen für Investoren zusätzliches Wachstumskapital bereitzustellen. Nur rund ein Viertel der Länder weltweit hat bislang spezielle Start-up-Fördermaßnahmen geplant. Ein positives Beispiel sei etwa die Initiative Start-up BW Pro-Tect des Landes Baden-Württemberg, die private Investitionen in Start-ups deutlich mit einer staatlichen Co-Finanzierung unterstützt.
Besondere Situation für innovative Start-ups
Vor allem die Kombination aus Umsatzrückgängen bei laufenden Fixkosten kann die Liquidität und das langfristige Überleben von Start-ups gefährden. Darüber hinaus berichten die Gründer von Start-ups, dass das Wirtschaftsklima derzeit für viele Innovationen ungünstig ist. Wichtige Partner, Kunden und Investoren sind selbst voll und ganz damit beschäftigt auf die Krise zu reagieren, und die Unsicherheit darüber, wie sich die Krise entwickeln wird, ermutigt nicht zur Zusammenarbeit mit Start-ups.
Es gibt aber auch einige Gründer, deren Unternehmen nicht oder nur kaum von der COVID-19-Krise betroffen sind. Entweder sind sie trotz der Krise weiterhin relevant oder sie haben bereits vor der Krise Maßnahmen ergriffen, um anpassungs- und widerstandsfähig zu bleiben. Wobei ihre Belastbarkeit höchstwahrscheinlich zeitlich begrenzt sein wird.
Viele Unternehmer versuchen, Veränderungen voranzutreiben und mit den verfügbaren Ressourcen neue Chancen zu schaffen. Sie zeigen, dass Krisen die Entwicklung neuer Möglichkeiten, Innovationen und alternativer Produkte und Dienstleistungen fördern können. „Kurzfristig ergeben sich aus der COVID-19-Krise natürlich auch Chancen, insbesondere im Gesundheitssektor oder auch bei digitalen Arbeitslösungen“, meint Prof. Dr. Kuckertz.
Chancen für innovative Start-ups
Die COVID-19-Krise trat jedoch so abrupt auf, dass die Unternehmen nur wenig bis keine Zeit hatten sich darauf vorzubereiten.
Allerdings sind kleinere Unternehmen häufig kreativer als große, was dazu beitragen kann, dass diese Unternehmen trotz widriger Umstände überlebensfähig bleiben. „Eigentlich hätten gerade die Start-ups das Potenzial, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Sie müssen allerdings die richtige Unterstützung erhalten, damit diese Vorteile durch geeignete Maßnahmen unterstützt und gefördert werden.“
Um einer drohenden Insolvenz zu begegnen, sollten Unternehmer als kurzfristige Strategie verstärkt die vorhandenen Ressourcen verwenden, um Lösungen für neue Probleme zu finden. Eventuell lassen sich mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten und dem Mitarbeiter-Knowhow neue Produkte entwickeln und herstellen, die schnell Umsatz generieren können.
Längerfristig könnten daraus Produkte entstehen, die bei der Bewältigung der Krise und ihrer Folgen helfen und auf Trends wie Nachhaltigkeit, bewussten Konsum oder die Digitalisierung der Arbeitswelt setzen.
Text: Stuhlemmer