Ein Kaffee mit... der Prorektorin für Forschung
Uni denkt Unterstützung für Forschung neu [17.10.24]
Besuch im Phytotehchnikum mit Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, Prorektorin für Forschung. Bild: Uni Hohenheim
Sie sollen den Wünschen der Forschenden besser Rechnung tragen – und neue Voraussetzungen für Spitzenforschung made in Hohenheim schaffen: 2025 will die Uni ihre forschungsunterstützenden Bereiche neu aufstellen. Über den aktuellen Stand berichtet die Prorektorin für Forschung, Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, beim Kaffee mit dem Online-Kurier. Diesmal an einem besonderen Ort!
Anmerkung der Redaktion:
"Für die Universität soll es weiter gehen": Das war der ausdrückliche Wunsch unseres Rektors Stephan Dabbert als er seine Amtsgeschäfte Anfang September wegen schwerer Krankheit niederlegte. Das Interview haben wir in diesem Sinne geführt, noch bevor uns die traurige Nachricht von seinem unerwartet plötzlichen Tod am 1. Oktober erreichte. Wir haben uns entschieden, das Interview nun zwei Wochen später als ursprünglich geplant zu veröffentlichen und um eine Frage zu ergänzen.
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Frau Fritz-Steuber, wir sprechen heute über die forschungsunterstützenden Bereiche an der Uni Hohenheim. Als Ort für das Interview haben Sie sich das Phytotechnikum gewünscht. Warum?
Das Phytotechnikum ist eine unserer absoluten Spitzenforschungseinrichtungen an der Uni Hohenheim. Bereits jetzt gibt es nur wenig Vergleichbares und nur an sehr wenigen anderen Standorten. Wir können zurecht stolz auf diese Einrichtung sein!
Das Phytotechnikum soll zum größten Forschungsgewächshaus in Deutschland ausgebaut werden. Bild: Universität Hohenheim / Christian Trautmann
In den kommenden Jahren soll es sogar noch auf das Vierfache (!) seiner heutigen Größe ausgebaut werden. Dann wird es das größte universitäre Forschungsgewächshaus in Deutschland sein. Die Kosten: 83 Mio. €, finanziert vom Land.
Im Zuge des neuen Struktur- und Entwicklungsplans für die Jahre 2023-27 haben wir uns intensiv Gedanken gemacht, wie wir unsere Forschung mit Blick auf die Zukunft weiter stärken können. Ein wichtiges Fazit: Infrastruktur auf Spitzenniveau - wie hier im Phytotechnikum - spielt eine absolute Schlüsselrolle! Deshalb wollen wir diesem Thema künftig noch mehr Gewicht geben.
Insofern passt der Ort sehr gut zu unserem heutigen Thema. Eine ähnliche Bedeutung haben für uns aber natürlich auch andere Einrichtungen wie z.B. unsere Core Facility mit der neuen Imaging-Geräte-Unit, die deutschlandweit einzigartige Versuchsstation Agrarwissenschaften mit ihren 6 Standorten oder das im Bau befindliche tierwissenschaftliche Zentrum HolMir südlich des Biogebäudes sowie am Meiereihof.
Die Core Facility Hohenheim (CFH) verfügt u.a. über einen hochleistungsfähigen Imaging-Geräteverbund. Die Aufnahme zeigt pflanzliche Protheine, sichtbar gemacht durch ein konfokales Superresolution Mikroskop. Bild: Uni Hohenheim / Tatsiana Straub, Lin Xi
Worin liegt denn die besondere Bedeutung von Einrichtungen wie diesen?
Zusammengefasst: Spitzenforschung braucht Spitzeninfrastruktur! Die Einrichtungen helfen uns, die besten Köpfe für die Forschung zu gewinnen und zu halten. Sie machen uns attraktiv für exzellente Kooperationspartner. Und sie sind unsere Eintrittskarte, damit wir bei den richtig großen Fördertöpfen punkten können.
Ein aktuelles Beispiel: Die Universitäten Tübingen und Heidelberg sind im Bereich Forschung ja bekanntermaßen echte Schwergewichte. Sie konnten in der Vergangenheit schon mehrere Exzellenz-Cluster für ihre Standorte gewinnen.
In der aktuellen Ausschreibungsrunde der Exzellenzstrategie kooperieren wir nun mit den beiden großen Exzellenz-Unis und stellen den Forschenden unsere hervorragende Infrastruktur wie das Phytotechnikum und die Versuchsstation Agrarwissenschaften zur Verfügung, damit sie Forschung an vorderster Front betreiben können.
Stichwort "Exzellenzstrategie": Wie genau ist hier der aktuelle Stand?
Spitzen-Forschung an 6 Standorten: Die Versuchsstation Agrarwissenschaft. Bild: Uni Hohenheim / Gerlach
Aktuell haben wir zwei "heiße Eisen" im Feuer. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir im August einen Vollantrag eingereicht. Bei einem weiteren Antrag sind wir als Juniorpartner beteiligt:
- GreenRobust ist ein gemeinsamer Cluster-Antrag der Unis Heidelberg, Tübingen und Hohenheim. Es geht um ein besseres Verständnis der Mechanismen, die Pflanzen robust machen gegen Störungen, wie z.B. Trockenheit. Darauf aufbauend sollen Strategien entwickelt werden, um pflanzliche Ökosysteme und landwirtschaftliche Produktivität angesichts des Klimawandels und anderer Stressfaktoren zu erhalten.
- Die Initiative TERRA will erforschen, welchen Einfluss die Geosphäre (z.B. Boden) auf die Biosphäre (z.B. Biodiversität) hat. Hohenheim ist bei diesem Cluster mit mehreren Wissenschaftlern beteiligt und profitiert im Erfolgsfall durch die Förderung einer neuen Professur sowie einer einzigartigen Forschungsinfrastruktur, dem Diversitorium. Hier wird in einem einmaligen Feldversuch die Diversität der einen Sphäre gezielt manipuliert und die Wechselwirkung auf die anderen untersucht.
Es ist ein unglaublicher Erfolg für alle beteiligten Forscherinnen und Forscher, dass sie die erste Hürde der Vorauswahl gemeistert haben. Hier darf wirklich große Anerkennung ausgesprochen werden. Nicht umsonst gilt die Exzellenzstrategie als renommierteste Förderausschreibung in Deutschland.
Die große Entscheidung fällt dann am 22. Mai 2025. Was bedeutet dieses Datum für die Uni?
Wenn einer oder sogar beide Anträge bewilligt werden, bringt uns das als gesamte Uni einen großen Schub. Denn von zusätzlichen Professuren, Stellen und Infrastrukturinvestitionen profitieren ja nicht nur die beteiligten Forscher:innen. Auch das Renommee der Exzellenz-Forschung strahlt auf die gesamte Universität aus.
Für den Fall, dass die Anträge nicht bewilligt werden sollten, hat sich die Mühe trotzdem gelohnt. Denn die Forschenden könnten bei künftigen Ausschreibungen auf den bereits entwickelten Konzepten aufbauen.
Außerdem haben wir im Zuge der Antragsvorbereitung konkrete Projekte angestoßen, die wir unabhängig von der Bewilligung umsetzen wollen. Beispielsweise entsteht an der Versuchsstation Agrarwissenschaft ein sogenanntes "Xerodrom": Eine innovative und mobile Forschungsinfrastruktur, in der Wetterbedingungen (u.a. Extremwetterereignisse) über einen längeren Zeitraum unter Feldbedingungen simuliert werden können.
Und dann haben wir im Zuge der Antragsvorbereitung auch wichtiges Wissen zu den Strukturen der forschungsunterstützenden Bereiche gewonnen. Auch diese Erfahrungen helfen uns enorm, wenn es darum geht, uns für die kommenden Jahre zukunftsfähig aufzustellen.
Das bringt uns zurück zum Ausgangsthema. Für 2025 plant das Rektorat eine Reform der forschungsunterstützenden Bereiche. Was genau hat es damit auf sich?
Ein Ziel ist es, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit wir mit externen Partnern effizient zusammenarbeiten und größere Infrastrukturprojekte, wie z.B. das Xerodrom oder das Diversitorium, bei der Vorbereitung, Planung und Antragstellung gut unterstützen können. Das ist wichtig, damit wir einen Exzellenz-Cluster oder auch ein anderes größeres Verbundprojekt in der Praxis erfolgreich durchführen können.
Ein weiteres Ziel ist uns jedoch genauso wichtig: Wir wollen noch besser auf die Bedürfnisse der Hohenheimer Forschenden eingehen - und ihnen möglichst die Art von Unterstützung bieten, die sie selbst als besonders hilfreich empfinden. Dazu haben wir eine Befragung aller Professor:innen und Postdocs durchgeführt.
Wir arbeiten im Moment noch an den organisatorischen Details und werden alle Neuerungen Anfang 2025 dann in ganzer Breite vorstellen. Feststeht aber schon jetzt: Wir werden unsere Ressourcen für den Bereich der Forschungsunterstützung auf keinen Fall reduzieren. Und Projekte, die aktuell Unterstützung erhalten, sollen auch weitergeführt und unterstützt werden.
Feststeht außerdem: Es wird strukturelle Neuerungen geben. Der Senat hat beschlossen, die drei wissenschaftlichen Zentren zum 30. Juni 2025 formal aufzulösen. Warum dieser Schritt?
Die wissenschaftlichen Zentren arbeiten themenbasiert zu den Schwerpunkten Bioökonomie, globale Ernährungssicherung & Ökosysteme sowie Gesundheitswissenschaften.
Eingerichtet wurden sie im Zuge des Struktur- und Entwicklungsplan (SEP) 2013 - 2017. Fokus war damals, das Profil des Forschungsstandorts Hohenheim zu schärfen und die Zusammenarbeit von Forschenden zu den damals definierten Schwerpunkten zu fördern.
Es war von Anfang an geplant, die Zentren nach 8 Jahren zu evaluieren. Und tatsächlich haben sich die Anforderungen für die Forschenden und die Universität verändert.
Die Zentren haben hervorragende Arbeit geleistet, wenn es darum geht, Forschende bei themenspezifischen Anträgen zu unterstützen. Und sie haben wichtige internationale Netzwerkarbeit für die Uni Hohenheim geleistet. Es war jedoch ein wichtiges Ergebnis der Befragung, dass sich die Forschenden der Uni Hohenheim eine stärkere Unterstützung von Initiativen wünschen, bei denen sie die Themen selbst entwickeln.
Neue thematische Impulse sollten also nicht top-down vorgeben werden. Wir möchten stattdessen flexibler auch solche Schwerpunkte unterstützen, die von unseren Forschenden vorangetrieben werden, wie z.B. Biointelligenz oder die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Agrar- und Ernährungsbereich.
Wobei existierende Themenschwerpunkte wie z.B. Bioökonomie und Biodiversität auch weiterhin mit themenfokussierten Einrichtungen an der Uni Hohenheim unterstützt werden (z.B. Geschäftsstelle Bioökonomie oder KomBioTa).
Welche Art der individuellen Unterstützung wünschen sich die Forschenden in der Befragung darüber hinaus?
Die meisten Forschenden wünschen sich eine zentrale Anlaufstelle, die alle Services zum Thema Antragsstellung und Administration von Projektmitteln unter einem Dach bündelt, inklusive juristischer Beratung oder Unterstützung beim Verfassen des nicht-wissenschaftlichen Antragsteils. Die Befragung ergab weiterhin, dass sich unsere Forschenden Ansprechpersonen für die großen Drittmittelgeber wünschen.
Unterstützung in inhaltlichen oder thematischen Schwerpunkten wird hingegen als weniger entscheidend bewertet.
Den Wünschen der Forschenden wollen wir mit der neuen Struktur gerne bestmöglich Rechnung tragen.
Wie geht es weiter mit den Beschäftigten der wissenschaftlichen Zentren?
Die wissenschaftlichen Zentren sind bis 30. Juni voll arbeitsfähig. Das gibt uns ausreichend Zeit, die Umstrukturierung vorzubereiten. Die Abteilung Personal- und Organisation begleitet den Prozess intensiv und wir sind optimistisch, dass wir die Beschäftigten sehr gut mitnehmen können.
Bereits im Juni hatte der Rektor zu einem ersten gemeinsamen Informationstermin im Balkonsaal eingeladen. Eingeladen waren alle festangestellten und alle projektbezogenen Mitarbeiter:innen der Zentren.
Im Oktober findet ein großer Workshop statt und ab November werden wir verstärkt in einzelne Gespräche mit den betroffenen Beschäftigten einsteigen. Darüber hinaus stehen wir bei Bedarf immer auch für den individuellen Austausch bereit.
[Frage ergänzt am 11.10.24]
Die traurige Nachricht vom plötzlichen Tod unseres Rektors Herrn Dabbert hat uns alle schockiert und in tiefe Trauer versetzt. Was bedeutet dieser Verlust für die Themen, über die wir in diesem Interview gesprochen haben?
Herr Dabbert brannte von ganzem Herzen für das Thema Forschung und er hat in den letzten Jahren entscheidende strategische Impulse gesetzt. Dass wir es bis in die Endauswahl der Exzellenzstrategie geschafft haben, ist ganz klar auch seiner Weitsicht und seinem unermüdlichen Engagement zu verdanken. Auch die Pläne für die Weiterentwicklung der wissenschaftsunterstützenden Bereiche hat er entscheidend mitgeprägt.
Kurz gesagt: Der Verlust trifft uns hart - und schmerzt. Im letzten Gespräch, das wir im Rektorat mit Herrn Dabbert führen konnten bevor er seine Amtsgeschäfte niederlegte, hat er uns jedoch auch ermutigt, nach vorne zu schauen: "Für die Universität soll es weitergehen."
Wir sehen es deshalb jetzt umso mehr als unsere Verpflichtung an, die genannten Projekte in seinem Geist voranzubringen und nicht an Engagement nachzulassen. Ich bin mir sicher: Genau das hätte er sich gewünscht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Leonhardmair