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Roboter pflegt Streuobstwiesen [27.01.21]
Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa. Doch viele Bestände sind akut bedroht: Da sich ihre Bewirtschaftung aus wirtschaftlicher Sicht kaum noch lohnt, wird die überwiegende Mehrheit der Streuobstwiesen nicht oder nur schlecht gepflegt. Als Folge werden die Bäume krank oder sterben ab. Eine Grundvoraussetzung für langlebige, gesunde Bäume, die auch einen nennenswerten Ertrag abwerfen, ist ein regelmäßiger und fachgerechter Schnitt. Unterstützung will hier ein Projekt der Uni Hohenheim mit Hilfe künstlicher Intelligenz leisten. Dr. David Reiser vom Institut für Agrartechnik beschäftigt sich mit der Entwicklung eines autonomen Roboters, der in Zukunft den Baumschnitt weitgehend selbstständig übernehmen soll.
Streuobstwiesen prägen nicht nur das Landschaftsbild in vielen Regionen Deutschlands, sondern sind auch wertvolle Lebensräume mit zahlreichen Funktionen. Sie dienen gleichzeitig dem Arten-, Boden- und Wasserschutz, wirken als Klimaausgleich und als Genreservoir für rund 3.000 Obstsorten allein in Deutschland.
Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten gehören sie zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa: Neben Grünspecht, Wendehals und Baumläufer finden auch Fledermäuse und Siebenschläfer, Wildbienen und Hornissen, unzählige Käferarten und andere Insekten sowie Flechten und Moose hier einen Lebensraum.
Aber Streuobst hat, hauptsächlich in verarbeiteter Form, durchaus auch eine wirtschaftliche Bedeutung: Für den wichtigsten Produktionszweig, die Apfelsaftproduktion, liefern die Streuobstbestände in Deutschland je nach Erntejahr zwischen 500.000 und etwas über einer Million Tonnen Äpfel.
Trotzdem nehmen seit Jahrzehnten die Streuobstbestände immer weiter ab. Neben wirtschaftlichen Gründen liegt eine Ursache in der mangelnden Pflege der Bestände, wodurch die Lebensdauer der Obstbäume erheblich verkürzt wird.
Regelmäßiger Schnitt erhält Bäume lange gesund und am Leben
Gesunde, stabile und langlebige Kronen können sich nur mit einem regelmäßigen, fachgerecht ausgeführten Schnitt ausbilden. Er trägt entscheidend zur Lebensdauer und Ertragsfähigkeit der Bäume und demnach auch zum Fortbestand der Streuobstwiesen bei. Doch gerade hier zeigen sich oft große Defizite: Rund 80 % der Bäume werden gar nicht geschnitten.
Während heute verschiedene landwirtschaftliche Maschinen, wie Baumschüttler und Lesemaschinen dem Obstbauern bei der Ernte und dem Auflesen der Früchte gute Dienste leisten können, muss der für den Erhalt der Bäume so wichtige Baumschnitt immer noch von Hand durchgeführt werden.
Roboter-Prototyp lernt Baumstrukturen zu erkennen ...
Abhilfe soll hier ein autonomer Roboter schaffen, den der Hohenheimer Agrartechniker Dr. Reiser zusammen mit dem Doktoranden Jonas Straub und der wissenschaftlichen Hilfskraft Jonas Boysen im Fachgebiet für Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion entwickelt.
„Mit Hilfe des Roboters möchten wir dazu beitragen, dass die Bäume möglichst lange gesund und am Leben bleiben“, beschreibt Dr. Reiser das Ziel der Entwicklungsarbeiten, die unter anderem durch eine Förderung von 113.000 Euro aus dem Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden der Baden-Württemberg-Stiftung möglich geworden sind.
Auf einen bereits existierenden fahrbaren Prototypen haben die drei Wissenschaftler einen zusätzlichen Roboter-Arm montiert, wie er auch in industriellen Produktionsstraßen eingesetzt wird. Dieser Knickarm- oder auch Gelenkarmroboter ist in alle Richtungen frei beweglich, so dass damit jeder beliebige Punkt in seiner Reichweite angesteuert werden kann.
Der Arm ist zudem mit speziellen Sensoren ausgestattet, die bei der Navigation und dem Erkennen der Bäume und ihrer Strukturen helfen: „Während der Roboter um den Baum herumfährt, erfassen wir über einen so genannten LiDAR-Scanner dessen dreidimensionale Struktur. Ähnlich wie beim Radar tastet dabei ein Laser die Umgebung ab und misst den Abstand zu den Objekten. Aus vielen einzelnen Abstandsmessungen entsteht dann im Computer eine Punktwolke, die die dreidimensionale Struktur des Baumes abbildet“, erklärt Dr. Reiser die Funktionsweise.
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… um später Baumschnitt selbstständig durchführen zu können
Mit Hilfe des Knickarms wird auch der Hochentaster, eine kleine auf einen Teleskopstab montierte Kettensäge, in die richtige Schnittposition gefahren. „Aktuell arbeiten wir daran, dem Computer beizubringen, wo der Roboter die Säge ansetzen soll“, sagt Dr. Reiser. „Dabei ist Baumschnitt eine Wissenschaft für sich, man könnte auch fast von Philosophie sprechen.“
Je nach Baumart und dem erwünschten Ziel gibt es sehr unterschiedliche Schnittweisen. So soll manchmal beispielsweise ein durchgehender Hauptstamm stehen bleiben, bei dem dann die Verzweigungen gekürzt werden müssen. In anderen Fällen muss der Hauptstamm gekürzt werden, um eine lichte Krone mit vielen Verzweigungen zu bekommen. Der Nutzer soll später die Möglichkeit haben, zwischen verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen.
Noch muss der Roboter von Hand zu den einzelnen Bäumen und Schnittstellen gesteuert werden. Langfristiges Ziel ist jedoch, den Roboter völlig autonom auf einer Streuobstwiese arbeiten zu lassen und Äste bis zu einer Höhe von sieben Meter zurückzuschneiden.
„Eine besondere Herausforderung liegt in der hohen Variabilität der Streuobstwiesen“, erklärt Dr. Reiser. „Um dort autonom arbeitende Roboter einsetzen zu können, ist noch viel innovative Entwicklungsarbeit erforderlich.“
Text: Stuhlemmer