Prof. Dr. Iris Lewandowski wird Chief Bioeconomy Officer

Ein Kaffee mit… Hohenheims CBO  [08.10.18]

Prof. Dr. Iris Lewandowski | Bild: Uni Hohenheim

Als Forscherin im Bereich nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen und Leiterin des Masterstudiengangs Bioeconomy verleiht sie dem Hohenheimer Leitthema „Bioökonomie“ bereits von Beginn an ein Gesicht. Seit Juni widmet sich Prof. Dr. Iris Lewandowski nun auch als neue Rektoratsbeauftragte mit dem Titel „Chief Bioeconomy Officer“ der strategischen Weiterentwicklung des unweiten Forschungsschwerpunkts. Wo die Hohenheimer Bioökonomie heute steht und wie es weitergehen könnte, berichtet sie beim Kaffee mit dem Online-Kurier.


Neu hier? Was bedeutet Bioökonomie eigentlich? Bioökonomie bezeichnet eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf Grundlage bio-basierter Rohstoffe. Sie stammen von Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen oder organischen Abfallströmen. Ziel ist, die weltweite Ernährung zu sichern, die Agrarproduktion nachhaltig zu gestalten, gesunde und sichere Lebensmittel zu produzieren, nachhaltige Rohstoffe industriell zu nutzen sowie Energieträger auf der Basis von Biomasse auszubauen. Dabei genießt die Ernährungssicherung stets Vorrang vor anderen Nutzungen von Biomasse. Gemeinsam mit dem Thema „Digitale Transformation“ ist „Bioökonomie“ das übergreifende Leitthema der Uni Hohenheim und verbindet die drei Fakultäten in Forschung und Lehre. Im Blick sind gleichermaßen ökologische, wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Aspekte.

Interview

Lewandowski: Die Reihe heißt „Ein Kaffee mit…“, richtig? Darf ich Ihnen dann gleich ein Mitbringsel von meinem Forschungsaufenthalt in Costa Rica anbieten? Eine kleinbäuerliche Kaffeekooperative bietet dort den vielleicht ersten klimaneutralen Kaffee der Welt an. Eine Hohenheimer Doktorandinnen lotete in einer Fallstudie Voraussetzungen und Potential einer entsprechenden Zertifizierung aus. Und der Kaffee ist wirklich köstlich!

Online-Kurier: Vielen Dank, da sage ich nicht nein! War der Aufenthalt in Costa Rica denn bereits Ihre erste Mission als Chief Bioeconomy Officer der Uni Hohenheim?

Neben meinen eigenen Forschungsaktivitäten war ich auch in dieser Rolle aktiv, ja. Costa Rica ist unter bioökonomischen Aspekten ein sehr spannendes Land, da sich die Regierung die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ganz explizit auf die Fahnen geschrieben hat. Ein Viertel des Landes steht inzwischen beispielsweise unter Naturschutz. Die Bemühungen stehen jedoch nach wie vor im Spannungsfeld mit der intensiven Landwirtschaft.

An der größten Agrar-Universität des Landes, der UCR Costa Rica, habe ich mir u.a. angesehen wie der Begriff „Bioökonomie“ dort verstanden wird, welche Forschungsprojekte und –programme es gibt und welche Themen sich für gemeinsame Forschungsprojekte mit der Uni Hohenheim eignen könnten.

Ein weiteres Ziel war es, eine neue Austauschmöglichkeit für unsere Bioökonomie-Studierenden zu etablieren: Am 1. September ist bereits ein Student aus Costa Rica in Hohenheim eingetroffen. Künftig wollen wir den Austausch mit anderen Unis in Lateinamerika institutionalisieren. Denkbar wäre auch eine Zusammenarbeit in der Lehre, z.B. ein gemeinsames Bioökonomie-Modul.

Es ist jetzt fünf Jahre her seit sich die Uni Hohenheim in ihrem damaligen Struktur- und Entwicklungsplan „Bioökonomie“ als fakultätsübergreifendes Leitthema auf die Fahne geschrieben hat. In der ersten Zeit konnte nicht jeder auf dem Campus gleichermaßen etwas mit dem Begriff anfangen. Wie sieht das heute aus?

Mein Eindruck ist, dass der Begriff „Bioökonomie“ vor allem in der internationalen Diskussion ist. Immerhin haben bereits 30 Staaten weltweit eine eigene nationale Bioökonomie-Strategie verabschiedet, die Plätze in unserem Masterstudiengang Bioeconomy sind bei internationalen Studieninteressierten sehr gefragt und wichtige Forschungsförderprogramme auf EU-, Bundes- und Landesebene tragen den Begriff im Titel.

Die Zeiten, in denen ich mit dem Thema auf dem Campus viele fragende Blicke ernte, sind allerdings längst vorbei. An der Uni Hohenheim ist „Bioökonomie“ inzwischen allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Begriff. Nach anfänglichen recht intensiven Diskussionen über den Begriff und seine Eignung als Hohenheimer Leitthema gibt es hierzu mittlerweile in allen Fakultäten Lehre und Forschung.

Die wissenschaftlichen Fragestellungen, die unter dem Begriff gefasst werden, spielen in Hohenheim ja durchaus schon länger eine wichtige Rolle…

In der Tat. Auch wenn wir den Begriff „Bioökonomie“ erst 2012 offiziell als Leitthema eingeführt haben, verfügten wir bereits zum damaligen Zeitpunkt über eine deutschlandweit einzigartige Expertise: Von der Pflanzen- und Tierproduktion über neue technische Verfahren der Rohstoffumwandlung bis zum notwendigen Veränderungsprozess in Wirtschaft und Gesellschaft deckt die Hohenheimer Forschung die gesamte Wertschöpfungskette der Bioökonomie in beeindruckender Tiefe ab.

Der Begriff „Bioökonomie“ hat dazu beigetragen, uns dieses Alleinstellungsmerkmal bewusst zu machen und die Zusammenarbeit unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen über die Fachgrenzen hinweg gezielt zu fördern. Als Chief Bioeconomy Officer will ich dazu in Zukunft ebenfalls einen Beitrag leisten.

Das Amt des „Chief Bioeconomy Officer“ (CBO) wurde im Juli neu eingerichtet. Die Bezeichnung erinnert stark an die Position des „Chief Information Officer“ (CIO), die bereits vor einigen Jahren in Hohenheim eingeführt wurde. Gibt es hier Parallelen?

Es gibt Parallelen, aber auch Unterschiede: Sowohl CIO als auch CBO sind Mitglieder aus der Professorenschaft, die das Rektorat beraten und dabei unterstützen, ein zentrales, für die Uni besonders wichtiges Thema voranzubringen.

Prof. Dr. Hitzmann ist als CIO für den Bereich IT zuständig. Er sorgt in dieser Rolle gewissermaßen für einen direkten Draht zwischen KIM und dem Rektorat. Da die Universität ohne die IT-Infrastruktur nicht arbeitsfähig wäre und es parallel zahlreiche komplexe Projekte umzusetzen gilt, ist dies eine sehr verantwortungsvolle und auch fordernde Aufgabe.

Mein Aufgabenbereich als CBO spielt sich auf einer etwas anderen Ebene ab: Als Rektoratsbeauftragte für den Forschungsschwerpunkt Bioökonomie habe ich die Freiheit, gestalterisch und strategisch tätig zu sein. Dieser Blick aufs große Ganze liegt mir als Systemwissenschaftlerin persönlich sehr.

Insbesondere möchte ich auch als sichtbare und verlässliche Ansprechpartnerin für Interessierte von außen fungieren, die Anfragen bündelt und die richtigen Menschen zusammenbringt. Auch auf forschungspolitischer Ebene will ich mich im Namen der Uni für das Thema Bioökonomie stark machen.

Können Sie ein konkretes Beispiel geben, mit welchen Fragen Sie sich im Alltag als CBO beschäftigen?

Ein besonderes Anliegen ist mir, dass wir alle an einem Strang ziehen und einen roten Faden für unsere Bioökonomie-Aktivitäten finden.

Es gibt sehr viele Forschungsprogramme, die Bioökonomie direkt oder indirekt adressieren. Wir sind an der Uni Hohenheim fachlich so breit aufgestellt, dass wir uns de facto nur an einem Bruchteil der Calls tatsächlich beteiligen können, die theoretisch für uns in Frage kämen. Wir brauchen also eine Strategie, wer mit wem auf welche Ausschreibung reagiert, und warum gegebenenfalls auch nicht. Gerade wenn es große Verbund-Anträge gibt, kann es beispielsweise sehr sinnvoll sein, die Kräfte zu bündeln.

Als CBO möchte ich an dieser Stelle zur internen Vernetzung und Abstimmung beitragen, damit wir als gesamte Universität den größtmöglichen Erfolg erzielen.

Ganz aktuell kann sich die Uni Hohenheim über einen Erfolg im Landesforschungsprogramm Bioökonomie freuen. Hohenheimer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind an 5 von 8 Projekten der zweiten Förderphase beteiligt bzw. leiten diese.

Das ist ein wunderbares Ergebnis, mit dem wir an unseren Erfolg in der ersten Förderrunde anknüpfen! Auch die Geschäftsstelle des Landesprogramms ist ja seit 2014 auf dem Campus der Uni Hohenheim angesiedelt.

Man sieht an diesem Beispiel, dass Forscherinnen und Forscher die Vision des Hohenheimer Leitthemas in hervorragender Weise mit Leben füllen und die Uni ihre selbstgesteckten Ziele Schritt für Schritt erreicht.

Welche Ziele sind dies konkret?

Neben der erfolgreichen Beteiligung am Landesforschungsprogramm konnten wir uns z.B. auch auf EU-Ebene als Player etablieren: Ein wichtiger Erfolg war hier die Übernahme der Leitung des EU-Projekts GRACE mit 22 Partnern aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Industrie und einem Fördervolumen von 12 Mio. €.

Für Sichtbarkeit der Uni Hohenheim sorgen aber auch einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in wichtigen Gremien vertreten sind: Allen voran Prof. Dr. Regina Birner als Mitglied des Bioökonomierats der Bundesregierung.

Wichtige Meilensteine in struktureller Hinsicht waren die Gründung des Forschungszentrums Bioökonomie und die erfolgreiche Etablierung unseres internationalen, fakultätsübergreifenden Masterstudiengangs, mit dem wir europaweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Universitäten Wageningen und Bologna arbeiten aktuell daran, ähnliche Studienmodelle zu entwickeln, allerdings mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten.

Und wie geht es weiter?

Auf all dem Erreichten können wir aufbauen, um uns in den kommenden Jahren noch gezielter für die Einwerbung größerer Verbundprojekte in Stellung zu bringen und unsere internationale Sichtbarkeit weiter zu steigern. Dabei tun wir gut daran, auch aktuelle forschungspolitische Entwicklungen im Blick zu behalten.

In Hohenheim selbst ist in den kommenden Jahren ein weiterer Ausbau der Forschungsinfrastruktur geplant, u.a. mit dem zukünftigen Bioraffinerie-Technikum auf dem Unteren Lindenhof.

Ein sehr spannendes Themenfeld, das uns in Zukunft noch weiter beschäftigten wird, ist der Brückenschlag zwischen Forschung und Anwendung, in Form von Innovationen. Mit dem Projekt „Hohenheim macht!“, das studentischen Gründergeist fördern will, ist dies auf Ebene der Lehre bereits erfolgreich angelaufen. Auf Ebene der Forschung wollen wir das Thema Transfer ebenfalls stärker in den Mittelpunkt rücken.

Wir werden berichten! Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Leonhardmair

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