Verhandlungen mit Verlagsriesen unterbrochen
Zugriff auf Elsevier-Journals eingestellt [11.07.18]
Monatelang wurde nachverhandelt – jetzt müssen knapp 200 Unis, FHs und Forschungseinrichtungen beweisen, dass sie es ernst meinen: Bis auf Weiteres haben sie keinen Zugriff mehr auf die aktuellsten Ausgaben von rund 2300 E-Journals des Elsevier-Verlags. Weil sie die exorbitanten Preissteigerungen für E-Journals nicht mehr hinnehmen wollen und Open Access für eigene Publikationen einfordern, haben die Forschungseinrichtungen ihre Abonnements bei dem Verlagsriesen bereits zu Jahresbeginn gekündigt. Nun erklärte das Verhandlungskonsortium die Gespräche wegen „inakzeptabler Forderungen“ seitens des Elsevier-Verlags als „unterbrochen“.
Das Wichtigste in Kürze:
- Bis auf Weiteres nicht mehr verfügbar sind aktuelle Ausgaben des Jahrgangs 2018 von E-Journals des Elsevier-Verlags. Archiv-Bestände vorangegangener Jahrgänge können hingegen weiterhin aufgerufen werden.
- Über die Fernleihe des KIM oder weitere Dokumentenlieferdienste, wie z.B. subito, können die aktuellen Ausgaben weiterhin bezogen werden. Das KIM informiert dazu auf einer eigenen Website.
- Das Verhandlungskonsortium „DEAL“, an dem sich bundesweit rund 600 wissenschaftliche Einrichtungen beteiligen, will durch eine gemeinsame Verhandlungsstrategie den Druck auf den Elsevier-Verlag weiter aufrechterhalten – und so bessere Vertragsbedingungen erzielen. Die Forderung an Elsevier: ein nachhaltiges ‚Publish & Read-Modell‘, also eine faire Bezahlung für die Publikation und dann eine freie Verfügbarkeit für die Leser.
Hintergrund: Unis verhandeln gemeinsam
Der Großteil aller für Hohenheim bedeutenden E-Journals wird von einer Handvoll großer Verlagen vertrieben. Der größte von ihnen ist der niederländische Verlag Elsevier. Während sich die Produkte in den letzten 10 Jahren kaum verändert haben, kletterten die Preise jährlich zwischen 3-7% Prozent in die Höhe. An der Uni Hohenheim lag der Posten für E-Journals zuletzt bei rund 1,2 Mio. € pro Jahr.
Für die Großverlage ist das ein lukratives Geschäft: Denn anders als bei herkömmlichen Zeitschriften und Büchern erhalten wissenschaftliche Autoren überwiegend kein Honorar. Auswahl und Lektorat der Beiträge wird zumeist auch von Wissenschaftlern kostenfrei übernommen, die beschriebenen Forschungen sind fast ausschließlich aus Steuermitteln finanziert. Da die elektronische Publikation keine Druckkosten verursacht sind die Gewinnmargen mit bis zu 40% außergewöhnlich hoch.
Die Unis akzeptierten diese Bedingungen in der Vergangenheit mangels Alternative. Auch deshalb, weil sie als einzelne Institutionen in den Verhandlungen mit den großen Verlagen jeweils nur wenig Gewicht aufbringen konnten. Inzwischen haben sich jedoch rund 600 Einrichtungen zu einem bundesweiten Verhandlungskonsortium zusammengeschlossen (Projektname: „DEAL“).
Verhandlungen mit Elsevier stocken – Unis wollen Druck aufrechterhalten
Die Verhandlungen zwischen der Projektgruppe DEAL und dem Elsevier-Verlag laufen seit Mitte 2016. Bislang gab es aus Sicht der Forschungseinrichtungen bei den wichtigsten Verhandlungspunkten jedoch kaum Fortschritt.
Die Erwartungen an Elsevier lauten:
- Ein einfacheres, transparentes und faireres Preismodell, das sich am Publikationsaufkommen orientiert
- Dauerhaften Volltext-Zugriff auf alle elektronischen Zeitschriften des Verlags
- Alle Publikationen von Autorinnen und Autoren aus deutschen Einrichtungen sollen automatisch als Open Access geschaltet werden
Weil bis Ende 2017 keine Einigung mit Elsevier erzielt werden konnte, hatten knapp 200 Einrichtungen ihre Abonnements für 2018 gekündigt, darunter auch die Uni Hohenheim sowie die anderen acht Landes-Unis in Baden-Württemberg.
Chief Information Officer hofft auf Solidarität
Mit Blick auf einen positiven Fortgang der Verhandlungen hatte Elsevier die Zugänge zu den Zeitschriften in den vergangenen 6 Monaten bislang nicht abgeschaltet. Doch die Hoffnungen auf eine Einigung in diesem Jahr sind inzwischen gering.
„Die überhöhten Forderungen des Verlags Elsevier haben uns gezwungen, die Verhandlungen des Projekts DEAL der Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit dem Verlag zu unterbrechen“, so Prof. Dr. Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz und DEAL-Verhandlungsführer, nach der letzten Verhandlungsrunde in Bonn.
Der Elsevier-Verlag hatte seinerseits in einem Brief an die Rektoren der betroffenen Hochschulen angekündigt, die Kündigung in den nächsten Tagen umzusetzen. Seit Dienstagabend ist der Zugriff auf die aktuellen E-Journal-Ausgaben an der Uni Hohenheim nicht mehr möglich.
„Wir halten an dem Ziel fest, gemeinsam mit den anderen Unis und Forschungseinrichtungen endlich faire Vertragsbedingungen auszuhandeln. Wir hoffen weiterhin auf ein Einlenken von Elsevier – dazu ist es nun aber notwendig, dass wir geschlossen demonstrieren, dass wir unsere Forderungen tatsächlich ernst meinen“, erklärt der Hohenheimer Chief Information Prof. Dr. Bernd Hitzmann. „Wir hoffen deshalb auch auf die Solidarität seitens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die nun bis auf Weiteres mit Einschränkungen umgehen und auf Alternativen wie die Fernleihe zurückgreifen müssen.“
Text: Leonhardmair