Ein Kaffee mit…. Stefan Kuhrau und Stephan Willbrandt

Neues Vergaberecht: Mehr Aufwand bei der Beschaffung  [15.05.19]

Stephan Willbrandt und Stefan Kuhrau im Interview. Bild: Uni Hohenheim | Leonhardmair

Sie versuchen, ihre gute Laune nicht zu verlieren und nehmen sich vor, bei Rückfragen weiterhin mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Doch die Anspannung in der Zentralen Beschaffung ist aktuell sehr hoch. Aufgrund einer Änderung des Vergaberechts kommt ab 1. Juni nicht nur auf die Abteilung selbst, sondern auf sämtliche Uni-Einrichtungen bei vielen Vorgängen mehr bürokratischer Aufwand zu. Der Online-Kurier hat Stefan Kuhrau und Stephan Willbrandt zum Kaffee getroffen.

 


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Herr Kuhrau, Herr Willbrandt, in den letzten Tagen haben die Kanzlerin und die Abteilung Wirtschaft und Finanzen wiederholt per „Kurz gemeldet“ über die neue Beschaffungsrichtlinie informiert und es finden mehrere aktuelle Info-Veranstaltungen zum Thema statt.

Warum wird das Thema so hoch gehängt?


Kuhrau: Die Änderung des Vergaberechts hat gravierende Auswirkungen für alle Uni-Einrichtungen. Im Grunde müssen wir für die Beschaffung eines Kühlschranks in Zukunft dieselben strengen Regeln anlegen, wie bislang für Großgeräte im Wert von mehreren hunderttausend Euro.

Ausschreibungen müssen z.B. grundsätzlich über einen Workflow mit elektronischer Vergabe-Plattform laufen. Die Leistungen müssen im Grundsatz produktneutral ausgeschrieben werden. Angebote werden ungelesen gespeichert, revisionssicher protokolliert und erst zu einem bestimmten Termin im 4-Augen-Prinzip gesichtet. Auswertung und Zuschlag erfolgt systemgestützt nach klar definierten Kriterien.

Mehr Informationen zum Thema

Weitere Informationenveranstaltungen:

  • 16.05., 9 - 11 Uhr, Euroforum
  • 23.05.,  9 - 11 Uhr, Aula
  • 25.06.,  9 - 11 Uhr, Euroforum

(keine Anmeldung erforderlich)

Selbst vergleichsweise wenig komplexe Vorgänge, die bisher 2 Stunden benötigt haben, werden künftig ca. 8 Stunden in Anspruch nehmen.

Willbrandt: Die Uni-Einrichtungen wären kaum dazu in der Lage, die Herausforderungen, die damit einhergehen, alleine zu meistern. Vor dem Hintergrund der neuen gesetzlichen Regelungen sahen wir uns deshalb gezwungen, dem Rektorat zu empfehlen, die Wertgrenzen für die dezentrale Beschaffung entsprechend der neuen gesetzlichen Regelungen abzusenken.

Das heißt, künftig müssen Geräte und Leistungen bereits bei geringeren Anschaffungskosten über die Zentrale Beschaffung bezogen werden.

Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um die Belastung für die Einrichtungen so gering wie möglich zu halten, aber leider müssen sie dennoch Mehraufwand und längere Bearbeitungszeiten einkalkulieren. Uns ist wichtig, dass die Beschäftigten die Auswirkungen der neuen Regelung richtig einschätzen und sich darauf einstellen.

Was ist denn der Hintergrund der Neuregelung?

Kuhrau: Hintergrund ist eine Reform des EU-Vergaberechts im Jahr 2014, die nach mehreren Schritten nun auch ins Landesrecht von Baden-Württemberg Eingang gefunden hat.

Das Ziel lautete damals, das Recht klarer und effizienter zu gestalten, mehr Transparenz zu schaffen, Korruption vorzubeugen und mehr Wettbewerb zu ermöglichen.

Das sind ja prinzipiell sehr lobenswerte Ziele. Werden diesen denn Ihrer Einschätzung nach erreicht?

Kuhrau: Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen, würde ich sagen: Die Ziele werden verfehlt.

Natürlich schaffen die Regelungen ein Maximum an Transparenz. Allerdings wird dazu auch ein Maximum an Bürokratie aufgebaut. Mehr Klarheit und Effizienz wird so leider nicht erreicht, im Gegenteil.

Willbrandt: Auch ist fraglich, ob das neue Vergaberecht zu mehr Wettbewerb führt. Der bürokratische Mehraufwand liegt ja nicht allein auf der Seite der öffentlichen Einrichtungen, sondern auch bei den Firmen, die sich an den Ausschreibungen beteiligen. Wir bekommen bereits mit, dass sich viele kleinere Unternehmen durch das elektronische Biet-Verfahren überfordert fühlen. Es ist zu befürchten, dass sie sich künftig weniger an den Ausschreibungen der Universität beteiligen werden, da sich der Aufwand für sie nicht lohnt.

Kuhrau: Als Universität trifft uns die Neuregelung ganz besonders hart. Typischerweise gibt es an Landesbehörden viele Beschaffungsvorgänge, die regelmäßig in ähnlicher Weise wiederkehren. Im Bereich der Forschung haben wir es hingegen mit immer wieder neuen, hochgradig diversen und somit sehr schwer planbaren und oft auch kurzfristigen Anforderungen zu tun, die durch Rahmenverträge vielfach nicht abgedeckt werden können.

Die Landesrektorenkonferenz versucht deshalb, eine Ausnahmeregelung für den Wissenschaftsbereich zu erreichen. Allerdings ist derzeit noch völlig offen, ob dies gelingt. Bislang zeigt sich das Ministerium noch verhalten. Doch der Arbeitskreis der Kanzlerinnen und Kanzler will an diesem Thema dranbleiben.

Was genau kommt denn nun auf die Uni-Einrichtungen zu?


Kuhrau:
Ein wesentlicher Punkt ist, wie erwähnt, die Herabsetzung der Wertgrenzen für dezentrale Beschaffung.

Bisher mussten Leistungen im Regelfall ab 10.000 € brutto und Geräte ab 5.000 € brutto über die zentrale Beschaffungsstelle bezogen werden. Künftig gilt in beiden Fällen 5.000 € netto als Grenze.

Bei Drittmitteln wird die Grenze durch den jeweiligen Zuwendungsbescheid bzw. die Richtlinien des Geldgebers vorgebeben – und kann auf bis zu 1.000 € netto absinken. Leider kann man sich nicht darauf verlassen, dass ein und derselbe Drittmittelgeber jedes Mal die gleichen Anforderungen für die Beschaffung setzt. Jeder Bescheid muss also diesbezüglich neu geprüft werden.

Willbrandt: Besondere Regeln gibt es auch für Gegenstände und Leistungen, die das Land gemeinsam beschafft. Beispiele dafür sind etwa Leuchtmittel, technisches Zubehör oder Ersatzteile für Kraftfahrzeuge. Hier greift die Wertgrenze von 5.000 € netto für Beschaffungen nicht, sondern es gilt eine Grenze von 1.000 € netto. Zugleich wurde die Liste der gemeinsam beschafften Produkte ausgeweitet.

Schon bisher gab es besondere Produktbereiche, die grundsätzlich über die Zentrale Beschaffung bezogen werden mussten, z.B. Bürobedarf, Möbel, EDV-Ausstattung, Druckaufträge an Fremdfirmen etc. Hier bleibt alles wie gehabt.

Sie sagten, dass auch der bürokratische Aufwand in den Einrichtungen steigen wird?

Kuhrau: Ja, leider. Die bisherige Praxis mit dem Beifügen von drei Angeboten an einen Beschaffungsantrag ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Neuregelungen nicht mehr ausreichend. Für ein Vergabeverfahren müssen die Einrichtungen grundsätzlich ein vollumfängliches, produktneutrales Leistungsverzeichnis erstellen, das alle wesentlichen Kriterien des Gerätes bzw. der Leistung enthält.

Bei einem Kühlschrank also z.B. Maße, Energieverbrauch, in welche Richtung sich die Tür öffnen lassen sollte usw.  

Darüber hinaus müssen die Einrichtungen dem Beschaffungsantrag ein Wertungsschema beilegen, das festlegt, welche Kriterien – über den Preis hinaus – bei der Ausschreibung berücksichtigt werden sollen, z.B. ein niedrigerer Stromverbrauch als der angegebene Maximalwert, Konzepte zu Fragestellungen rund um die Aufgabe oder die Wertung einer Teststellung.

Willbrandt: Auf den Informationsveranstaltungen versuchen wir, Hilfestellungen zu diesem Thema anhand von Beispielen zu geben und beantworten Fragen. Auf der Homepage der Beschaffungsstelle wird es ebenfalls einen Bereich mit Anleitungen geben, inklusive beispielhafter Unterlagen zur Orientierung und einer Liste mit häufig gestellten Fragen, die wir laufend ergänzen.

Natürlich stehen wir auch persönlich für Rückfragen zur Verfügung. Daneben bieten wir jedes Semester über die FIT-Plattform allgemeine Informationsveranstaltungen zum Thema Beschaffung an der Universität Hohenheim an.

Wie werden Sie den Mehraufwand in der Zentralen Beschaffung in Zukunft bewältigen?

Kuhrau: Das Rektorat hat, zunächst befristet, Ressourcen für drei zusätzliche Mitarbeiter bereitgestellt, damit wir den Zusatzaufwand bewältigen können. Trotzdem ist leider auf absehbare Zeit mit längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen.

Da noch die Chance besteht, dass über die Initiative der LRK Ausnahmen für die Unis erwirkt werden können, werden die neuen Kollegen zunächst für zwei Jahre eingestellt. Zwei haben bereits ihre Arbeit aufgenommen. Im Moment sind wir noch in der Einarbeitungsphase.  

Ein genereller Ansatzpunkt, um den Aufwand für die Einrichtungen und die Zentrale Beschaffung zu reduzieren, sehen wir darin, mehr Rahmenverträge abzuschließen. Dabei gibt es zwar anfangs einen initialen Mehraufwand gegenüber der Beschaffung von Einzelbedarfen. Doch dieser Aufwand macht sich bezahlt, weil neue Aufträge im Anschluss ohne besondere Formalien erteilt werden können. Wir werden die Einrichtungen zu diesem Thema beraten.

Außerdem verfolgt die Uni im Rahmen der Digitalisierung das Ziel, in den kommenden Jahren auch im Beschaffungsbereich eine umfassendere elektronische Lösung zu etablieren. Diese ermöglicht, ähnlich wie derzeit im Bereich der Büro-Materialien, mit digitalen Warenkörben zu arbeiten, die an Plattformen wie z.B. Amazon erinnern.

In Verbindung mit mehr Online-Shops birgt dieses Prinzip für Beschäftigte erhebliche Vereinfachungen. Deshalb möchten wir dies mittelfristig gerne auf möglichst viele andere Produktebereiche ausweiten. Noch gibt es einige Punkte zu klären, z.B. Schnittstellenthemen, aber die Vorbereitungen sind bereits angelaufen.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Leonhardmair

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