Klimawandel und Ernährungssicherung in Äthiopien

2 Mio. € für deutsch-äthiopisches Graduiertenkolleg  [01.02.17]

Pionierprojekt für nachhaltige Entwicklung im Sinn der UN-Agenda 2030: Die Uni Hohenheim und die Uni Hawassa in Äthiopien gehören zu den ersten Hochschulen, die von einem neuen gut ausgestatteten Förder-Programm des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) profitieren. Mit Fördermitteln in Höhe von 2 Mio. € führen sie in den kommenden 4 Jahren ein gemeinsames Graduiertenkolleg durch. Thema sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherung in Äthiopien. Die Koordination liegt beim Food Security Center der Uni Hohenheim.

 


Zusammenfassung – Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Vereinten Nationen haben im vergangenen Jahr konkrete Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030 beschlossen. Die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Agenda 2030 befassen sich u.a. mit Themen wie Armuts- und Hungerbekämpfung, Umweltschutz oder Bildung.
  • Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt Entwicklungs- und Schwellenländer dabei, die Nachhaltigkeitsziele der UN zu erreichen. Dabei setzt das BMZ u.a. auf ein neues Format: bilaterale Hochschulkooperationen zur Ausbildung von Doktoranden und Postdocs.
  • Im vergangenen Jahr hat der Deutsche Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des BMZ die ersten 7 bilateralen SDG-Graduiertenkollegs“ gefördert (Laufzeit: 4 Jahre, Förderung: 2 Mio. €). Ein regionaler Schwerpunkt der Förderung liegt in Afrika.
  • Unter 27 formal richtig eingereichten Bewerbungen überzeugte das internationale Gutachterteam u.a. ein gemeinsamer Antrag der Uni Hohenheim und der Uni Hawassa in Äthiopien mit dem Titel „Climate Change Effects on Food Security (CLIFOOD)”.
  • Von Hohenheimer Seite sind 6 Fachgebiete aus den Fakultäten A und N am Graduiertenkolleg beteiligt, die Koordination liegt beim Food Security Center.
  • Unter anderem beinhaltet das Projekt Voll-Stipendien für bis zu 14 afrikanische Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Die ersten 6 davon sind aktuell an der Uni Hohenheim ausgeschrieben.


Hintergrund: Fragiler Aufschwung in Äthiopien


Mit 100 Mio. Einwohnern ist Äthiopien der zweitbevölkerungsreiche Staat in Subsahara Afrika. Rekord-Wachstumsraten der Wirtschaft von bis zu 10,2% brachten dem Land bis 2015 den Ruf eines Vorzeigelandes auf dem aufstrebenden afrikanischen Kontinent ein. Doch Aufschwung und politische Stabilität sind fragil.

Agenda 2030 der Vereinten Nationen

Im Fokus des Graduiertenkollegs CLIFOOD stehen die SDGs im Hinblick auf Hunger- und Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung, Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen, Umweltschutz insgesamt sowie Bildung.

Seit zwei Jahren leidet das Land unter einer extremen Dürre, ausgelöst durch das Klimaphänomen „El Niño“. Da die Landwirtschaft das alles bestimmende Rückgrat der äthiopischen Wirtschaft ist, können Extrem-Wettereignisse wie dieses die gesamte Volkswirtschaft in eine Krise stürzen. In Folge der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten sind laut UN-Schätzung rund 20 Mio. Menschen von Hunger bedroht.

Klimawandel und damit einhergehende Wetter-Extreme werden vor diesem Hintergrund zu einer zentralen Herausforderung für das Land. Die wirtschaftliche Entwicklung und die politische Stabilität Äthiopiens werden in Zukunft nicht zuletzt davon abhängen, ob es gelingt, die richtigen Antworten auf diese Herausforderung zu finden.

Antworten auf den Klimawandel

Um genau solche Anpassungsstrategie geht es auch in dem neuen deutsch-äthiopischen Graduiertenkolleg mit dem Titel „Climate Change Effects on Food Security (CLIFOOD)”, das die Uni Hohenheim und die Uni Hawassa in den kommenden 4 Jahren gemeinsam durchführen.

Mit Fördergeldern in Höhe von 2 Mio. € soll an beiden Standorten ein strukturiertes Qualifizierungsprogramm für Doktoranden und Postdocs bestehend aus 6 interdisziplinären Blockmodulen realisiert werden.

Das Forschungsprogramm ist unterteilt in 14 Teilprojekte aus unterschiedlichen Disziplinen. Die Themen von Hohenheimer Seite reichen dabei von Klimamodellierung und der Identifizierung von anpassungsfähigen Getreidesorten und Hackfrüchten, über alternative Anbauprodukte und Bewirtschaftungsstrategien für Landwirte bis hin zu exakteren saisonalen Wettervorhersagen.

Beteiligte Fachegebiete in Hohenheim

  • Prof. Dr. Thomas Berger, Fg. Ökonomik der Landnutzung in den Tropen und Subtropen
  • apl. Prof. Dr. Petra Högy, Fg. Pflanzenökologie und Ökotoxikologie
  • Prof. Dr. Joachim Müller, Fg. Agrartechnik in den Tropen und Subtropen
  • PD Dr. Frank Rasche, Fg. Agrarökologie der Tropen und Subtropen
  • Prof. Dr. Thilo Streck, Fg. Biogeophysik
  • Prof. Dr. Volker Wulfmeyer Institut für Physik und Meteorologie

Die ersten 6 Vollzeit-Stipendien für äthiopische Doktoranden sind aktuell an der Uni Hohenheim ausgeschrieben. Bis zu 8 weitere Stipendien für Promovierende und Postdocs aus Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern an der Uni Hawassa sollen in Kürze folgen.

Koordinator: Food Security Center

Die Chance für die Realisierung des Pionier-Projekts witterten die Geschäftsführerinnen des Food Security Center der Uni Hohenheim, Dr. Jenny Kopsch-Xhema und Dr. Nicole Schönleber.

„Unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im vergangenen Jahr erstmalig ein gut ausgestattetes DAAD-Förderprogramm aufgelegt, das Entwicklungs- und Schwellenländern dabei helfen soll, die Nachhaltigkeitsziele der UN zu verfolgen und leistungsfähige und weltoffene Hochschulen aufzubauen“, berichtet Jenny Kopsch-Xhema.

 „Als wir von der Ausschreibung erfuhren wurden wir sofort hellhörig“, ergänzt Nicole Schönleber. „Denn Hohenheim bringt hierfür die besten Voraussetzungen mit: Zum einen passen unsere Hohenheimer Forschungsthemen sehr gut zum Programm, zum anderen kann Hohenheim bereits auf langjährige Kooperationen mit afrikanischen Partner-Universitäten verweisen, unter anderem mit der Universität Hawassa.“

Ein weiterer Erfolgsfaktor: das Food Security Center wurde bereits 2009 vom selben Geldgeber (DAAD) im Rahmen des „exceed Programms“ als eines von fünf deutschen Exzellenzzentren in der Entwicklungszusammenarbeit ausgezeichnet. Es verfügt deshalb über eine gut ausgebaute Infrastruktur zur Unterstützung der Forschung in Entwicklungs- und Schwellenländern, sowie für den akademischen Austausch.

Ansprechpartnerinnen am Food Security Center

Die Geschäftsführerinnen des Food Security Center der Uni Hohenheim: Dr. Jenny Kopsch-Xhema und Dr. Nicole Schönleber.

„In Hohenheim konnten wir schnell eine ganze Reihe von Lehrstühlen aus den Fakultäten A und N für einen gemeinsamen Antrag unter Koordination des Food Security Centers gewinnen“, so Kopsch-Xhema. „Auch die Kommunikation mit der Uni Hawassa funktionierte ausgezeichnet. Als Brücke fungierte dabei übrigens ein vom Food Security Center geförderter äthiopischer Gastprofessor am Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft.“

Ziel: Nachhaltige Stärkung des Wissenschaftssystems


Ein wichtiges Ziel des Projekts ist es, das Wissenschaftssystem in Äthiopien nachhaltig zu stärken.  

Neben der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern soll deshalb auch ein maßgeschneidertes eLearning-Konzept  erarbeitet und an der Uni Hawassa etabliert werden. Darüber hinaus sind Weiterbildungen und Softskill-Seminare zu Themen wie Antragstellung, Projektmanagement, Academic Writing, Kommunikation, Kultur- und Führungskompetenz geplant.

Profitieren sollen davon nicht nur Stipendiaten selbst, sondern auch Verwaltungsangestellte und Wissenschaftler der Uni Hawassa.

Politische Lage wird zur Herausforderung

Die Durchführung des 4-jährigen Graduiertenkollegs wird den Beteiligten allerdings vermutlich noch Einiges an organisatorischer Flexibilität abverlangen. Denn die politische Lage in Äthiopien ist seit Monaten angespannt. Hintergrund sind Land-Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, z.B. im Zusammenhang mit dem Stadtentwicklungsplan von Addis Abeba.

Der ursprünglich geplante Kick off-Termin des Graduiertenkollegs musste im vergangenen Jahr kurzfristig verschoben werden, weil die Regierung nach Massendemonstrationen im Oktober den politischen Ausnahmezustand verhängt hatte.

„Es kommt uns zugute, dass mehrere beteiligte Lehrstühle bereits durch langjährige Kooperationen mit der Situation in Äthiopien vertraut sind und dass wir mit der Universität Hawassa einen verlässlichen Partner vor Ort haben“, meint Schönleber. „Ich bin deshalb sehr optimistisch, dass wir alle Herausforderungen gemeinsam meistern werden – und wir die Auftaktveranstaltung zeitnah nachholen können.“

Hintergrund: Food Security Center (FSC)

Das Food Security Center (FSC) ist ein Exzellenzzentrum der Uni Hohenheim und kooperiert mit Partnerinstitutionen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Das FSC leistet wissenschaftliche Beiträge, um den Hunger in der Welt zu vermindern und die Ernährungssicherung zu verbessern. Damit trägt es zum Erreichen der UN Sustainable Development Goals (SDGs) bei. Das FSC vereint Kompetenzen aus den Agrar-, Natur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Die vier Arbeitsschwerpunkte des FSC liegen in der Forschung, der Aus- und Weiterbildung von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dem Wissenstransfer weltweit sowie in der Öffentlichkeitsarbeit und (Politik-)Beratung.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert das FSC, neben vier weiteren deutschen Exzellenzzentren, im DAAD-Rahmenprogramm „exceed – Hochschulexzellenz in der Entwicklungszusammenarbeit“.

Text: Leonhardmair

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