Bioeconomy Award
Die bessere H-Milch [22.07.20]
Elena Kohler, die diesjährige Preisträgerin des Bioeconomy Awards der Universität Hohenheim, erhält den Preis für ein innovatives Konzept zur H-Milch-Herstellung. Fotos: clipdealer / privat
Junge Menschen für Bioökonomie begeistern – das ist das Ziel des „Bioeconomy Award“ der Uni Hohenheim. In diesem Jahr zeichnet er das Konzept der Master-Studentin Elena Kohler aus, die daran arbeitet, die Vorteile von H- und Frischmilch durch einen neuen Produktionsprozess zu vereinen. Beginnen wird sie in den nächsten Tagen im Rahmen ihrer Masterarbeit. Die Jury lobte den interdisziplinären Ansatz, durch den gezeigt werde, wie die Lebensmitteltechnologie einen Beitrag zur nachhaltigen Bioökonomie leisten kann. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert. Gestiftet wurde er von Ehrensenatorin Marion Johannsen, um Studierende bei ihrer Masterarbeit zu unterstützen. Die Preisvergabe fand heute statt.
Die Deutschen lieben H-Milch: Mit über 70 Prozent Marktanteil ist sie Spitzenreiter bei der Trinkmilch. Ihre Beliebtheit dürfte sich vor allem auf ihre monatelange Lagerfähigkeit bei Raumtemperatur zurückführen lassen. Um diese Haltbarkeit zu gewährleisten, müssen vorhandene Mikroorganismen und Enzyme durch kurzes Erhitzen auf Temperaturen von 135 - 140° C abgetötet bzw. inaktiviert werden.
Doch diese Ultrahocherhitzung hat auch Nachteile. Dazu gehören ein gewisser Kochgeschmack der behandelten Milch sowie ein Verlust an Nährstoffen, wie beispielsweise Vitaminen.
„Um die notwendigen Temperaturen zu erreichen, braucht es außerdem sehr viel Energie. Die stammt meist aus fossilen Brennstoffen, wie Öl und Gas“, erklärt die Preisträgerin Elena Kohler.
Ökologisch überlegen, voll Geschmack und lagerfähig bei Zimmertemperatur
Die Vision von Kohler ist eine neue Sorte von Milch, die die Vorteile von H- und Frischmilch vereint: bei Raumtemperatur lagerfähig, mit frischem Geschmack und einem hohen Nährstoffgehalt. Das geeignete Umfeld dazu fand die Master-Studentin im Fach „Food Science and Engineering“ am Fachgebiet „Milchwissenschaft und -technologie“ von Prof. Dr. Jörg Hinrichs.
Und nicht nur das: „Das angestrebte Produkt soll konventioneller H-Milch nicht nur geschmacklich und ernährungsphysiologisch überlegen sein. Mein Ziel ist auch ein Herstellungsprozess, der wesentlich energieeffizienter und damit auch ökologisch dem herkömmlichen Prozess überlegen ist“, fasst sie ihren Ansatz zusammen.
Raffinierter Kniff schont Nährstoffe – und tötet Mikroorganismen trotzdem ab
Dazu wird die Milch in einem neuartigen Prozess in zwei Fraktionen aufgeteilt: Eine Caseinphase, die neben den unerwünschten Mikroorganismen vor allem hitzestabiles Milchprotein enthält, und eine Molkenproteinphase, in der sich auch die hitzeempfindlichen Vitamine befinden.
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Seit 2019 wird jährlich der von Ehrensenatorin Marion Johannsen gestiftete Preis ausgelobt. Er ist mit 2.000 € dotiert und unterstützt Masterarbeiten zur Bioökonomie. Bewerben können sich Masterstudierende aller Hohenheimer Fakultäten und Studiengänge, welche in der Planungsphase zur Durchführung ihrer Masterarbeit sind. mehr |
Dadurch können beide Phasen getrennt und den Inhaltsstoffen angepasst erhitzt werden: Qualitätsmindernde Substanzen, wie Mikroorganismen und Enzyme, werden in der Caseinphase durch hohe Temperaturen unschädlich gemacht. Die Molkenproteinphase wird dagegen nur kurzzeitig bei niedrigeren Temperaturen erhitzt; so bleiben ihre wertvollen Nährstoffe und Proteine erhalten.
Nach der Behandlung werden beide Fraktionen wieder vereint.
Weniger Energieaufwand, weniger Reinigungschemikalien und weniger WasserverbrauchFür das Erhitzen der überwiegenden Molkenproteinphase wird zudem der hochenergetische Prozess bei herkömmlicher H-Milch durch die energieeffiziente Mikrowellentechnologieersetzt. Eine Technologie, deren Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann.
Durch das homogene Erwärmen werden Anbrennungsreaktionen von Molkenproteinen an Kontaktheizflächen vermieden, und es bilden sich außerdem weniger Rückstände in der Apparatur: Das reduziert den Verbrauch von Reinigungschemikalien und die Abwassermenge.
Optimale Temperatur muss noch ermittelt werdenIn ihrer Masterarbeit will sie die optimale Temperatur für die Mikrowellen-Erhitzung der Molkenproteinphase ermitteln, die notwendig ist, um einerseits die Milch haltbar und lagerfähig zu machen und um andererseits die durch Hitze verursachten Produktveränderungen so gering wie möglich zu halten.
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Zur Qualitätskontrolle werden Proben der neuartig erzeugten Milch bei Raumtemperatur und bei 30 °C eingelagert und in regelmäßigen Abständen über drei Monate hinsichtlich des Keimgehalts, verschiedenen Qualitätsmerkmalen sowie ihres Geschmacks analysiert und verglichen.
Neues Produkt könnte den Milchmarkt neu ordnenBislang gibt es neben der H-Milch noch 2 Milchvarianten: die pasteurisierte Frischmilch und die sogenannte ESL-Milch („extended shelf-life“ Milch). Kohlers neue Milchvariante könnte beiden Varianten weitere Marktanteile abjagen.
Beim Pasteurisieren von Frischmilch handelt es sich um ein sehr schonendes Erhitzungsverfahren, das pathogene Mikroorganismen sicher abtötet und nur geringe Veränderungen verursacht. Pasteurisierte Milch besticht deshalb durch frischen Geschmack und hohen Nährstoffgehalt. Allerdings ist sie nur ca. einer Woche bei Kühlschranktemperatur haltbar. Ihr Marktanteil liegt deshalb bei nur 5 bis 10 Prozent.
Auch die sogenannte ESL-Milch („extended shelf-life“ Milch) muss im Kühlschrank gelagert werden, ist dort jedoch wesentlich länger und bis zu vier Wochen haltbar. Diese verlängerte Haltbarkeit entsteht dadurch, dass die Milch nach dem herkömmlichen Pasteurisieren mechanisch oder mit zusätzlicher Hitze behandelt wird. Mit einem Marktanteil von 20 bis 25 Prozent liegt die ESL-Milch zwar vor der Frischmilch, allerdings noch deutlich unter dem der H-Milch.
Der Nachteil von Frisch- und ESL-Milch: „Leider muss für diese wenig behandelten Lebensmittel eine durchgehende Kühlkette während des Transports und der Lagerung eingehalten werden“, erklärt Kohler. Dadurch hätten diese Produkte einen deutlichen höheren Energiebedarf im Vergleich zu Milch, die intensiver hitzebehandelt worden sei und daher ohne zusätzlichen Energieaufwand für die Kühlung transportiert und gelagert werden könnte.
Text: Stuhlemmer / Klebs