Demokratie-Monitoring

Rechtspopulistisches Weltbild weit verbreitet  [29.08.23]

Das aktuelle Demokratie-Monitoring der Uni Hohenheim zeigt: Knapp ein Fünftel der Deutschen hat ein rechtspopulistisches Weltbild. | Bildquelle: srphotos - stock.adobe.com

Ein Viertel der Deutschen glaubt, dass Politik in Deutschland von „geheimen Mächten“ gesteuert werde. Ein Fünftel ist davon überzeugt, Massenmedien würden die Bevölkerung „systematisch belügen“. Das zeigt eine Studie der Uni Hohenheim. Das Team um Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider analysiert in einer repräsentativen Umfrage Rechtspopulismus, Verschwörungserzählungen, Demokratiezufriedenheit und Vertrauen in politische Institutionen. Dafür hat forsa im Auftrag der Forschenden im Juli 2023 4.024 Bundesbürger:innen befragt.


„Rechtspopulist:innen verwenden immer wieder die gleichen Erzähl-Elemente“, beobachtet Prof. Dr. Frank Brettschneider und zählt auf: „1. Es gibt einen einheitlichen ‚Volkswillen‘. 2. Dieser wird von inneren und äußeren Mächten unterdrückt. 3. Zu den inneren Mächten zählen die politischen Eliten und die Massenmedien. 4. Zu den äußeren Mächten zählen die EU, die Globalisierung und der Islam. Oft werden auch Verschwörungserzählungen eingebaut.“

Um das Ausmaß zu bestimmen, mit dem ein rechtspopulistisches Weltbild in der Bevölkerung verbreitet ist, wurden den Befragten 22 Aussagen vorgelegt. Einige davon enthielten Verschwörungserzählungen. Die Befragten sollten angeben, wie stark sie diesen Aussagen zustimmen oder wie stark sie sie ablehnen.

Demnach hat knapp ein Fünftel der Befragten ein geschlossenes rechtspopulistisches Weltbild, konstatiert der Kommunikationswissenschaftler: „Bei sieben Prozent der Deutschen findet sich ein sehr starker Grad an Rechtspopulismus, bei elf Prozent ein starker Grad.“

Im Osten Deutschlands sei der Anteil etwas höher (23 %) als im Westen (17 %). Je höher die formale Bildung der Befragten, desto geringer sei der Anteil derjenigen, die über ein rechtspopulistisches Weltbild verfügen. Am höchsten sei der Anteil bei den 45- bis 59-Jährigen (21 %), am niedrigsten bei den 18- bis 29-Jährigen (11 %).

„Der größte Unterschied besteht zwischen den Anhänger:innen der Grünen und der Anhängerschaft der AfD: 79 Prozent der AfD-Anhängerschaft haben ein rechtspopulistisches Weltbild. Bei der Anhängerschaft der Grünen ist es nur ein Prozent“, so Brettschneider. Im Durchschnitt stimmen AfD-Anhänger:innen 17 der 22 vorgelegten Aussagen zu. Bei den Grünen-Anhänger:innen sind es im Schnitt nur 2,3 Aussagen.

„Geheime Mächte“, „Lügen“ und „Betrug“

Gut ein Viertel der Befragten glaubt, dass Politik in Deutschland von „geheimen Mächten“ gesteuert werde. Sie stimmen der folgenden Aussage zu: „Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“ Und 25 Prozent stimmen der Aussage zu: „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten dahinterstehender Mächte“. 16 Prozent meinen sogar: „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.“

Ebenfalls ein Viertel meint, die Regierenden „betrügen das Volk“. Von den AfD-Anhänger:innen stimmen sogar 81 Prozent dieser Aussage zu. 27 Prozent der Deutschen meinen: „Die Regierung verschweigt der Bevölkerung die Wahrheit.“ Und mehr als die Hälfte der Deutschen sehen Politiker generell als abgehoben an.

„Rechtspopulist:innen machen nicht nur Parteien und Politiker:innen verächtlich, sie diffamieren auch die Massenmedien“, sagt Brettschneider. Ein Fünftel bis ein Viertel der Bundesbürger:innen unterstellt den Massenmedien Manipulation. Und 21 Prozent meinen: „Die Bevölkerung in Deutschland wird von den Medien systematisch belogen.“ Von der AfD-Anhängerschaft stimmen 85 Prozent dieser Aussage zu.

24 Prozent der Bundesbürger:innen glauben: „Die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“ Und 23 Prozent geben an: „Die Medien bringen nur, was die Herrschenden vorgeben.“ Das tiefe Misstrauen gegenüber den klassischen Massenmedien sei in Ostdeutschland deutlich stärker ausgeprägt als in Westdeutschland, stellt Prof. Dr. Frank Brettschneider fest.

Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie, sinkendes Vertrauen in die Bundesregierung

Ein Viertel der Befragten ist mit dem Funktionieren der Demokratie auf Bundesebene unzufrieden. Auf Landes- und auf kommunaler Ebene sind es weniger. Je ausgeprägter das rechtspopulistische Weltbild der Befragten ist, desto größer ist die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie. Aus der Gruppe mit dem stärksten rechtspopulistischen Weltbild sind 85 Prozent mit dem Funktionieren der Demokratie auf Bundesebene unzufrieden.

„Zwischen 2022 und 2023 ist die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie um zehn Prozentpunkte gesunken“, hält Brettschneider fest. Dies reflektiere die Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung mit dem Handeln der Bundesregierung. Das Vertrauen in die Bundesregierung sei zwischen 2022 und 2023 so deutlich gesunken wie bei keiner anderen Institution.

Am meisten Vertrauen bringen die Deutschen der Wissenschaft, der Polizei und den Gerichten entgegen. Am wenigsten vertrauen sie der Bundesregierung, dem Europäischen Parlament und den politischen Parteien. „Nur 13 bzw. 14 Prozent der Bundesbürger:innen misstrauen der Wissenschaft oder der Polizei, aber um die 50 Prozent den Parteien oder der Bundesregierung“, so Prof. Dr. Frank Brettschneider.

Je rechtspopulistischer das Weltbild einer Person ist, desto größer ist auch ihr Misstrauen gegenüber diesen Institutionen: Aus der Gruppe mit dem stärksten rechtspopulistischen Weltbild misstrauen 48 Prozent der Wissenschaft, 89 Prozent dem Fernsehen, 93 Prozent den politischen Parteien und 96 Prozent der Bundesregierung.

HINTERGRUND: Demokratie-Monitoring der Uni Hohenheim

Seit 2021 führt forsa im Auftrag des Fachgebiets Kommunikationstheorie unter Leitung von Prof. Dr. Frank Brettschneider jährlich eine repräsentative Umfrage zum Demokratie-Verständnis der Bevölkerung durch. Die Ergebnisse sind auf Bundes- und auf Landesebene (Baden-Württemberg) repräsentativ. Bei einem Teil der Fragen setzt die Studie jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt.

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