UN ruft 1. Weltbienentag aus

Mehr wilde Wiesen in Hohenheim – für Biene & Co  [18.05.18]

Ungemähte Wiesen vorm Schloss sind bisher ein ungewöhnglicher Anblick. Das könnte sich in Zukunft ändern. Bild: Uni Hohenheim | Leonhardmair

Huflattich, Klee, Margeriten, Wildgräser, …: Schon bemerkt? Viele Grünflächen ums Schloss und zwischen Institutsgebäuden sind in diesem Jahr nicht kurzgemäht. Stattdessen umweht den Campus ein Hauch romantischer Verwilderung. Das sieht nicht nur überraschend gut aus, sondern bietet vor allem Lebensraum für Wildbienen und anderen Insekten, deren Zahl von Jahr zu Jahr dramatisch zurückgeht. Damit greift Hohenheim auch ein Anliegen der Vereinten Nationen auf, die am 20. Mai den 1. Weltbienentag ausgerufen haben.


Die Gesundheit von Bienenvölkern sowie ihre Interaktion mit dem umgebenden Ökosystem in unterschiedlichen Regionen der Erde beschäftigt den Hohenheimer Populationsgenetiker Prof. Dr. Martin Hasselmann und Gastwissenschaftler an seinem Fachgebiet in zahlreichen Forschungsprojekten.

Auf dem Weg von der Stadtbahnhaltestelle zu seinem Büro in der Garbenstraße kam der Wissenschaftler in den letzten Jahren jedoch immer öfter ins Grübeln. Wenn er sich in der unmittelbaren Umgebung seines Instituts umblickt, sieht er zwar viele Grünstreifen, aber kaum Bienen. Wie auch? Denn kurz gemähten Wiesen ohne Blüten sind alles andere als insektenfreundlich.

Doch es geht nicht nur ums Rasenmähen. Auch liegengebliebenes Laub ist ein entscheidender Faktor für Insektenvielfalt, da es Käfern, Spinnen und Co im Winter Schutz bietet. Für Vögel wiederum sind die Insekten unter den Laubhaufen in der kalten Jahreszeit eine wichtige Futterquelle.

„Als ich im letzten Herbst beobachte, wie eifrige Laubbläser mit viel Getöse auch noch das letzte Krümelchen unterm Gebüsch vor unserem Institutsgebäude entfernten, dachte ich: Es ist Zeit, aktiv zu werden!“, erinnert sich Hasselmann. „Als Universität, die auch zum Erhalt der Artenvielfalt forscht, könnten wir doch vor unsere Haustür ein gutes Vorbild sein – und so auch unserer zahlreichen Besucherinnen und Besuchern für das Thema sensibilisieren.“

Weltbienentag mit ernstem Anliegen


Auch wenn es auf den ersten Blick um Kleinigkeiten geht – das Anliegen dahinter ist ernst: Seit Ende der 80er Jahre ist die Biomasse von Insekten in manchen Regionen Deutschlands um bis zu 80% zurückgegangen. Als Ursache vermuten Experten u.a. den Verlust von Lebensräumen  durch stark veränderte Landnutzung, wie z.B. Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden, insbesondere hocheffektive Insektenvernichtungsmittel aus der Gruppe der Neonicotinoide.

Die Auswirkungen sind dramatisch, denn als Nahrungsquelle für Wildtiere und unverzichtbare Bestäuber von Pflanzen sind Insekten die Grundlage ganzer Ökosysteme.  Auch für die Volkswirtschaft sind Insekten von entscheidender Bedeutung. Ohne die Bestäubungsleistung von Bienen gingen Obst- und Gemüseerträge im durchschnittlich um ca. 40% zurück, so die Analyse einer Studie des Instituts für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Uni Hohenheim. 

Auf diese Zusammenhänge machen die Vereinten Nationen in diesem Jahr am 20. Mai erstmals mit einem Weltbienentag aufmerksam, wobei die Biene stellvertretend für die gesamte Problematik des Insektensterbens steht.

Mitstreiter für Insektenwiesen

Mit seinem Vorstoß für wildere Wiesen um Hohenheimer Uni-Gebäude fand Prof. Dr. Hasselmann auf dem Campus schnell Mitstreiter.

Dazu zählt z.B. die studentische Gruppe „Obstkorb“, die sich für den Erhalt traditioneller Streuobstwiesen als nachhaltige und ökologische Landnutzungsform einsetzt. Oder den wissenschaftlichen Leiter der Hohenheimer Gärten, Dr. Helmut Dalitz, der bereits vor einigen Jahren dafür gesorgt hat, dass die Wiesen im südlichen Schlosspark nur noch 2-mal jährlich gemäht werden. Mit messbar positiven Auswirkungen für die Artenvielfalt, wie Biologie-Studierende in Botanik- und Zoologie- Praktika inzwischen herausgefunden haben.

Gemeinsam fand die Gruppe um Hasselmann schließlich auch Gehör beim Landesamt für Vermögen und Bau. Denn mit Ausnahme der Parkanlagen ist nicht die Uni selbst, sondern das Land für die Grünflächen auf dem Campus zuständig.

Experiment gestartet

Obwohl es noch einige offene Fragen gibt, ließ man sich dort auf das Experiment ein. Versuchsweise sprießen die Insektenwiesen nun z.B. entlang der Garbenstraße, der Fruwirthstraße oder rund ums Schloss – und das sieht momentan überraschend bunt und ästhetisch aus.

In diesem Jahr ist außerdem geplant, auf ausgewählten Flächen zusätzlich Wildblumenmischungen auszubringen. Das Landesamt für Vermögen und Bau hofft, dass diese Maßnahme auch Akzeptanz bei Studierenden findet. Denn Blumenwiesen können nicht mehr ohne weiteres als Liegewiesen genutzt werden.

Eine weitere Herausforderung ist das Mähgut: Während es bei regelmäßigem Mähen einfach auf dem Rasen liegen bleiben kann, fällt bei wilden Wiesen am Ende so viel davon an, dass es abtransportiert werden muss. Als Futter ist die gemähte Wiese aufgrund des geringen Nährstoffgehalts nur bedingt geeignet. Eine Alternative könnte z.B. die Verwertung in Biogasanlagen sein. Während die Hohenheimer Gärten inzwischen einen Abnehmer für ihr Mähgut gefunden haben, ist das Landesamt für Vermögen und Bau derzeit noch auf der Suche.

Text / Fotos: Leonhardmair

Mehr zum Thema im Online-Kurier