Ein Kaffee mit… Dr. Martin Kerner

Neuer Mobilitätsmanager im Interview  [29.03.19]

Dr. Martin Kerner kümmert sich als neuer Projektmanager um das Thema Mobilität. Bild: Uni Hohenheim

Erreichbarkeit verbessern und flexibilisieren, Emissionen verringern und höhere Aufenthaltsqualität: diese Ziele verfolgt die Uni Hohenheim mit ihrem Mobilitätsplan für den Campus. Erreicht werden sollen sie mit einem Bündel an kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen, die im Grundsatz auch bereits mit Stadt und Land abgestimmt sind. Dennoch erweist sich die Umsetzung im Detail häufig als schwierig. Als neuer Projektmanager für das Thema Mobilität will sich Dr. Martin Kerner in den kommenden 2 Jahren dahinterklemmen und dazu beitragen, dass geplante Verbesserungen möglichst schnell realisiert werden. Finanziert wird die Projektstelle mit Landesmitteln aus dem Ideenwettbewerb „Emissionsfreier Campus“.

 

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Herr Kerner, Sie sind als Projektmanager für das Thema Mobilität zuständig. Wie kommen Sie selbst jeden Tag zur Uni?

Wir sind vor einiger Zeit nach Musberg gezogen. Von dort aus pendle ich mit Bus und Bahn.

Der Halbstundentakt mancher Busverbindungen zu Stoßzeiten ist für mich noch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Zuvor habe ich 20 Jahre in Berlin gelebt und bin in Sachen ÖPNV eher verwöhnt. Erst gestern ist mir ein Bus vor der Nase weggefahren und ich stand im Regen. Ich lerne also gerade die Probleme kennen, mit denen viele Uni-Angehörige tagtäglich zu kämpfen haben. Ich glaube, das ist eine ganz gute Voraussetzung für meine Arbeit hier.

In Vaihingen steige ich dann um in die Stadtbahnlinie U3. Dann beginnt der entspanntere Teil der Anfahrt. Vor allem der letzte Teil zwischen Landhaus und Plieningen ist toll.

Aktuell: Tarif-Reform VVS

Ab 1.4.19 gilt der neue VVS-Tarif. Die Vereinfachung der Tarifzonen bringt für viele günstigere Preise oder einen erweiterten Geltungsbereich. Über das JobTicket können Beschäftigte außerdem einen Zuschuss von 25 € erhalten.

Aber ich fahre auch sehr gerne Rad. Im Frühjahr will ich umsteigen, denn die knapp 10 Kilometer zur Uni sind mit dem Rad gut machbar. Allerdings bin ich gespannt, wie ich mit der hügeligen Topografie klarkomme. Dieser Aspekt spielt für die Mobilität rund um Hohenheim je generell eine durchaus wichtige Rolle. Insofern freue ich mich auf die Erfahrungen, die ich sammeln werde.

Jetzt bin ich neugierig, was hat Sie von Berlin nach Musberg verschlagen? Und wo haben Sie zuvor gearbeitet?

Meine Partnerin und ich haben zwei kleine Kinder und ich habe eine mehrjährige Familienpause hinter mir. Meine Schwiegermutter wohnt hier und meine eigene Mutter lebt ebenfalls in Süddeutschland. Es war uns wichtig, jetzt im Alter näher bei ihnen zu sein.

Vor unserem Umzug war ich knapp 15 Jahre bei der Nachrichtenagentur Reuters beschäftigt und dort zuletzt für das Mediengeschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig. Davor war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Braunschweig und habe im Bereich Betriebswirtschaftslehre promoviert. Der rote Faden, der sich bis heute durch alle beruflichen Stationen zieht, ist das Thema Projektmanagement.

Auch meine Ausbildung als Tischler, die ich vor meinem Studium absolviert habe, prägt mich in gewisser Hinsicht bis heute. Denn für erfolgreiches Projektmanagement ist eine pragmatische Sicht der Dinge und eine Hands-on Mentalität sehr hilfreich. Was nutzen schön klingende Konzepte, wenn sie am Ende nicht umgesetzt werden?

Was genau sind denn Ihre Aufgaben in Hohenheim?

Die Uni Hohenheim verfügt über einen ausgearbeiteten Mobilitätsplan, der wiederum in einen umfangreichen Entwicklungsplan für den gesamten Campus eingebettet ist (Masterplan 2030 – Bauen und Verkehr). Organisatorisch ist das Thema Mobilität bei der Abteilung Fläche und Bau angesiedelt.

Mobilität ist ein interessantes und spannendes Thema. Meine Aufgabe als Projektmanager ist es, die Umsetzung der Mobilitäts-Maßnahmen voranzubringen und den Plan gegebenenfalls anzupassen und weiterzuentwickeln. Denn im Bereich Mobilität tut sich ja extrem viel.

Zum Beispiel?

Beispielsweise war unlängst zu lesen, dass das Verkehrsministerium die Zulassung der E-Scooter plant. Die flexiblen kleinen Roller könnten sich in Zukunft zu einem sehr relevanten Verkehrsmittel für die sogenannte „letzte Meile“ entwickeln. Spannend finde ich auch Apps, die ÖPNV, Carsharing, Fahrradverleih und Taxi auf einer Plattform vereinen, z.B. die App moovel – die sich nach der Kooperationsankündigung von BMW und Daimler im Bereich Mobilitätsdienste jetzt „Reach Now“ nennt – oder Jelbi in Berlin. Solche Entwicklungen müssen wir im Auge behalten.

Klar ist: Die Uni kann ihre Ziele im Bereich Mobilität nicht alleine umsetzen. Das A und O für eine erfolgreiche Projektsteuerung sehe ich deshalb im guten Austausch mit den relevanten Akteuren. Davon gibt eine ganze Menge: z.B. Stadt, Land, Bezirk, Verkehrsbetriebe, Fördermittelgeber, Anwohner – und nicht zuletzt die Beschäftigten und Studierenden selbst, um deren Wünsche, Probleme und Mobilitätsverhalten es ja letztendlich geht.

Die Liste der Wünsche und Probleme ist in der Tat lang. Und immer wieder kommen neue Ideen hinzu. Wo fangen Sie an?

Das ist eine gute Frage. Tatsächlich gehört es zu meinen ersten Aufgaben, mir einen Überblick zu verschaffen und Prioritäten zu setzen. Der Mobilitätsplan selbst ist in kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen unterteilt. Das ist natürlich eine erste, wichtige Orientierung für mein weiteres Vorgehen.

Momentan sehe ich vieles noch durch die „naive“ Perspektive eines Außenstehenden. Das kann mitunter ein Vorteil sein. Denn viele Strukturen oder Ideen haben eine lange Historie und manchmal verliert man mit der Zeit geänderte Rahmenbedingungen und alternative Ideen aus dem Blick. Ich möchte deshalb meine Einarbeitungszeit auch nutzen, um Dinge zu hinterfragen und um ggf. ergänzende Impulse zu setzen.

Ganz konkret stoße ich dabei hin und wieder auch auf veraltete Informationen. Beispielsweise ist die Mitfahrbörse Flinc seit Anfang des Jahres leider außerhalb von Daimler nicht mehr nutzbar. Ich schaue mich also gerade nach Alternativen um. Generell ist es mir wichtig, dass die Mobilitäts-Homepage aktuell gehalten wird und dass Studierende und Beschäftigte auch über weitere Kanäle immer wieder aktiv über Mobilitäts-Themen informiert werden.

Einige der kurzfristigen Maßnahmen des Mobilitätsplans befinden sich ja aktuell auch bereits in der Umsetzung bzw. in der Vorbereitung, richtig?

Genau, beispielsweise die Installation der neuen Fahrradabstellanlagen, die Inbetriebnahme der Leihstationen von RegioRadStuttgart, die Ernennung des Fahrradbeauftragten und die Vorbereitungen für eine Mobilitätsstation im Zentrum des Campus.

Wie so oft erweisen sich selbst vermeintlich kleine Maßnahmen häufig komplexer als gedacht. Beispielsweise müssen bei der Wahl der Aufstellorte der neuen Fahrradständer Feuerwehraufstellflächen, Fluchtwege und Versammlungsflächen berücksichtigt werden und bei der geplanten Bereitstellung von Duschen für Fahrradfahrer sind viele offene Fragen zu klären, z.B. hinsichtlich des Schutzes vor Legionellen oder des Zugangs bei automatischen Schließsystemen. In solchen Fällen will ich einen Beitrag leisten, dass möglichst schnell pragmatische Lösungen gefunden werden.

Aber auch bei größeren Projekten, kann es immer wieder notwendig sein, umzudenken. Aktuell beschäftigen uns z.B. die Planungen für die Mobilitätsstation in der Heinrich-Pabst-Straße.

Die Uni musste relativ lang auf die endgültige Bewilligung der Fördergelder warten. Am Festakt zum Gründungstag der Uni sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann dann persönlich 200.000 Euro für die Umsetzung zu. Wie geht es nun weiter?

Die Ausschreibung für einen Verkehrsplaner ist abgeschlossen und das Auftaktgespräch mit dem Ingenieurbüro hat bereits stattgefunden. In ca. sieben Wochen erwarten wir einen ersten Entwurf. Dabei müssen wir uns jedoch noch über ein paar Punkte Klarheit verschaffen. Die ursprünglichen Planungen sahen ja vor, dass es an der Mobilitätsstation eine weitere RegioRad-Station für Leihfahrräder und Pedelecs geben soll, außerdem Carsharing und weitere Elemente.

Nachdem sich für einen ersten Carsharing Kooperationspartner das Geschäft an dieser Stelle offenbar nicht rentiert hat, stellt sich natürlich die Frage: Woran ist das Pilotprojekt gescheitert und welche Art von Carsharing benötigen wir in Hohenheim tatsächlich? Muss Carsharing überhaupt ein Element der Mobilitätsstation sein oder gibt es andere, für die Uni passendere Alternativen? Und ganz generell: Welche Angebote würden für Beschäftigte und Studierende an der Mobilitätsstation den größten Mehrwert bringen?

Sie haben vorhin das Thema Parkraummanagement angesprochen. In Hohenheim sorgen die Pläne des Landes bei vielen Uni-Angehörigen für sehr großen Unmut. Sind Sie mit der Diskussion vertraut?

Ich habe die Online-Kurier-Artikel und insbesondere auch die Kommentare dazu mit großem Interesse nachgelesen.

Es gibt Pendler, die nicht auf das Auto verzichten können und sich sorgen, morgens überhaupt noch einen Parkplatz zu finden. Für andere geht es vor allem um die finanzielle Belastung. Egal welches Umsetzungsszenario man durchspielt, es wird vermutlich immer Personen geben, für die eine Veränderung der Rahmenbedingungen nachteilig ist. Insofern fand ich den integrativen Ansatz gut, dass alle Gruppen der Uni in der Senatskommission bei der Suche nach Lösungen beteiligt waren.

In den Kommentaren wurde eine Reihe legitimer Nachfragen vorgebracht, die teilweise auch Aspekte betreffen, die Bestandteil des Mobilitätskonzepts sind. Darauf wollen wir zeitnah eingehen.

Die ökologischen und die Verkehrsprobleme werden wir nur verringern können, wenn viele Menschen bereit sind, ihr Verhalten zu ändern – allerdings gehört es zu den schwierigsten Dingen überhaupt, das eigene Verhalten im Alltag zu verändern. Voraussetzung dafür sind nicht nur gute Alternativen, sondern auch die Bereitschaft zur Veränderung. Und meistens gelingt ein angestrebter Wandel nicht von heute auf morgen.

Ich glaube, die Reaktionen spiegeln viele Facetten wieder, die beim Thema Mobilität allgemein eine wichtige Rolle spielen und sie zeigen, was die Menschen in Hohenheim bewegt. Es ist also der richtige Weg, dass die Uni dem Thema Mobilität eine hohe Priorität einräumt und dabei einen langfristigen Maßnahmenplan verfolgt.

Wir werden berichten, vielen Dank für das Gespräch!


Interview: Leonhardmair

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