Leiter der Core Facility Hohenheim im Interview

Ein Kaffee mit... Wilhelm Kincses  [08.01.17]

Kein Kaffee, sondern ein Chemikalien-Gefäß aus Modul 3 (Analytical Chemistry) der Core Facility. Getränke muss Kincses mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Foyer einnehmen – in den Labors sind sie verboten.

4 Massenspektrometer, 3 Kernspinresonanz-Spektrometer, analytische Chemie und ein einheitliches Datenmanagement: Die Uni Hohenheim hat die wichtigsten Großgeräte für die Forschung in einem Pool zusammengefasst. Ein weiteres Modul mit Datenbanken und Statistikberatung in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften soll folgen. Der Physiker Wilhelm Kincses leitet die neue Core Facility – und will sie weiter ausbauen.

 

Den Kaffee hat Wilhelm Kincses an diesem Morgen schon getrunken: Im Foyer des Laborgebäude stehen reich gedeckte Tischinseln, drum herum sitzt die Belegschaft der neuen Core Facility.

Rechts und links reihen sich Galerien zwei Stockwerke hoch. Dahinter liegen die Labors der ehemaligen Landesanstalt für Chemie. Ein Teil der Geräte und einige Mitarbeiter sind im Frühjahr 2016 in das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg umgezogen. Der größte Teil der Belegschaft blieb aber an der Universität und arbeitet jetzt zum Teil in der Core Facility.

An den Tischen herrscht Aufbruchstimmung.

Nutzergespräche Core-Facility

Die Core Facility Hohenheim (CFH) lädt alle aktuellen und potentiellen Nutzerinnen und Nutzer zu zwei Infoveranstaltungen ein. Thema: Wünsche, aktuelle und künftige Leistungen. Termine:

  • 19. Januar 2017
  • 23. Januar 2017

jeweils 9:00-12:00 Uhr (Ort: wird noch bekannt gegeben, richtet sich nach Zahl der Teilnehmenden).

Weitere Informationen und Anmeldung

Kincses: Darf ich Ihnen noch ein Stück Kuchen anbieten, bevor wir die Labore betreten?


Herzlichen Dank. Ich hoffe nur, dass ich bei keiner Feier störe. Hat jemand bei Ihnen Geburtstag?


Keine Sorge. Wir machen einmal im Quartal ein Mitarbeiterfrühstück. Das gibt mir die Gelegenheit, mich einmal an jeden Tisch zu setzen, zuzuhören und zu informieren. Ich halte das für gut investierte Zeit. Denn wenn ich die Mitarbeiter nicht informiere, gibt es Spekulationen und Fehlinterpretationen.

Wir hatten auch schon zwei Mitarbeiterversammlungen und bei meinem Antritt habe ich mit jedem Mitarbeiter ein einstündiges Antrittsgespräch. Wir fangen hier etwas Neues an. Das bedeutet auch, dass wir uns erst regelmäßig hinterfragen sollten.

Wie war denn die Stimmung bei Ihren Antrittsgesprächen?


Für die Mitarbeiter des Moduls 3 war es sicher nicht leicht, dass die Landesanstalt für Chemie aufgelöst wurde. Jede Veränderung führt zu Unsicherheit und die führt zu Unzufriedenheit.

Außerdem sind wir personell auf 60-70% heruntergefahren. Jetzt heißt es, das vorhandene Personal und die neuen Anforderungen zusammenzubringen.

In allen Gesprächen habe ich aber die Bereitschaft gehört, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen. Und das ist gut, weil es bestimmt massive Veränderungen geben wird.

Zum Beispiel?


In der ehemaligen LA Chemie gab es immer wiederkehrende, genormte Aufgaben. Jeden Herbst haben die Mitarbeiter z.B. Analysen von Zuckerrüben gemacht. Das haben sie sehr gut gemacht, aber Routineaufgaben standen im Vordergrund und es gab eher selten neue oder auch exotische Fragestellung.

Struktur und Ausstattung

  • Modul 1 (Mass Spectrometry): 4 verschiedene Massenspektrometer. Spezialität: qualitative und quantitative Analyse von Proteinen, Proteinmodifikationen und Metaboliten (Proteomics, Metabolomics)
  • Modul 2 (Spectroscopy): 3 Kernresonanz-Spektrometer, darunter ein NMR-Geräte für 1 Mio € (im Aufbau), das den neuesten Stand repräsentiert. Spezialität: Strukturaufklärung von Syntheseprodukten und Naturstoffen, NMR Analytik physikalisch heterogener Systeme (fest-flüssig)
  • Modul 3 (Analytical Chemistry): Labore der ehemaligen LA-Chemie. Spezialität: Element-Analyse, Nährstoffanalytik, Aminosäuren, Zusatzstoffe und unerwünschte Stoffe in Nahrungs- und Futtermittel

Geplant bzw. angedacht :

  • Daten-Management und Bio-Informatics: Speicherstruktur und einheitliches  Datenmanagement als Schnittstelle zwischen den einzelnen Module und deren Nutzern
  • Data and Statistical Consulting Modul: Zugang zu globalen Datenbanken mit wirtschaftswissenschaftlichen, sozioökonomischen und Finanzmarkt-Daten sowie statistisch-methodischer Beratung
  • Imaging Modul (Arbeitstitel): Ausstattung für hochauflösende bildgebende Verfahren wie Elektronenmikroskopie, hochauflösende Lichtmikroskopie, X-Ray Microtomography


Für die Wissenschaft müssen wir die Geräte bis an die Grenze kitzeln. Wir müssen neue Methoden erarbeiten und sie weiterentwickeln. Hierfür müssen wir den engen Kontakt mit den forschenden Arbeitsgruppen an der Universität suchen, um den Bedarf an neuen Analysemethoden festzustellen und die Weiterentwicklung dieser Methoden entsprechend den Bedürfnissen vor Ort voranzutreiben.

Ein weiterer Unterschied: Bei der LA Chemie kamen die Aufträge quasi von selbst. Jetzt müssen wir bei den Forschergruppen für uns werben. Dazu wollen wir jährliche Nutzergespräche mit den Wissenschaftlern führen. Viele Hohenheimer vergeben Aufträge nach außen, weil sie gar nicht wissen, dass es uns gibt. Denn die alte LA Chemie war durch die Landesaufgaben meist schon ausgelastet.

Dann machen Sie doch gleich ein wenig Werbung. Was bietet die neue Core Facility?

Viel mehr als nur Analytik und Großgeräte.

Viele Wissenschaftler denken bei Analysen zuerst einmal an das Gerät. Es braucht aber auch jemanden, der es fachgerecht bedient und wartet. Wir haben einen festen Stamm von Beschäftigten und können Kontinuität leisten – anders als ein Lehrstuhl, an dem Provierende nach drei Jahren gehen.

Laut Senatsbeschluss soll die Core Facility außerdem noch um den Bereich „Data and Statistical Consulting“ erweitert werden. Laut Konzept böte dieses Modul dann Zugang zu bedeutenden Datenbanken für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler aller Fakultäten. Plus die entsprechende statistisch-methodische Beratung.

Generell wollen wir von der Probenvorbereitung bis zur Interpretation der Daten individuell beraten, damit unsere Nutzer die Ergebnisse erhalten, die sie für ihre Forschungsprojekte benötigen. Nachwuchswissenschaftlern möchten wir die Möglichkeit geben, in Schulungen selbst Hands-on-Erfahrungen mit komplexer Analytik zu machen. Für Betreuer planen wir zweimal im Jahr eine Info-Veranstaltung.

Die Mitarbeiter der Core Facility sehen das übrigens auch als motivierend an, wenn junge Leute kommen und sich für ihre Arbeit interessieren. Das ist stimmungserhellend.

Stimmungserhellend?


Die Erfahrung zeigt: wenn ein Mitarbeiter den Kontext seiner Arbeit nicht nachvollziehen kann, dann kann das zu Frustrationen führen.

Deshalb haben die bisherigen, amtlichen Aufgaben der LA Chemie sogar für einen gewissen Frust gesorgt: Die Kollegen wussten nicht: warum machen sie das? Was passiert mit den Ergebnissen? Das lag in der Natur der Sache: Ihr Auftraggeber war ein Amt.

Wenn wir künftig Wissenschaft machen, ist es sogar zwingend notwendig, sich mit dem Kontext auseinandersetzen, weil viele  Analysen ein Spezialfall sind und nicht Standard.

Sprechen wir trotzdem einmal über Ihre aktuelle technische Ausstattung. Laut meinen Unterlagen verfügt die Core Facility derzeit über 4 Massenspektrometer, 2 Kernspinresonanz-Spektrometer, insgesamt…

…dürfte der Bestandswert zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Euro liegen, wobei man sagen muss, dass einige Geräte in die Jahre gekommen sind.

Zudem sind nicht alle Geräte zu 100% der Core Facility zugeordnet. Es gibt auch Geräte, die einzelne Arbeitsgruppen eingeworben haben, die dann privilegierte Messzeiten besitzen. Dazu gehören zum Beispiel die beiden NMR-Spektrometer sowie das neue NMR-Spektrometer der Arbeitsgruppe von Herrn Beifuß für 1 Million Euro, das voraussichtlich im März 2017 geliefert wird.

Als CFH sehen wir uns in der Pflicht, den Gerätepark so aktuell wie möglich zu halten, unabhängig vom Standort oder Forschungsschwerpunkt. Letztendlich sollen möglichst alle Forschergruppen der Universität Zugang zu Top-Geräten haben.  Die Unterstützung der Universität freut mich diesbezüglich sehr – sei es bei der Beantragung von DFG-Großgerätemitteln, sei es durch die Beteiligung an Investitionsrunden.

Damit sprechen Sie ein verwirrendes Thema an: Anders, als der Name suggeriert, handelt es sich bei der Core Facility nicht um ein zentrales Gebäude, sondern um mehrere Standorte.

Aktuell hat die Core Facility drei Module, die über den Campus verteilt sind. Die Massenspektrometer von Modul 1 befinden sich im Ökologiegebäude 2. Die Kernspin-Geräte von Modul 2 stehen im Biologie-Gebäude. Die Labore der Analytical Chemistry von Modul 3 sind in der ehemaligen LA Chemie in der Emil-Wolff-Straße 12.

Ein möglicher Standort für Modul 4 mit seinen Datenbanken und Statistik-Beratung wäre zum Beispiel das geplante Big Data Lab, das ab 2018 ein eigenes Gebäude in der Steckfeldstraße erhalten soll.

Als Schnittstelle zwischen all diesen Modulen wollen wir außerdem ein einheitliches Daten-Management und Bioinformatics Modul aufbauen. Hier sind wir mit dem KIM im Gespräch und wollen mit der Uni Stuttgart sowie mit der Uni Tübingen kooperieren. Außerdem haben wir einen DFG-Antrag für einen Data Storage Server mit 256 Terrabyte laufen, in dem auch personelle Unterstützung durch Bioinformatiker vorgesehen ist.

Zur Person

 Dr. Wilhelm Emil Kincses studierte und promovierte sich in Physik an der Uni Tübingen. Danach arbeitete er mehrere Jahre im Bereich Forschung und Entwicklung in der Automobilindustrie mit den Schwerpunkten Neurophysiologie und automatisiertes Fahren. Seit 1.10.2016 leitet Kincses die neue Core Facility der Uni Hohenheim. Der neue Leiter ist verheiratet, hat einen Sohn und pflegt als Ausgleich zur Arbeit zu wandern, Photographie und Fußball spielen.



Erst vor wenigen Wochen hat die Uni angekündigt, sie wolle ein Big Data Lab aufbauen. Jetzt sprechen Sie von dem Modul „Data and Statistical Consulting“ und einem 256-Terrabyte Datenmanagement. Ist das das gleiche oder machen sie dem Big Data Lab Konkurrenz?

Weder noch. Es sind nur unterschiedliche Facetten eines Themas

Das Datenmanagement beschäftigt sich mit Datenbankmodellierung und –strukturierung. Dabei geht es darum, wie ich Daten, die in Experimenten generiert wurden abspeichere und wie ich sie für Analyse zugänglich mache.

Das Modul „Data and Statistical Consulting“ beschäftigt sich speziell mit sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Analysen. Es bietet die Datenbanken als Datengrundlage und berät, welche Methoden sich am besten eignen, um bestimmte Analysen zu machen.

Daraus ergibt sich eine enge Verknüpfung mit dem Big Data Lab, wo solche Methoden zum Teil auch entwickelt werden.

Welche Zukunftspläne haben Sie außerdem?


Weil der wissenschaftliche Output an erster Stelle steht, müssen wir unseren Gerätepark so zusammenstellen, erneuern und ausbauen, dass die Chancen für die Arbeitsgruppen vor Ort steigen, neue Forschungsprojekte einzuwerben.

Dabei dürfen wir nicht nur an den aktuellen Bedarf denken. Wir müssen nachfragen: wo wollen die Arbeitsgruppen hin? Wo entstehen neue Schwerpunkte? Was ist die generelle strategische Neuausrichtung der Uni?

In der Industrie haben wir in operativen Zyklen von 3 bis 5 und in strategischen Zyklen von 10 und mehr Jahren geplant. Das müssen wir auch in der Wissenschaft. Allein der DFG-Antrag für ein Großgerät dauert lange und wenn das Gerät erst einmal geliefert wurde, ist es sehr lange in Gebrauch. Kurzfristige Entscheidungen sind da nicht möglich.

Interview: Klebs

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