Schaufenster Bioökonomie

Erste deutsche Chia-Sorte  [21.05.21]

Die blau blühende Chia-Pflanze ist im Spätsommer auch eine ideale Bienenweide. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Samantha Jo Grimes / Key Visual: Potente/unger+

Vom Exoten zum regionalen Superfood: Das Bundessortenamt hat „Juana“ – eine Züchtung der Uni Hohenheim – als erste Chia-Sorte in Deutschland geschützt. Damit ist der Weg frei für den gewerbsmäßigen Anbau des Superfoods in hiesigen Breiten. So kann es der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der regionale Anbau auf deutschen Äckern soll auch dazu beitragen, die Umweltbelastung durch Pestizide und Kohlendioxid deutlich zu reduzieren und dazu führen, dass in Südamerika die einheimische Bevölkerung eines ihrer Grundnahrungsmittel verstärkt wieder selber nutzt. Gesucht sind nun Saatzuchtfirmen, die „Juana“ in ihr Programm aufnehmen und Landwirten zur Verfügung stellen wollen.


Nicht umsonst tragen sie den Beinamen „Gold der Azteken“: Die Samen der Chia-Pflanze (Salvia hispanica L.) gewannen in den letzten Jahren in Europa sehr stark an Popularität und sind fast überall in den Supermarktregalen zu finden.

Ursache ist das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher und die damit verbundene Nachfrage nach so genannten funktionellen Lebensmitteln und „Superfoods“, denen gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben werden. Tatsächlich weisen Chia-Samen einen hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3 und Omega-6) in einem ernährungsphysiologisch günstigen Verhältnis sowie einen außergewöhnlichen hohen Gehalt an Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien auf.

Anbau von Superfood ökologisch oft problematisch

Doch noch immer stammen die Chia-Samen in deutschen Supermarktregalen zum größten Teil aus Südamerika – nicht unbedingt zum Vorteil für Mensch und Umwelt: Der Transport um die halbe Welt führt zu einem enormen Kohlendioxid-Ausstoß. Um die erhöhte Nachfrage befriedigen und den Ertrag steigern zu können, setzen zudem die lokalen Landwirte in Südamerika vermehrt Pestizide ein.

„Mit der Nachfrage steigt auch der Preis, so dass sich die lokale Bevölkerung ein Produkt nicht mehr leisten kann, das eigentlich zu ihren Grundnahrungsmitteln gehört“, weist apl. Prof. Dr. Graeff-Hönninger, Leiterin der Arbeitsgruppe Anbausysteme und Modellierung; auf ein weiteres Problem hin. „Darum ist der Anbau in Deutschland auch so wichtig“, fährt sie fort. „Wir schaffen damit attraktive Produkte und auch neue Einnahmequellen für die hiesigen Landwirte.“

Lange Zeit galt dies jedoch als unmöglich, denn Chia ist eine so genannte Kurztagspflanze. Das heißt, um blühen und Samen ausbilden zu können, dürfen die Tage eine bestimmte Länge nicht überschreiten. Das ist in Deutschland erst im Herbst der Fall. „Die Pflanzen sind jedoch sehr kälteempfindlich und erfrieren im Herbst, bevor sie überhaupt Samen bilden können“, erklärt die Expertin.

Die Suche nach dem passenden genetischen Material

Gemeinsam mit Dr. Volker Hahn von der Landessaatzuchtanstalt in Hohenheim haben sich die Pflanzenexpertinnen schon 2015 im Rahmen des durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projekts „BioÖkonomie Chia-Chain ‒ Erzeugung von Chia unter deutschen Bedingungen“ auf die Suche nach geeigneten Sorten gemacht.

„Viele Pflanzen – selbst wenn man die gleiche Art betrachtet – weisen eine gewisse genetische Variabilität in bestimmten Merkmalen auf, da sie unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen angebaut werden. Im Fall von Chia beispielsweise in Mexiko, Nicaragua, Argentinien, Bolivien oder Peru“, so Samantha Jo Grimes, Projektbearbeiterin und Doktorandin am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften.

„Um Chia in unserem kälteren Klima anbauen zu können, mussten wir nach Sorten suchen, die an unsere Tageslängengegebenheiten in den wärmeren Sommermonaten angepasst sind. Nur auf diese Weise kann sowohl der Anspruch von Chia an die Tageslänge als auch an die Temperatur erfüllt werden. Es war gut möglich, dass eine Sorte aus Mexiko nicht für uns geeignet war, während eine aus Bolivien genau unseren Anforderungen entsprach. Die Suche nach entsprechend geeignetem genetischen Material war der erste Schritt für einen Anbau in Deutschland“, erzählt sie weiter.

Interessierte Saatzuchtfirmen bitte melden

Die systematische Suche führte letztlich auch zum Erfolg: „Es ist uns gelungen, aus einer Vielzahl an Samen verschiedener Herkünfte eine Sorte zu selektieren, die auch unter Langtagbedingungen, wie bei uns im Sommer, zur Blüte kommt. Für den regionalen Anbau der frostempfindlichen Chiapflanze unter deutschen Klimabedingungen heißt das, dass das Risiko entsprechender Ernteverluste durch Frost kaum noch existent ist.“

Parallel zu den letzten Anbauversuchen meldeten Dr. Volker Hahn, Simone Graeff-Hönninger und Samantha Jo Grimes die neue Sorte zur Sortenprüfung beim Bundessortenamt an. Im März 2021 hat das Bundessortenamt die Chia-Sorte „Juana“ freigegeben.

Die Forschenden suchen nun noch Saatzuchtfirmen, die die Sorte in ihr Programm aufnehmen und Landwirten zur Verfügung stellen wollen. Sie werden gebeten, sich bei Dr. Volker Hahn zu melden.

Text: Stuhlemmer

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