Exzellenz-Strategie: Rektor bewertet Chancen für Hohenheim

Leuchtturm-Uni oder 2. Liga?  [24.06.16]

Das Nachfolge-Modell der Exzellenzinitiative ist beschlossene Sache: Bund und Länder bewilligten diesen Monat neue Förder-Milliarden, um das deutsche Hochschulsystem zu einem Zwei-Klassensystem umzurüsten. Das Ziel: Gutausgestattete Leuchtturm-Unis und Spitzen-Forschergruppen, die es mit der internationalen Elite aufnehmen. Im Online-Kurier bewertet Rektor Stephan Dabbert, welche Chancen Hohenheim bei den anlaufenden Förderprogrammen hat.

 

Bis zu einem deutschen Harvard oder Cambridge ist es noch weit. Doch die Aufholjagd soll weiter Fahrt aufnehmen. Ab 2018 wollen Bund und Länder dafür mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr in die Hand nehmen.

Die neue „Exzellenz-Strategie“ des Bundes und der Länder umfasst zwei große unbefristete Förderprogramme:

  • Exzellenz-Cluster: 45-50 herausragende Forschergruppen erhalten jährlich jeweils 3-10 Mio. €
  • Exzellenz-Universitäten: 11 besonders forschungsstarke Unis erhalten als gesamte Einrichtung pro Jahr zusätzlich jeweils rund 13 Mio. €. Voraussetzung: 2 bereits bewilligte Exzellenzcluster. 2025 sollen noch einmal bis zu 4 zusätzliche Exzellenz-Unis dazu kommen.

Grundsätzlich haben Newcomer alle 7 Jahre die Chance, in den Elite-Club aufzusteigen. Doch die bisher geförderten Einrichtungen haben einen entscheidenden Startvorteil: Denn für die Gutachter zählen vor allem zurückliegende Forschungserfolge.

Zusätzlich zu den beiden Hauptförderlinien schreiben Bund und Länder in diesem Jahr auch zwei neue befristete Programme aus:

  • Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Finanziert werden deutschlandweit 1000 Junior-Professuren nach dem Tenure-Track-Modell, die nach einer Probezeit in eine reguläre W3-Professur umgewandelt werden (insg.1 Mrd. € für 15 Jahre)
  • Förderinitiative Innovative Hochschule: Gefördert wird die Zusammenarbeit mit Unternehmen und gesellschaftlichen Institutionen (insg. 550 Mio. € für 10 Jahre), im Fokus: kleinere Universitäten und Fachhochschulen

Mehr: Pressemitteilung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder (17.6.2016)

Welche Chancen hat Hohenheim?

Der Online-Kurier hat Uni-Rektor Stephan Dabbert um eine Einschätzung zu den Förderprogrammen gebeten.

Gesamtprogramm

„Für das deutsche Wissenschaftssystem ist die Exzellenz-Strategie ein sinnvoller Weg, um den Anschluss an die internationale Spitzenforschung nicht zu verlieren. Das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Ausschreibung "Innovative Hochschule" flankieren dies.

Die Uni Hohenheim steht jetzt jedoch vor großen Herausforderungen. Wenn uns nicht gelingt, nach langer Zeit wieder einen sichtbaren Erfolg zu erzielen, laufen wir Gefahr, als Wissenschaftsstandort dauerhaft in der zweiten Liga zu spielen.

UPDATE (29.6.16)

Voraussichtlich wird sich die Uni Hohenheim mit drei Anträgen an der neuen Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder, sowie ihrer flankierenden Förderprogramme beteiligen. Das Rektorat verständigte sich inzwischen über Eckpunkte und einen vorläufigen Zeitplan.

Mehr: Update-Artikel (29.6.)

Fest steht schon jetzt: Die Förderlinie der „Exzellenz-Universitäten“ liegt auf absehbare Zeit außerhalb unserer Reichweite. Bei den Exzellenzclustern und den anderen beiden Programmen hat Hohenheim hingegen durchaus Chancen. Wir sollten deshalb unbedingt unseren Hut in den Ring werfen!

Die Anforderungen sind extrem hoch. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir es schaffen können, mindestens einen Antrag aus den drei jetzt beschlossenen Programmen bewilligt zu bekommen. Klar ist aber auch: Wir müssen uns fokussieren – und können nur solche Ideen verfolgen, die tatsächlich erfolgversprechend sind.“

Förderlinie: Exzellenz-Cluster

Projektbezogene Förderung international wettbewerbsfähiger Forschungsfelder an Universitäten bzw. Universitätsverbünden

  • Gesamtumfang: jährlich 385 Mio. €
  • Gefördert werden 45-50 Cluster, mit je 3-10 Mio. €
  • Unis mit Exzellenz-Clustern können zusätzlich eine Pauschale als Strategiezuschlag beantragen: max. 1 Mio. €
  • Ausschreibung: alle 7 Jahre

 

Einschätzung des Rektors:

„Der Wettbewerb ist hart, doch das Ziel extrem lohnend: Die Bedingungen für die geförderten Cluster sind tatsächlich exzellent – und durch die Strategie-Pauschale könnte die gesamte Uni unmittelbar von dem Erfolg profitierten.

Um erfolgreich zu sein, muss unser Antrag drei Grundvoraussetzungen erfüllen:

  1. Wir brauchen exzellente Einzelwissenschaftler.
  2. Sie müssen in Hohenheim in einem Themenfeld nachweislich schon länger erfolgreich zusammen geforscht haben.
  3. Die Forschung muss Teil eines ausgewiesenen Schwerpunkts der Uni Hohenheim sein.

In Hohenheim erfüllen bisher nur wenige Bereiche in den Fakultäten A und N alle drei Bedingungen zugleich. Realistisch betrachtet werden wir deshalb nur einen erfolgsversprechenden Antrag einreichen können.

In 7 Jahren wird es eine neue Chance geben. Wenn wir  dann mehrere Anträge einreichen wollen, z.B. auch in den Wirtschaftswissenschaften, müssen wir schon jetzt mit den Vorbereitungen beginnen.

Unsere Chancen bei der jetzigen Ausschreibung würden steigen, wenn wir für unseren Antrag renommierte Partner gewinnen könnten. Zurzeit herrscht jedoch vielerorts taktische Zurückhaltung. Denn bei der Exzellenzstrategie geht es ja nicht nur um einen rein wissenschaftlichen Wettbewerb, sondern vor allem um einen Wettbewerb der Institutionen. Wir stellen uns deshalb darauf ein, ggfs. auch alleine einen Antrag zu entwickeln.

Ganz grundsätzlich hat Hohenheim das Potential, in der Förderlinie der Exzellenz-Cluster erfolgreich zu sein. Dennoch sollten wir unsere Chancen realistisch einschätzen: Es ist mit ca. 250 Anträgen auf 45-50 Förderfälle zu rechnen. 150 Anträge dürften es in die engere Auswahl schaffen.

Anträge von bestehenden Cluster aus der ersten Runde der Exzellenzinitiative werden zudem einen klaren Startvorteil haben. Diese Verfestigung ist politisch ausdrücklich so gewollt. Ich gehe also davon aus, dass maximal 10-15 Newcomer eine Chance bekommen.

Sollten wir mit unserem Antrag trotz voller Kraftanstrengung keinen Erfolg erzielen, wäre die Mühe jedoch nicht vergebens. Denn die Vorarbeiten könnten wir dann für andere Ausschreibungen, z.B. Sonderforschungsbereiche nutzen. Inzwischen gelten bei großen Verbundprojekten überall ähnliche Regeln: Nur Forscher-Teams, die schon länger intensiv zusammenarbeiten, haben Chancen.“

Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Förderprogramm zur Etablierung von Junior-Professuren (W1) nach dem Tenure-Track-Modell, das nach einer Bewährungsphase den unmittelbaren Übergang in eine reguläre Lebenszeitprofessur (W3) vorsieht.

Ziel: Karrierewege in der Wissenschaft besser planbar machen und die internationale Attraktivität des deutschen Wissenschaftssystems steigern

  • Gesamtumfang: 1 Mrd. € für 15 Jahre
  • Deutschlandweit werden 1000 Tenure-Track-Stellen finanziert, die nach Ablauf der Probezeit in eine reguläre W3-Professur umgewandelt werden
  • Voraussetzung: Unis müssen stimmige Gesamtkonzepte für die Personalentwicklung im wissenschaftlichen Bereich vorlegen

 

Einschätzung des Rektors:

„Wenn wir uns für die Teilnahme am Programm entscheiden, könnte Hohenheim möglicherweise 4-6 Professuren erhalten.

Das Programm bringt für Hohenheim sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass die Vorteile überwiegen. Deshalb werde ich in den Uni-Gremien nachdrücklich für die Teilnahme werben.

Nachteile:

  • Die neuen Professuren sind voraussichtlich nicht vollständig ausfinanziert. Die Unis müssen Infrastruktur, Sekretariate etc. zum Teil aus eigenen Mitteln bereitstellen.
  • Die Unis sind nach Ablauf der Förderphase verpflichtet, die Tenure-Track-Stellen weiterzuführen – wahrscheinlich ganz oder überwiegend mit eigenen Ressourcen. Wir brauchen also eine klare Entscheidung, ob wir das Modell wirklich langfristig wollen.
  • Da wir auch in Zukunft wohl nicht mehr Wissenschaftsstellen zur Verfügung haben werden, bedeutet dies: Wir müssten nach Ablauf der Förderphase vermutlich Assistenzstellen in Juniorprofessuren umwandeln. Stellentechnisch ist dies möglich. Es hätte aber zur Folge, dass unsere Fachgebiete kleiner werden. Das hat organisatorische Folgen, die bedacht werden müssen. Fachgebiete können nämlich so klein werden, dass sie als Organisationseinheit – etwa bei Krankheitsvertretung in der Lehre – nicht mehr funktionieren. In den Experimentalwissenschaften erfordert auch der Laborbetrieb eine gewisse Zahl an Mitarbeitern. In der Fakultät W gibt es ebenfalls nicht viel Spielraum, da die Fachgebietsausstattung mit Wissenschaftsstellen schon jetzt nicht sehr groß ist.


Vorteile:

  • Die Ressourcen, die in Aussicht stehen, sind beachtlich, da die Junior-Professuren anschließend in reguläre W3-Professuren umgewandelt werden.
  • Der Grundansatz des Modells ist richtig: Junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sollten früher Verantwortung übernehmen.
  • Das Modell kann helfen, den Anteil von Professorinnen zu erhöhen, da der Karriereweg planbarer wird und sich besser mit der Familienplanung vereinbaren lässt.
  • Hohenheim würde attraktiver für internationale Wissenschaftler: Junge Wissenschaftler sind in der Regel eher bereit, für eine Berufung den Schritt ins Ausland zu wagen.

Fazit:

Das Modell leitet einen Kulturwandel ein, den ich im Grundsatz für begrüßenswert halte, der aber auch viele Herausforderungen mit sich bringt. Eine halbherzige Entscheidung, rein um der zusätzlichen Ressourcen willen, können wir uns nicht leisten. Zumal wir schon im Antrag mit einem Personalkonzept unter Beweis stellen müssen, dass wir es mit dem Tenure-Track-Modell wirklich ernst meinen.

Ich persönlich halte das Tenure-Track-Modell dann für sinnvoll, wenn wir taugliche Evaluationsverfahren entwickeln, um zu entscheiden, wen wir von der Junior-Professur in die Lebenszeit-Professur übernehmen. Die Verfahren müssen fair und transparent sein. Aber wir dürfen die Anforderungen, die wir an unsere W3-Professoren stellen, nicht herabsetzen. Es darf also keinen Automatismus für eine Übernahme geben.“

Förderprogramm Innovative Hochschule

Förderprogramm für den Wissenstransfer von Hochschulen in Wirtschaft und Gesellschaft. Ziel: Hochschulen als regionale Innovationsmotoren stärken

  • Gesamtumfang: 550 Mio. € für 10 Jahre
  • Im Fokus: kleinere und mittlere Universitäten, sowie Fachhochschulen
  • Voraussetzung: Kohärente Strategie für Wissenstransfer

 

Einschätzung des Rektors:

„Im Vergleich zu den anderen Förderprogrammen, stehen für die einzelnen Hochschulen hier geringere Summen in Aussicht. Dennoch sollten wir die Chance nicht ungenutzt lassen.

In Hohenheim gibt es an einer Reihe von Instituten intensive Zusammenarbeit mit Unternehmen. Voraussetzung, um in der Ausschreibung zu punkten, ist jedoch eine kohärente Strategie für diesen Wissenstransfer. Dies wird uns in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen.

Anders als die beiden anderen Programme ist dieses in vieler Hinsicht auch auf Fachhochschulen zugeschnitten. Ich denke jedoch, dass die Politik die Rolle der FHs als Innovationsmotoren überschätzt. Als Universität haben wir sowohl in Sachen Forschung als auch in Sachen Vernetzung erheblich mehr anzubieten. Einen gemeinsamen Antrag als kleinerer Partner unter Federführung einer FH würde ich deshalb für Hohenheim nicht anstreben.“

Interview: Leonhardmair

Mehr zum Thema im Online-Kurier

Artikel zum Thema: Rektorat | Finanzen | Forschung