Ein Kaffee mit…
Hohenheimer Promovierendenvertretung im Interview [20.11.20]
Seit einem Jahr sind die Promovierenden als eigene Statusgruppe mit Stimmrecht im Senat vertreten.
Forschung im stillen Kämmerlein – oder bestens vernetzt für die nächste Karrierestufe? Hohenheimer Promovierende nehmen ihre Möglichkeiten von Lehrstuhl zu Lehrstuhl sehr unterschiedlich wahr wie eine Befragung vom Frühjahr 2020 zeigt. Mit zentralen Vernetzungsangeboten wie dem „Young Scientist Event“ am 26. November will die Hohenheimer Promovierendenvertretung darauf reagieren. Wie es Doktorandinnen und Doktoranden in der aktuellen Corona-Situation geht und welche Themen sie derzeit noch beschäftigten, berichten die Senatsmitglieder Helen Mengis, Thea Mi Weiß und Moritz Novotny im Interview.
In Zeiten von Corona zuerst die Frage: Wie geht es Promovierenden an der Uni Hohenheim?
Helen Mengis: Wir sind ebenso wie viele andere von der aktuellen Situation betroffen. Auch unabhängig von Corona ist es für viele Promovierende nicht leicht, eine angemessene Balance zwischen ihrem Dissertationsprojekt und den Anforderungen im Bereich der Lehre zu finden. Durch Corona hat sich diese Herausforderung weiter verschärft, denn digitale Lehrangebote sind nun mal mit deutlich mehr Aufwand verbunden.
Thea Mi Weiß: Besonders problematisch kann das für Promovierende mit Kindern oder mit zu pflegenden Angehörigen werden. Entlastung in Hohenheim schuf hier ein neuer Fördertopf des Gleichstellungsbüros, der sich speziell an Nachwuchswissenschaftlerinnen richtet, deren Projekte sich Corona-bedingt verzögern. Hierfür sind wir sehr dankbar. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn auch männliche Doktoranden von einer ähnlichen Förderung profitieren könnten.
Helen Mengis: Einige unserer Kolleginnen und Kollegen stehen bereits unter Druck, ihre Dissertationsprojekte in der z.B. vom Drittmittel- oder Stipendiengeber vorgesehenen Zeit abzuschließen und sehen sich dann mit der großen Unsicherheit der Anschlussfinanzierung konfrontiert. Das wirkt sich in Zeiten wie diesen natürlich noch mehr aus – auch psychisch.
Glücklicherweise ist es mit Hilfe einer Online-Petition gelungen, die Arbeitsverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen um bis zu 6 Monate zu verlängern – und auch viele Drittmittel- und Stipendiengeber sind nachgezogen. Ob dies ausreicht müssen die kommenden Monate zeigen.
Thea Mi Weiß: Hinzu kommen verschiedene praktische Schwierigkeiten: Wer z.B. für die Dissertation darauf angewiesen ist, Daten im Ausland zu erheben oder aus dem Ausland nach Hohenheim anreisen muss, steht aktuell weiter vor einem großen Problem.
Werden die Probleme der Promovierenden denn ausreichend wahrgenommen?
Helen Mengis: Tatsächlich ist es für uns nicht immer nachvollziehbar, inwiefern wir als eigene Statusgruppe von der Landesregierung wahrgenommen werden. Uns ist natürlich bewusst, dass es in einer Krisenzeit an allen Ecken und Enden brennt. Und leider gibt es ja oft auch keine einfach umsetzbaren Lösungen für die Themen, die uns besonders bedrücken, weil sie unmittelbar mit dem Hochschulsystem selbst zu tun haben.
Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart, Tübingen und Ulm haben wir uns beispielsweise am Anfang Juni mit einer Corona-Stellungnahme an Wissenschaftsministerin Theresia Bauer gewendet, und leider erst auf eine erneute Nachfrage vergangene Woche ein Antwortschreiben erhalten. Das ist doch etwas ernüchternd.
In Hohenheim selbst sieht es diesbezüglich besser aus: Die Uni-Leitung hat auf ein Schreiben von uns unmittelbar reagiert – und wir haben in der Folge auch mehrere sehr konstruktive Gespräche sowohl innerhalb der Fakultäten als auch mit dem Rektor und den Prorektor:innen geführt.
Thea Mi Weiß: Allerdings wünschen wir uns, dass dieser Gesprächsfaden auch im Alltag nicht abreißt. Wenn spontan ein Krisenstab bzw. eine Taskforce einberufen wird, wie unlängst etwa zum Thema „Aufzeichnung von Zoom-Veranstaltungen“, werden Studierende und Profs in der Regel dazu eingeladen. Obwohl wir von den Auswirkungen häufig ja doch sehr stark betroffen sind, werden wir in solchen Sondersituationen nur selten berücksichtigt und können meist nur indirekt über unseren guten Austausch mit der Studierendenvertretung Einfluss ausüben.
Tatsächlich ist es gerade mal ein Jahr her, dass die Promovierenden in Baden-Württemberg als eigene Statusgruppe im Senat mit Stimmrechten aufgenommen wurden – ein Vorstoß der grün-geführten Landesregierung. Was hat sich dadurch für die Promovierenden verändert?
Moritz Novotny: Mit 3 Vertretern sind wir Promovierenden im Vergleich zu den Studierenden (4 Vertreter), den wissenschaftlichen (4 Vertreter), sowie nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten (3 Vertreter) recht gut repräsentiert. Im Hinblick auf die 18 Vertreter der Professorenschaft hat unsere Stimme jedoch kaum Gewicht. Hier würde ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis möglicherweise zu etwas spannenderen Senatssitzungen führen.
Helen Mengis: Als die grüne Landesregierung beim Machtwechsel 2011 selbstbewusst mehr Mitbestimmung für die Promovierenden versprach, hatten wir uns mehr davon erhofft. Trotz allem ist die LHG-Novellierung ein Fortschritt, den wir anderen Bundesländern voraushaben. Ein Vorteil ist, dass wir nun wichtige Informationen früher erhalten und der Stimme der Promovierenden in der Senatsdiskussion zumindest Gehör verschaffen können. Als Vertretung wurden wir zum Amtsantritt auch von der Uni-Leitung zu Gesprächen eingeladen und wir erhalten sehr gute Unterstützung von verschiedenen Stellen an der Uni.
Thea Mi Weiß: Gleichzeitig muss man dazu sagen, dass wir die vorhandenen Möglichkeiten nur dann wirklich im Sinn der Promovierenden ausschöpfen können, wenn wir auch Feedback aus den eigenen Reihen bekommen und hören, wo der Schuh eigentlich drückt. Leider tun wir uns nach wie vor nicht leicht, den Draht zu der doch recht inhomogenen Gruppe der Promovierenden zu finden.
Welche Möglichkeiten gibt es denn für den Austausch?
Thea Mi Weiß: Die beste Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen, sind unsere monatlichen Lunch-Termine. An unserem letzten Treffen vor Corona kamen dabei rund 50 Promovierende in der Mensa zusammen. In Anbetracht von rund 900 Promovierenden ist da zwar immer noch Luft nach oben, aber es war ein sehr guter Anfang.
Moritz Novotny: Bei den Online-Terminen kommen wir seither aber leider meist nur auf 10-20 Teilnehmende. Hier würden wir uns über mehr Zulauf freuen. Insbesondere, da wir von anderen Unis hören, dass der Austausch im Moment sehr rege weiterläuft. Bei konkreten Anliegen oder Fragen stehen wir natürlich auch jederzeit per Mail als Ansprechpersonen bereit. Das gleiche gilt für den Vorstand des Hohenheimer Promovierendenkonvents, mit dem wir eng zusammenarbeiten.
Helen Mengis: Um ein etwas breiteres Stimmungsbild über die Situation der Promovierenden und Postdocs zu erhalten, haben wir im Frühjahr außerdem eine breit angelegte Online-Befragung durchgeführt.
Welche Erkenntnisse konntet ihr daraus ziehen?
Helen Mengis: Ein erfreuliches Ergebnis ist, dass die meisten Hohenheimer Promovierende unterm Strich zufrieden mit ihrer Situation sind – abgesehen von einigen extremen Ausreißern. Auch die Unterstützung durch die Graduiertenakademie wird sehr positiv bewertet. Wenn man zugleich liest, wie kritisch viele Promovierende ihre finanzielle Situation bewerten, sprechen die Zufriedenheitswerte wohl vor allem für eine hohe Leidenschaft für Lehre und Forschung. Allerdings lässt sich davon nicht ewig zehren: In der Gruppe der Postdocs fällt die Gesamtzufriedenheit geringer aus.
Thea Mi Weiß: Auch bei den Promovierenden wurden wir auf einige Missstände aufmerksam: Beispielsweise stellte sich heraus, dass sehr viele mit ihrer Dissertation beginnen, ohne dass sie den formalen Antrag auf Annahme als Doktorand:in dazu eingereicht haben. Nicht wenige verlassen sich auf mündliche Zusagen von Vorgesetzten und melden ihre Dissertationen erst kurz vor der Abgabe an. Das ist riskant, denn ohne die Annahme besteht kein Rechtsanspruch, an der Uni promoviert zu werden. Betreuungspersonen können ausfallen oder es kann Zerwürfnisse geben. Die Hintergründe für die späte Anmeldung sind offenbar sehr vielfältig, u.a. wird ein hoher administrativer Aufwand beklagt.
Helen Mengis: Nicht zuletzt zeigte die Befragung, dass es von Lehrstuhl zu Lehrstuhl sehr große Unterschiede gibt, was die Vernetzungsmöglichkeiten für Promovierende betrifft.
Inwiefern?
Helen Mengis: Einige Lehrstühle sind sehr gut vernetzt und arbeiten mit vielen Partnern in Hohenheim, Deutschland und weltweit zusammen. Davon profitieren Promovierende in ihrer Forschung und es hilft ihnen dabei, ein Netzwerk für ihre weitere Karriere aufzubauen. Andere Promovierende haben hingegen den Eindruck, dass sie an ihrem Fachgebiet mehr oder weniger isoliert im stillen Kämmerlein vor sich hinarbeiten. Darauf wollen wir als Promovierendenvertretung mit mehr zentralen Vernetzungsangeboten reagieren.
Moritz Novotny: Am 26.11. laden wir deshalb zum ersten „Young Scientist Event“: Eine Online-Veranstaltung, bei der Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler z.B. mit einer Junior-Professorin ins Gespräch kommen können oder auch mit dem Team des Innovation Greenhouse. Ebenfalls mit im Boot sind die Prorektorin für Forschung, die Graduiertenakademie und die Hohenheimer Forschungszentren. Wir freuen uns sehr darauf und hoffen, möglichst viele Promovierende und Post-Docs dabei begrüßen zu dürfen!
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Leonhardmair