Nachhaltige Phosphor-Nutzung:
DFG verlängert deutsch-chinesisches Graduiertenkolleg [15.02.23]
Bildquelle: EnvatoElements / anankkml
Promovierende der Universität Hohenheim und der China Agricultural University in Peking forschen am Beispiel des Maisanbaus zu ressourceneffizienter Phosphat-Nutzung
Rund 7 Mio. Euro für einen nachhaltigeren Umgang mit der weltweit begrenzten Ressource Phosphat: Das deutsch-chinesische Graduiertenkolleg AMAIZE-P kann seine Forschung zu Phosphor als eines der wichtigsten, für Pflanzen essentiellen Nährelemente fortsetzen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat eine zweite Förderperiode von weiteren 4,5 Jahren bewilligt. Seit 2018 forschen Nachwuchsforschende der Universität Hohenheim in Stuttgart und der China Agricultural University (CAU) in Peking gemeinsam. Pflanzen nehmen Phosphor aus Böden und Düngemitteln in Form von Phosphaten auf. Wie die Nutzung der Phosphatreserven optimiert und dabei Überdüngung vermieden werden kann, steht im Fokus der Forschung. Sie erfolgt am Beispiel von mais-basierten landwirtschaftlichen Produktionssystemen zur Nahrungsmittel-, Futter- und Biomasseerzeugung. Infos: amaize-p.uni-hohenheim.de
Neun Jahre AMAIZE-P: Bis zum Ende des internationalen Graduiertenkollegs 2027 sollen über 40 Promovierende und Postdocs auf deutscher und mehr als 50 auf chinesischer Seite zu Fachleuten im Bereich ressourceneffiziente Phosphat-Nutzung ausgebildet werden. Bisher bereits fast 100 Publikationen in Fachzeitschriften mit Peer-Review-Verfahren zeugen von der hochkarätigen Qualifizierung an den beiden Spitzen-Universitäten.
„Alle Doktorand:innen und Postdocs an der Universität Hohenheim haben mindestens eine:n Tandem-Partner:in an der CAU“, erklärt Prof. Dr. Torsten Müller, Sprecher der deutschen Seite. „In der neuen Förderperiode wird die dritte Gruppe starten, die gegenüber den ersten beiden um jeweils ein:e zusätzlich:e Doktorand:in aus Deutschland und China erweitert wird.“ Mit diesen beiden wird auch ein neues Thema das Graduiertenkolleg bereichern: Sie werden zusätzlich die marktwirtschaftliche Ebene beleuchten.
Weltweite Phosphat-Knappheit gefährdet Ernährungssicherheit
Durch den Ukraine-Krieg hat das Thema zusätzliche Bedeutung erlangt. „Der Krieg lässt Düngemittel knapp und teuer werden. Die globale Ernährungssicherheit ist mehr denn je gefährdet“, gibt Prof. Dr. Müller zu bedenken. „Zudem sind die Phosphat-Lagerstätten begrenzt, so dass sich ohnehin die Preise für diese immer knapper werdende Ressource in den kommenden Jahrzehnten massiv erhöhen könnten.“
China setzt derzeit noch auf Abbaugebiete im eigenen Land. Doch diese werden in rund 35 Jahren erschöpft sein. „Auch daraus ergeben sich Folgen für den Weltmarkt. Wenn die chinesische Landwirtschaft künftig dort ihren Phosphatbedarf deckt, wird auch das die Preise in die Höhe treiben.“
Einerseits ist Phosphor als knappes, aber essenzielles Nährelement unersetzlich. Andererseits kommt es in Gebieten mit hoher Viehdichte häufig zu Umweltproblemen, weil dort über Wirtschaftsdünger, vor allem Gülle, zu viel Phosphat auf den Feldern ausgebracht wird. AMAIZE-P sucht am Beispiel von Maisanbausystemen nach Lösungsansätzen für dieses komplexe globale Problem. Das Ziel: Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Sinn der Bioökonomie.
„Die parallele Forschung in Deutschland und China ergänzt sich hervorragend“, erläutert Prof. Dr. Müller den Ansatz. „In Deutschland dominieren größere Betriebe, die chinesische Landwirtschaft ist nach wie vor weitgehend kleinbäuerlich geprägt. Auch die klimatischen Bedingungen beider Länder unterscheiden sich stark. Dadurch können wir gemeinsam fast alle Produktionssysteme abdecken, die weltweit eine Rolle spielen.“
Strategien für eine effizientere Phosphat-Nutzung
In Feldversuchen vergleichen die Forschenden unterschiedliche Düngungsstrategien und Fruchtfolgen in ihrer Wirkung auf die Phosphat-Verfügbarkeit im Boden. „Bereits jetzt können wir beispielsweise festhalten, dass Recycling-Phosphat-Dünger in der Lage ist, mineralischen Phosphat-Dünger zu ersetzen“, umreißt Prof. Dr. Müller die Zwischenergebnisse. „Außerdem untersuchen wir zur Zeit, ob Hülsenfrüchte in der Fruchtfolge oder beim gleichzeitigen Anbau im selben Feld die Phosphat-Verfügbarkeit für Mais erhöhen.“
Genetische Aspekte haben die Forschenden ebenfalls im Visier: So fanden sich genetische Unterschiede bei der Phosphat-Nutzungseffizienz in modernen und traditionellen Maissorten. Das kann künftig als Grundlage für die Züchtung neuer Maissorten dienen, die den Nährstoff effizienter nutzen können.
Auch mittels Drohnenflügen und dreidimensionaler Simulation von Maispflanzen ermitteln die Forschenden den genauen Nährstoff-Bedarf in einzelnen Teilflächen, um den Dünger gezielt nur dort auszubringen, wo er wirklich benötigt wird.
Kreislaufwirtschaft schont Ressourcen
Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft haben die Forschenden auch den weiteren Weg des Phosphats im Blick: Sie untersuchen, wie sich der Phytat-Gehalt, die wichtigste pflanzliche Phosphor-Speicherform, in Mais und damit im Futter auf Masthähnchen und Schweine auswirkt. „Dabei spielt insbesondere das Zusammenspiel der Mikroorganismen im Verdauungstrakt der Tiere eine Rolle“, berichtet Prof. Dr. Müller.
Um den Kreis zu schließen, werden auch Abfall- und Reststoffe neu bewertet: „Phosphorhaltige Biomasse kann über ein technisches Verfahren, die sogenannte hydrothermale Konversion (HTC), umgewandelt werden“, beschreibt der Sprecher des Graduiertenkollegs. In einer Pilotanlage, einer Bioraffinerie auf der Schwäbischen Alb, entstehen zum einen neue Kohlenstoff-Materialien z.B. für Elektroden. Zum anderen wird an der Rückgewinnung des Phosphors als Mineraldünger Struvit gearbeitet, der wiederum im Pflanzenbau eingesetzt werden kann.
Ziel: Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft
Letztendlich möchten die Forschenden Handlungsempfehlungen für Politik und landwirtschaftliche Praxis zum effizienten Umgang mit Phosphat ableiten. „Dafür simulieren wir, wie sich eine Verknappung von Phosphat auf die Agrar- und Nahrungsmittelmärkte auswirkt“, erläutert Prof. Dr. Müller. „So können wir abschätzen, welche Folgen dies für die globale Ernährungssicherheit hat.“
Mittels Modellierung unterschiedlicher Zukunftsszenarien vergleichen sie die Effizienz des Einsatzes von Phosphat-Düngemitteln. Auf diese Weise analysieren sie, wie sich verschiedene Landnutzungssysteme ökonomisch und ökologisch in Deutschland und China auswirken.
HINTERGRUND: DFG-Graduiertenkolleg „Adaptation of maize-based food-feed-energy systems to limited phosphate resources“ AMAIZE-P
Das deutsch-chinesische internationale Graduiertenkolleg AMAIZE-P („Anpassung von Mais-basierten landwirtschaftlichen Produktionssystemen zu Nahrungsmittel-, Futter- und Biomasseerzeugung an begrenzte Phosphatvorräte“, GRK 2366) startete am 1.10.2018. Die zweite Förderperiode beginnt am 1.4.2023 und läuft bis zum 30.9.2027. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Graduiertenkolleg an der Universität Hohenheim mit Fördermitteln in Höhe von insgesamt rund 10,5 Mio. Euro Projektmittel und 2,3 Mio. Euro Programmpauschale über beide Förderperioden (9 Jahre). Die China Agricultural University (CAU) in Peking trägt eine eigene Kofinanzierung zu dem Projekt bei. Homepage: https://amaize-p.uni-hohenheim.de
Sprecher auf chinesischer Seite ist Prof. Dr. Fusuo Zhang von der CAU. Auf deutscher Seite sind folgende Personen und Arbeitsgruppen der Universität Hohenheim in der zweiten Förderperiode beteiligt:
- Sprecher: Prof. Dr. Torsten Müller, Fachgebiet Düngung und Bodenstoffhaushalt
- Stellv. Sprecher: Prof. Dr. Joachim Müller, Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen und Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie
sowie (alphabetisch sortiert):
- Prof. Dr. Enno Bahrs, Fachgebiet Landwirtschaftliche Betriebslehre
- Dr. Kirsten Boysen-Urban, Fachgebiet Internationaler Agrarhandel und Welternährungswirtschaft
- Jun.-Prof. Dr. Amélia Camarinha da Silva, Fachgebiet Mikrobielle Ökologie bei Nutztieren
- Prof. Dr. Jan Frank, Fachgebiet Biofunktionalität der Lebensmittel
- Prof. Dr. Simone Graeff-Hönninger, Fachgebiet Pflanzenbau
- Prof. Dr. Andrea Kruse, Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe
- Prof. Dr. Uwe Ludewig, Fachgebiet Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen
- Prof. Dr. Waltraud Schulze, Fachgebiet Systembiologie der Pflanze
- Prof. Dr. Andreas Schweiger, Fachgebiet Pflanzenökologie
- Prof. Dr. Tobias Würschum, Fachgebiet Pflanzenzüchtung
Ferner wirken mit:
- Prof. Dr. Markus Rodehutscord, Fachgebiet Tierernährung
- Dr. Hans Oechsner, Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie
und weitere Wissenschaftler:innen aus den entsprechenden Fachgebieten.
HINTERGRUND: China Agricultural University (CAU)
Die China Agricultural University (CAU) in Peking ist im Bereich Agrarwissenschaften die führende Universität in Asien und in weltweiten Rankings immer unter den Erstplatzierten. Die CAU forscht auf den Gebieten Agrarwirtschaft, Biowissenschaften, Ressourcen, Umwelt, elektronische Datenverarbeitung, Informatik, Agraringenieurwesen, Management und Sozialwissenschaften. Die Universität Hohenheim und die CAU unterhalten eine der ältesten existierenden deutsch-chinesischen Universitätspartnerschaften – seit 1979.
HINTERGRUND: Bioökonomie an der Universität Hohenheim
Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim in Forschung und Lehre – übergreifend über alle drei Fakultäten. Um diesen Schwerpunkt strategisch weiterzuentwickeln, hat die Universität Hohenheim die Chief Bioeconomy Officer (CBO) berufen. Das Thema gezielt und nachhaltig an der Universität umzusetzen, ist Aufgabe des Forschungszentrums für Bioökonomie.
International vernetzt ist die Universität Hohenheim unter anderem über die European Bioeconomy University (EBU), in der sie sich mit fünf anderen in der Bioökonomie führenden Universitäten Europas zusammengeschlossen hat. Landesweit setzt die Universität Hohenheim im Forschungsprogramm Bioökonomie Baden-Württemberg wichtige Akzente, dessen Geschäftsstelle an der Universität Hohenheim angesiedelt ist.
Der Umbau der Wirtschaft zur Bioökonomie erfordert vor allem aber auch eine neue Generation von Fachkräften. Die Universität Hohenheim sieht es deshalb als gesellschaftliche Aufgabe, ihre Expertise in spezifischen Bachelor- und Master-Studiengängen an Studierende und an Promovierende zu vermitteln. Mehr Infos: biooekonomie.uni-hohenheim.de