Ein Kaffee mit… Andreas Janßen

E-Books erobern Bibliothek  [24.08.16]

Dr. Andreas Janßen leitet die Abteilung Medienbearbeitung des KIM.

Langsam, aber stetig, vollzieht sich in der Bibliothek des KIM ein Medienwandel: Jedes Jahr stehen mehr E-Books zur Verfügung und auch die Nachfrage seitens der Uniangehörigen wächst. Warum das gedruckte Buch dennoch auf absehbare Zeit kein Auslaufmodell ist – und was Nutzer laut einer aktuellen Umfrage über das E-Book-Angebot in Hohenheim denken, berichtet Dr. Andreas Janßen, Leiter der Abteilung Medienbearbeitung des KIM, beim Kaffee mit dem Online-Kurier.

 

 

Herr Janßen, welche Rolle spielen E-Books im Angebot des KIM?

Die ersten E-Books haben wir vor rund 10 Jahren angeschafft. Seitdem haben die wissenschaftlichen Verlage ihr Angebot stetig ausgebaut. Und auch die Nachfrage seitens der Bibliotheksnutzer ist kontinuierlich gestiegen.

Inzwischen haben wir E-Books für die meisten Fachbereiche im Angebot. Insgesamt sind rund 20.000 Titel für den campusweiten Zugriff lizenziert. Hinzu kommen weitere E-Books, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Nationallizenzen gekauft wurden.

Wir bekommen in den letzten Jahren auch immer mehr Anschaffungsvorschläge von Uniangehörigen, die sich konkret auf elektronische Ausgaben beziehen.

Die Gründe für die Beliebtheit liegen auf der Hand: E-Books können auf beliebigen Endgeräten ortsunabhängig von überall aus genutzt werden, z.B. auch aus dem Ausland. Und sie sind unmittelbar verfügbar.

Aktuelle Umfrage des KIM


 

An einer Umfrage zum E-Book-Angebot des KIM (Wintersemester 2015/2016)  beteiligten sich 1090 Uniangehörige. Die Ergebnisse liegen nun vor.

Zu den Umfrageergebnissen..

Außerdem schaffen sie Platz in den Regalen des KIM! Werden E-Books den gedruckten Büchern in absehbarer Zeit den Rang ablaufen?

Rein aus Platzgründen betrachtet wäre die Vorstellung vielleicht verlockend, um Lesesaalbereiche beispielsweise in Lernplätze umzuwandeln. Es gibt tatsächlich manche älteren Bestände, die in unseren Regalen eher ein Schattendasein fristen, aber von grundlegender fachlicher Bedeutung sind und somit erhalten bleiben sollten.

Dennoch ist das Zeitalter des gedruckten Buches wohl noch lange nicht abgelaufen. Denn Nutzer nehmen E-Books sehr unterschiedlich wahr. Viele bevorzugen nach wie vor die gedruckte Ausgabe, z. B. weil sie das Lesen am Bildschirm als unangenehm empfinden. Das gilt besonders im Lehrbuchbereich.

Andere Faktoren sind allerdings mindestens genauso ausschlaggebend: Es gibt noch längst nicht jedes gedruckte Buch als E-Book und E-Books sind sehr, sehr teuer!

Wenn ich im Internet E-Books kaufe, gibt es preislich meistens keinen großen Unterschied zur gedruckten Ausgabe…

Das ist richtig. Allerdings gelten für uns als Universität eben nicht dieselben Bedingungen wie für Sie als Privatperson.

Die Bezugsbedingungen sind teilweise komplett unterschiedlich und recht komplex. Es gibt beispielsweise Kauf- und Lizenzmodelle mit den unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten. Und noch lange nicht jedes Buch kann man als Universitätseinrichtung kaufen. Das führt immer wieder zu Verwirrungen.

Für öffentliche Einrichtungen richtet sich der Preis für einen Kauf oder eine Lizenz in erster Linie nach der möglichen Anzahl an Personen, die gleichzeitig auf das PDF zugreifen können.

Die Verlage sind teilweise jedoch sehr zurückhaltend, ob sie einzelne E-Books überhaupt für Institutionen anbieten. Denn statt 50 gebundener Ausgaben eines Standard-Lehrbuchs würde uns möglicherweise ein einziges E-Book im Bibliotheksbestand ausreichen.

Können Sie zu den Anschaffungskosten ein paar konkrete Zahlen nennen?

Grundsätzlich sind E-Books immer teurer als die gedruckte Ausgabe. Das liegt allein schon am unterschiedlichen Mehrwertsteuersatz. Die elektronische Ausgabe wird 19%, das gedruckte Buch mit 7% besteuert.

Die Preisgestaltung der Verlage ist teilweise ähnlich abenteuerlich wie die Vielfalt an Geschäftsmodellen für den Bezug. Für ein E-Book, auf das 3 User parallel zugreifen können, zahlen wir im Durschnitt ca. 260 €. Am teuersten sind Campus-Lizenzen mit unbegrenzten Zugriffsrechten.

Lehrbücher sind für uns oft noch unerschwinglich. Ein Paket von 10 Lehrbüchern eines bedeutenden Wissenschaftsverlages soll beispielsweise 40.000 € kosten. Da wir ohnehin jeden Euro zweimal umdrehen müssen, überlegen wir uns eine solche Anschaffung natürlich sehr gründlich.

Ein weiteres Problem: Manche Verlage bieten Institutionen gar keine einzelnen E-Books an, sondern lediglich große Pakete im Umfang von mehreren hundert bis hin zu 1.000–2.000 Titeln. Preislich liegen diese z.B. bei 25.000 €.

Auf das einzelne Buch heruntergerechnet mag das nicht übertrieben teuer erscheinen. Allerdings sind für uns oftmals nur 5-10% der Titel eines solchen Pakets tatsächlich interessant. Den Rest würde man nicht zwingend im Bestand haben wollen.

Eine etwas andere Strategie verfolgt ein weiterer Verlag: Er bietet sein komplettes Lehrbuch-Portfolio zu einem vergleichsweise moderaten Preis als E-Book-Variante an. Die Zugriffsrechte sind zwar campusweit unbegrenzt, dafür dürfen die PDFs nicht komplett heruntergeladen oder vollständig ausgedruckt werden. Für viele Nutzer sind jedoch genau diese Funktionen elementar.

Allgemein haben wir den Eindruck, dass vielen Bibliotheksnutzern die hohen Kosten der E-Books nicht bewusst sind. Es kommt mitunter sogar vor, dass sie gar nicht als kostenpflichtiges Angebot der Uni Hohenheim wahrgenommen werden.

Wie das?

Studierende und Wissenschaftler nutzen für die Literatur-Recherche nicht ausschließlich unseren Bibliothekskatalog, sondern auch Google oder externe Datenbanken.

Sofern sie sich vom Campus-Netz aus einloggen, können sie unsere E-Books dann auch direkt von den Verlags-Homepages wie beispielsweise Springer Link oder ScienceDirect (Elsevier-Verlag) aus öffnen.

Das System erkennt, dass für Hohenheim eine Lizenz existiert und der Weg zum PDF ist frei. Dies wird oftmals über die IP-Adresse oder via Shibboleth-Authentifizierung im Hintergrund geprüft.

Wer ein PDF auf diesem Weg findet, erkennt nicht automatisch, dass es Teil des KIM-Bestands und eigentlich kostenpflichtig ist. Neulich lobte ein Student die Großzügigkeit eines Verlags, der alle Lehrbücher „kostenlos“ als E-Books auf seiner Homepage zur Verfügung stellen würde… Da mussten wir schon sehr schmunzeln.

Umgekehrt gibt es immer wieder Verwirrung, wenn E-Books, die man eben vom Campus aus aufgerufen hat, zu Hause plötzlich nicht mehr verfügbar sind, da man mit dem privaten Rechner unterwegs ist und sich nicht via VPN ins Internet eingeloggt hat.

Sie haben unter den Bibliotheksnutzern eine aktuelle Umfrage zum Thema E-Books durchgeführt. Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse?

Mehr als die Hälfte der Befragten sieht beim E-Book-Angebot des KIM noch Luft nach oben.

Insbesondere gewünscht sind deutschsprachige Grundlagenliteratur, also vor allem Lehrbücher, und fremdsprachige Forschungsliteratur. Nachlagewerke werden im Vergleich dazu weniger stark als E-Books nachgefragt.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der gestiegenen Zahl an Anschaffungsvorschlägen in den letzten Jahren. Auch wenn wir nicht alle Erwartungen erfüllen können, ist die Umfrage für uns eine gute Grundlage, um unser Angebot weiter an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen.

Ein anderer Punkt der Umfrage hat uns hingegen tatsächlich überrascht: Knapp zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie das E-Book-Angebot des KIM nicht oder nur kaum kennen.

Dieser Wert zieht sich durch alle Statusgruppen von den Studierenden bis zur Professorenschaft. Überdurchschnittlich bekannt sind die E-Books lediglich in der Fakultät WiSo. Hier gab mehr als die Hälfte der Befragten an, mit dem Angebot vertraut zu sein.

Als Konsequenz wollen wir unsere Website zum Thema E-Books besser platzieren und unser Informationsangebot allgemein ausweiten. Beispielsweise planen wir eine kleine Artikel-Serie zu verschiedenen Aspekten rund um unser E-Book-Angebot.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair

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