Schwergewichte der Forschung

Gesunde Graslandböden für mehr Artenvielfalt  [18.04.17]

Wiese oder Acker? Wirtschaftlich rentabler ist der Acker, doch Grasländer sind wichtig für Boden- und Klimaschutz. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Untermann

Grün ist nicht gleich gesund: Das gilt für Wiesen und Weiden von Schweden bis Portugal. Die landwirtschaftlich, ökologisch und kulturell bedeutsamen Grasflächen werden oft zu intensiv bewirtschaftet. Die Folge: schwindende Artenvielfalt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa arbeiten jetzt gegen diesen Trend. Unter Leitung des Hohenheimer Hans-Ruthenberg-Instituts analysieren sie Graslandböden vom Norden Schwedens bis auf die portugiesischen Azoren. Die Ergebnisse sollen die Ökologieforschung voranbringen und Empfehlungen für Politik und Landwirtschaft ermöglichen.


Sattgrüne Wiesen und Weiden mit glücklich grasenden Kühen: Dieses Bild lockt zahlreiche Touristen in Regionen wie das Allgäu und die Alpen. Doch hinter der Idylle verbirgt sich ein Problem, erklärt PD Dr. Frank Rasche, Agrarökologe des Hans-Ruthenberg-Instituts: „Je grüner eine Wiese, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie intensiv gedüngt wird. Das führt aber dazu, dass die Artenvielfalt auf und im Boden zurückgeht.“

Die zu erhalten hat sich die europäische Kommission auf die Fahne geschrieben. Die Grasländer könnten dabei eine wichtige Rolle spielen: Sie machen 35 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Europa aus und werden vor allem für die Viehhaltung genutzt. Wiesen- und Weideflächen erfüllen dabei wichtige ökologische Funktionen in Agrarlandschaften, zum Beispiel im Bereich des Boden- und Klimaschutzes. Hierzu zählt beispielsweise die Speicherung großer Mengen an Kohlenstoff und Nährstoffen im Boden.

Doch die Grasländer in Europa sind bedroht, ihre Fläche schrumpft seit vielen Jahren beständig. Projektleiter Rasche sieht hier vor allem wirtschaftliche Gründe: „Es herrscht ein wachsender Druck auf Landwirte, Grasland zum Beispiel für Ackerbau zu nutzen, weil sich das wirtschaftlich mehr lohnt. Die Produktion nachwachsender Rohstoffe wie Mais ist zunehmend eine lukrative Alternative.“

Zum Projekt

Am Projekt BIOINVENT sind neben Hohenheim die Unis von Lissabon und den Azoren, die Schwedische Universität für Agrarwissenschaften (SLU), Agroscope in Zürich und die Regionalentwicklung Oberallgäu in Immenstadt beteiligt. Die DFG sowie Mittelgeber der Partnerländer fördern es mit insgesamt 1,65 Millionen Euro, von denen die Uni Hohenheim knapp eine halbe Million Euro erhält.


Mehr Artenvielfalt ohne wirtschaftliche Einbußen

Um dem Pflanzenbestand ein schnelles Wachstum zu ermöglichen, müssen die Bäuerinnen und Bauern nicht selten Dünger und Pflanzenschutzmittel auf den Wiesen und Weiden ausbringen. Das wiederum verringert die Vielfalt und Zahl der dort heimischen Pflanzenarten mit unabsehbaren Folgen für das mikrobielle Bodenleben.

Gemeinsam mit einem Forschungsteam aus Europa will Rasche hier Alternativen zeigen. Seine Idee: „Es muss möglich sein, durch die Aussaat möglichst vielfältiger und standortangepasster Pflanzen zu erreichen, dass eine gesunde Wechselwirkung zwischen Pflanzen und Boden stattfindet. So ist der Nährstoffhaushalt ausbalanciert, der Boden ist gesund, Bodenleben und Artenvielfalt werden gefördert, und die Fläche kann weiterhin wirtschaftlich für Viehhaltung genutzt werden – und das am besten ganz ohne chemische Hilfsmittel.“


Gesunden Boden messbar machen

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Rasche und sein Team zuerst einmal wissen, was überhaupt einen gesunden Boden ausmacht und welche Pflanzen die mikrobielle Artenvielfalt im Boden fördern. Dazu nehmen sie an Standorten in Schweden, Deutschland, der Schweiz, Portugal und auf den Azoren Bodenproben von Wiesen und Weiden. Alle Teammitglieder untersuchen dann die Proben mit Blick auf verschiedene bodenökologische Aspekte.

Sowohl die Probenentnahme als auch die verschiedenen Mess- und Analysevorgänge werden in allen Partnerländern genau abgestimmt und dokumentiert. Daraus soll ein Handbuch entstehen, an dem sich Forschungseinrichtungen in ganz Europa orientieren können, um den Stand der Artenvielfalt von Pflanzen und Bodenmikroorganismen in Grasländern in Zukunft zu beobachten.

„Natürlich berücksichtigen wir dabei auch die verschiedenen Klima- und Bodenbedingungen Europas“, so Rasche. Je nach agrarökologischer Zone kommen sehr unterschiedliche Pflanzenarten in den Grasländern vor, mit entsprechenden Auswirkungen auf die bodenmikrobielle Vielfalt. „Wir stellen diese Faktoren in Zusammenhang mit der Bewirtschaftungsweise und fragen: Welchen Effekt hat eine intensive, welchen eine nachhaltige Bewirtschaftung?“ Zum Schutz der Artenvielfalt in Grasländern soll Letztere auf europäischer Ebene besonders gefördert werden.


Internationale wissenschaftliche Kompetenz ausweiten

In dem europäischen Team kämen ganz unterschiedliche Kompetenzen zusammen, so Rasche: „In Hohenheim beschäftigen wir uns mit der Bedeutung und dem Vorkommen bestimmter Bakterien und Pilze im Boden für den Stickstoff- und Phosphorkreislauf. Unsere Partner in Schweden erfassen vor allem bodenchemischen Eigenschaften, in der Schweiz wird die mikrobielle Artenvielfalt mit molekularbiologischen Methoden untersucht, in Portugal geht es besonders um die Aktivität von mikrobiellen Bodenenzymen und auf den Azoren wertet ein Biostatistiker die Daten aus.“


Empfehlungen für Politik, Landwirtschaft und Bioökonomie geben


Bei dem Projekt handle es sich zwar um Grundlagenforschung, das dabei entstandene Wissen soll jedoch der Politik auf nationaler und europäischer Ebene als Entscheidungsgrundlage dienen. Neben den entsprechenden politischen Rahmenbedingungen soll das Projekt zudem wirtschaftliche Anreize aufzeigen, die Grasländer zu erhalten.

Aus den Messergebnissen, so Rasche, ließen sich dann auch konkrete Empfehlungen für die Landwirtschaft ableiten. „Wir wollen den Landwirten zeigen: Wenn ihr etwas für die Artenvielfalt tut, hat das auch positive Auswirkungen auf euren Boden.“

Schwergewichte der Forschung

Als Schwergewichte der Forschung gelten an der Uni Hohenheim Forschungsprojekte ab 250.000 Euro Fördersumme für apparative Forschung bzw. 125.000 Euro für nicht-apparative Forschung.


Langfristig könnte von den Ergebnissen des Projektes auch die Bioökonomie profitieren. „So könnte man zum Beispiel aufgrund unserer Erkenntnisse Saatgutmischungen für Grasländer oder biologische Düngemittel entwickeln und vermarkten, die dem Erhalt nachhaltig bewirtschafteter Grasländer dienlich sind.“


Regionale Kultur und Zusammenarbeit fördern


In einigen Gegenden Europas prägen Grasländer nicht nur die Landschaft, sondern gehören auch zur regionalen Kultur, wie anmerkt: „Das sehen wir zum Beispiel in Süddeutschland und den Alpen, wo die Böden nicht fruchtbar genug für den Pflanzenbau sind.“ Beispiele seien die Kuhweiden im Allgäu und den Schweizer Alpen.

„Diese regionalen Prägungen gilt es zu schützen und zu nutzen, und zwar ohne dabei die Natur übermäßig zu belasten.“ Auch dazu solle das Projekt beitragen, so der Agrarökologe. Historisch gewachsene Nutzungen von Grasländern hätten zudem oft direkten positiven Einfluss auf die Artenvielfalt, zum Beispiel als Lebensraum für Tiere. „Wenn wir die positiven Effekte solcher Nutzungen belegen und bekanntmachen können, haben wir schon viel erreicht.“

Im Februar 2017 fiel der Startschuss; drei Jahre läuft das Projekt. Ab Mai untersucht Rasche Weideflächen im Allgäu. Zusammen mit der Regionalentwicklung Oberallgäu in Immenstadt ruft die Uni Hohenheim deshalb Landwirtinnen und Landwirte in der Region zur Teilnahme auf. „Die Landwirte lassen uns Proben auf ihren Weiden nehmen und bekommen dafür eine detaillierte ökologische Analyse ihres Bodens“, erklärt der Projektleiter die geplante Zusammenarbeit.

Text: Barsch

Mehr zum Thema im Online-Kurier

Artikel zum Thema: Bioökonomie | Forschung