Ein Kaffee mit… Jürgen von Bülow

Vom GZSZ-Autor zum Hohenheimer Theatermacher  [02.09.11]

Mit 15 Theater-Inszenierungen ist Jürgen von Bülow beinahe ein Hohenheimer Urgestein.

Mit Vicco von Bülow, alias Loriot, ist der Leiter der Hohenheimer Theatergruppe nur sehr weitläufig verwandt. Wie Jürgen von Bülow, der schon als Drehbuchautor für den Tigerentenclub oder GZSZ und als Regieassistent am Stuttgarter Staatstheater gearbeitet hat, in Hohenheim gestrandet ist, erzählt er beim Kaffee mit dem Online-Kurier.

Herr von Bülow, Sie haben einen interessanten Namen. Sind Sie etwa mit dem jüngst verstorbenen Vicco von Bülow, alias Loriot, verwandt?

Naja, ganz weitläufig. Ich habe Loriot zwar auf einem unserer Familientage kennengelernt, aber nahe Verwandte sind wir nicht. Wir teilen uns allerdings das Familien-Wappentier, den Pirol – französisch: loriot – der ihn zu seinem Künstlernamen inspiriert hat.

Die von Bülows leben seit 800 Jahren wie Großbauern auf riesigen Gütern im heutigen Polen. Das Leben auf dem Land war früher sehr auf die Familie und die Nachbarn konzentriert, niemand konnte lesen oder schreiben. Deshalb war das Geschichtenerzählen schon damals Gang und Gäbe. Vielleicht liegt die Begeisterung dafür seither in der Familie.

Sie waren Regieassistent am Stuttgarter Staatstheater und Drehbuchautor für Serien wie GZSZ, Marienhof und den Tigerenten Club. Was hat Sie dazu gebracht, das aufzugeben und nach Hohenheim zu kommen?

Vom Staatstheater bin ich auf Umwegen zum Fernsehen gekommen und hab vor allem ganz lange für den Tigerenten Club gearbeitet. Das war super, ich hab auch viel konstruktive Kritik von den Redakteuren bekommen. Marienhof und GZSZ waren mir zu große Betriebe. Am Drehbuch wird am leichtesten und schnellsten etwas gestrichen oder verändert. Außerdem ist man immer davon abhängig, ob das Drehbuch auch filmisch umgesetzt werden kann und ob die Moderatoren es richtig rüberbringen.

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"Gerüchte... Gerüchte...", das letzte Stück der Uni-Theatergruppe, war gut besucht.

Die Arbeit mit einer Theatergruppe ist persönlicher und erlaubt mehr Gestaltungsspielraum. Daneben bin ich heute als Buchautor tätig. Auch hier bin ich mein eigener Herr. In meiner Reihe „Ich bin’s, Nika!“ kann ich eine ganz eigene Welt erschaffen und bin selbst für alles verantwortlich.

Was reizt Sie besonders an der Arbeit mit Theater-Laien?

Man sollte Leute im Amateurbereich auf keinen Fall unterschätzen! Sie spielen mit viel Leidenschaft und opfern ihre gesamte Freizeit für das Hobby. Gerade in Baden-Württemberg sind Amateur-Theatergruppen ein großer und wichtiger gesellschaftlicher Bereich.

Auch meine Hohenheimer Gruppe hat ein sehr hohes Niveau. Das letzte Stück, „Gerüchte… Gerüchte…“, war ein voller Erfolg. Wir planen deshalb im nächsten Jahr mehr als viermal im großen Euroforum aufzutreten. Die Mitglieder spielen mit viel Begeisterung und haben schon einiges an Erfahrung gesammelt.

Viel Erfahrung trotz der sehr befristeten Zeit, die die Bachelor-Studenten an der Uni verbringen?

Tja, das ist durchaus ein Problem. Viele Schauspieler bleiben nicht lange genug, als dass man sie richtig gut kennenlernen könnte. Wenn man die Stärken und Schwächen seiner Schauspieler nicht kennt, steht die Zusammenarbeit auf wackligen Beinen. Allerdings gibt es auch einen Stamm von Leuten, die seit Jahren dabei sind und auch nach dem Bachelor noch Teil des Teams geblieben sind.

Erfahrung sammelt man allerdings nicht nur durch eine Rolle auf der Bühne. Auch Studenten, die gerne hinter der Bühne arbeiten, sich um den Probenplan oder das Szenenbild kümmern möchten, sind herzlich willkommen. Außerdem lernen die Mitglieder der Theatergruppe auch durch die Workshops des Amateurtheaterverbands mehr über Sprache, Bewegung oder Regie.

Klingt gut. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich Theater-Neulinge beim Einstieg in der eingeschworenen Gruppe schwertun…

Theatergruppe sucht...

  • Schauspieler: Du könntest Dir vorstellen auf der Bühne zu stehen? Du hast vielleicht sogar schon erste Theatererfahrung sammeln können? Dann komm zur Theatergruppe: Anfänger und alte Hasen sind willkommen!
  • Macher hinter den Kulissen: Wer nur Schauspieler hat, der kann kein Theater machen. Denn genauso wichtig sind die fleißigen Helferlein im Hintergrund. Ob Bühnendekoration, Maske, Getränkeverkauf oder Promotion: In der Theatergruppe gibt es immer etwas zu tun.

Kontakt:

Quatsch. Viele kommen zu unseren Proben und sind total begeistert. Ich bin auch immer wieder überrascht, wie schnell Studenten ihre Texte auswendig können, weil sie das Lernen gewohnt sind. Wer Lust hat mitzuwirken ist immer willkommen!
Allerdings muss vorher gesagt sein, dass die Proben sehr zeitintensiv sind und man am Anfang keine zu großen Ansprüche haben sollte. Wer sich für das Theater entscheidet sollte dann auch entschieden mitmachen. Lohnen wird es sich allemal.

Ich garantiere, dass jeder auf der Bühne toll herauskommt. Keiner wird bei uns vorgeführt. Außerdem entwickelt man durch das Theaterspielen auch eine stärkere Persönlichkeit. Man lernt sich selbst kennen und kann seine Stärken mit der Zeit besser einschätzen.

Bei so vielen starken Persönlichkeiten muss es doch manchmal auch Krisen geben, oder?

(lacht)

Ja, ich muss zugeben, die Theaterproben verlaufen manchmal schon fast erschreckend harmonisch. Eigentlich gibt es bei jedem Stück nur zwei schwierige Momente.

Das ist für mich zum einen der grauenhafte Moment des Castings. Hier muss ich oft gute Schauspieler enttäuschen, weil sie trotz guter Leistung einfach nicht zu den Charakteren im Theaterstück passen. Ein Problem ist auch, dass meist mehr männliche als weibliche Rollen vorkommen. Für das Theaterspielen interessieren sich im Durchschnitt allerdings mehr Studentinnen.

Ein weiterer schwarzer Moment stellt sich meist ein, wenn die einzelnen Szenen das erste Mal zusammen gesetzt werden. Am Anfang ist es wie eine Sucht, es stellen sich schnell kleine Erfolge ein. Doch wenn dann kurze Stücke aneinander gereiht werden passt es oft doch nicht auf Anhieb, wie es sich die Gruppe vorgestellt hat.

Wie bei jeder künstlerischen Arbeit weiß man vorher nicht, was hinten dabei herauskommt. Ein Stück wandelt sich im Verlauf der Proben. Bewegungen, Gesten, Orte werden verändert und rücken alles in ein anderes Licht.  Doch am Ende stellt sich jedes Mal wieder der einzigartige Moment ein, wo ich den Schauspielern gar nicht mehr zuhören muss und allein durch die gut gespielten Szenen verstehe, was sie ausdrücken wollen.

Vielleicht haben jetzt ja einige Hohenheimer Studis Lust bekommen. Wann ist denn die perfekte Zeit für den Neueinstieg?

Im Oktober, zum Beginn des Wintersemesters. Da beginnen wir dann mit den Proben zu unserem nächsten Stück. Wir treffen uns immer Montagabends von 19 bis 22 Uhr. Jeder, der Interesse am Theater hat, ist gern gesehen. Ob als Schauspieler, Techniker oder Helfer hinter der Bühne.

Wissen Sie denn schon, was Sie als nächstes aufführen werden?

Nein, das steht noch nicht fest. Derzeit lese ich mit ein paar engagierten Studenten Stücke, um zu einer Entscheidung zu kommen.

Vielen Dank, für das Gespräch. Wir werden berichten!

Interview: Tatjana Fichtner

"Gerüchte... Gerüchte..." - Impressionen von Premiere

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