Die nationale Identität der Deutschen
- Status
- abgeschlossen
- Projektbeginn
- 01.07.2007
- Projektende
- 01.05.2013
Vielleicht hätte man es ahnen können. Schließlich war der 4. Juli 1954 - der Tag, an dem Deutschland zum ersten Mal Fußballweltmeister wurde - eine Art "inoffizielle" Geburtsstunde der Bundesrepublik. Dass die Begeisterung bei der Fußball-WM 2006 aber den Großteil der Bevölkerung ergriff, das war nicht vorauszusehen. Fast das ganze Land war schwarz-rot-golden geschmückt. Millionen Menschen stimmten zugleich das Deutschlandlied an, „ihre“ Hymne, bevor sie - die Handflächen schweißnass vor Aufregung - mitfieberten gegen Schweden, Argentinien, Italien. Am Ende reichte es nur für den dritten Platz. Die Deutschen brachen dennoch in kollektiven Jubel aus und feierten "ihre" Mannschaft als "Weltmeister der Herzen".
Was bringt die Menschen heute, in einer modernen und freiheitlichen Demokratie, dazu sich zu uniformieren - Trikot, Flagge, schwarz-rot-goldenes Emblem auf Wange und Stirn -, gemeinsam mit unzähligen Fremden zu singen und schließlich ein Gefühl des Stolzes auf eine von anderen erbrachte Leistung zu entwickeln? Warum identifizieren sich die Deutschen mit ihrer Mannschaft, ihrer Hymne, letztlich: ihrer Nation? Woher rührt eigentlich die - plötzliche? - emotionale Verbundenheit mit dem Vaterland?
Doch bereits ein Jahr später war von dem neuen Nationalgefühl der Deutschen nur noch wenig zu sehen. Die vielen kleinen und großen Flaggen an Autos und Balkonen - alles nur ein Strohfeuer? Gibt es einen besseren Beleg für die These vom „Party-Patriotismus“ der Deutschen?
Forschungsfragen
Im Auftrag der Düsseldorfer Identity Foundation wendet sich unser Forschungsprojekt zwei grundlegenden Fragen zu:
1. Wie stehen die Deutschen heute zu ihrer Nation?
Das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Nation war schon immer ein schwieriges. Aber welche Bedeutung hat die nationale Identität heute für die Deutschen? Worin drückt sich die vielbeschriebene „Entkrampfung“ der Deutschen im Umgang mit ihrer Nationalität in den letzten zwei Jahrzehnten aus?
2. Und was ist eigentlich das Deutsche an den Deutschen?
Was macht unsere nationale Identität denn eigentlich aus? Was unterscheidet die Deutschen von Schweden, Argentiniern und Italienern?
Das Forschungsprojekt soll einen Beitrag dazu leisten, die Quellen der deutschen Identität aufzudecken und sie in der Vielfalt ihrer Facetten und Ausprägungen abzubilden.
Das Deutsch-Sein in mehreren Schritten erkunden
In einem ersten Schritt begleiteten wir eine qualitative Studie zum „Deutsch-Sein im Alltag“. In 70 Tiefeninterviews wurden Gemeinsamkeiten und Brüche in der nationalen Identität der Deutschen freigelegt. Die Studie kommt zu einem interessanten Ergebnis: Den Deutschen ist weder klar, was genau ihre nationale Identität eigentlich sein könnte, noch ist sie ihnen besonders wichtig. Aber die wissenschaftliche Vogelperspektive auf die Interviews zeigt auch: Es gibt sie eben doch, die Übereinstimmungen in grundlegenden Orientierungen und Werthaltungen, die eine gemeinsame Identität ausmachen! Nur sind sich die Deutschen dieser Identität nicht bewusst.
Die zweite Projektphase (Herbst 2008 bis Frühjahr 2009) umfasste zwei repräsentative Umfragen in der deutschen Wohnbevölkerung. In zwei Wellen wurden insgesamt 3.000 Deutsche von der GfK Marktforschung Nürnberg über ihr Verhältnis zu Deutschland befragt. Die Studie thematisierte u.a.
- die Stärke der Verbundenheit sowie den Stolz auf die Nation,
- die Quellen der Verbundenheit,
- das Verhältnis der Deutschen zur Geschichte des Landes,
- Einschätzungen über die zukünftigen Herausforderungen des Nationalstaates,
- Bereitschaft zum Engagement und Verpflichtungsempfinden sowie
- verschiedene Facetten nationaler Identifikation wie die Bedeutung von Rollenvorbildern, die Nation im Spannungsfeld von Globalisierung und Regionalisierung und die Wahrnehmung von Solidaritätsgedanken in der Bevölkerung.
Das Studiendesign ist in der Vielfalt der thematisierten Identitätsfacetten bisher einzigartig. Erste Ergebnisse der Studie wurden von der Identity Foundation im Rahmen einer Pressekonferenz im April 2009 veröffentlicht. Diese Ergebnisse wurden im Projektbericht "Deutsch Sein - Ein neuer Stolz auf die Nation im Einklang mit dem Herzen" zusammengefasst. Weitere Publikationen zu den Studienergebnissen sind in Vorbereitung.