Er setzt sich für sichere Lebensmittel ein  [08.05.24]

Fettrückstände an steinzeitlichen Scherben, die Aufschluss über die Essgewohnheiten der damaligen Menschen geben – das ist einer der eher ungewöhnlichen Aspekte der Forschung von Prof. Dr. Simon Hammann. In der Regel geht es ihm vor allem um die Lebensmittelqualität und um die Sicherheit der Produkte – kurz: um Verbraucherschutz. Und dabei beschränkt er sich nicht ausschließlich auf Lebensmittel.


Prof. Dr. Simon Hammann leitet seit 1.3.2024 das Fachgebiet „Lebensmittelchemie und Analytische Chemie“ an der Universität Hohenheim. Er kennt seine neue Wirkungsstätte bereits gut: Auch sein Studium und seine Promotion erfolgten in Hohenheim.


Herr Hammann, „Lebensmittelchemie und Analytische Chemie“ heißt Ihr Fachgebiet – geht es bei Ihnen ausschließlich um Lebensmittel?

Nein, mein Fachgebiet umfasst ein breites Spektrum an Aspekten des Verbraucherschutzes, es geht um Sicherheit für Verbraucher:innen. Dazu gehören Lebensmittel, aber auch Kosmetika, Bedarfsgegenstände oder Tabakwaren.

Das Hauptziel der Lebensmittelchemie ist es, die Sicherheit und Qualität dieser Produkte zu gewährleisten. Um die Qualität der Lebensmittel zu untersuchen analysieren wir oftmals die Inhaltsstoffe wie etwa Fette oder Proteine, also die Makrobestandteile.

Wenn es dagegen um die Sicherheit geht, nehmen wir unerwünschte Stoffe und Kontaminanten ins Visier. Hier kommt die analytische Chemie ins Spiel, die es ermöglicht, selbst Spuren von Stoffen im Pikogramm-Bereich nachzuweisen.

Was fasziniert Sie daran?


Ich war als Schüler schon von der Chemie begeistert, aber sie erschien mir doch recht abstrakt. Die Lebensmittelchemie dagegen, als Teilgebiet der Chemie, ist viel anschaulicher und greifbarer. Wir alle essen, und daher ist der Untersuchungsgegenstand der Lebensmittelchemie im Alltag sehr präsent.

Die Beschäftigung mit der Lebensmittelchemie führt oft in faszinierende „Rabbit Holes“, in die man sich vertiefen kann. Insbesondere beschäftige ich mich mit Lipiden, also Fetten, da sie in jedem lebenden System eine wichtige Rolle als Speicherstoff oder Membranbestandteil spielen. Alles, was wir essen, war einmal Teil eines biologischen Systems, und die Analyse von Lipiden ermöglicht es uns, die Herkunft und Zusammensetzung unserer Nahrung besser zu verstehen.

Wie war denn Ihr Weg bis Hohenheim?


Hohenheim kannte ich bereits, denn ich habe hier studiert und promoviert. Anschließend war ich als Postdoc an der University of Bristol, und danach an der FAU Erlangen-Nürnberg, bevor ich wieder nach Hohenheim kam. Eigentlich habe ich gar keine wissenschaftliche Karriere angestrebt, ich hatte zwischendurch sogar schon mal ein Angebot aus der Industrie auf dem Tisch liegen.

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Aber die Forschung begeistert mich einfach. Ich habe als Student eine Maschine gesehen, die mich fasziniert hat – einen sogenannten Gegenstromverteilungschromatographen. Das ist gewissermaßen eine große Zentrifuge, die sich laut dreht. Ich habe mit dem Doktoranden gesprochen, der daran gearbeitet hat, und das hat mein Interesse an der Forschung geweckt. Letztendlich habe ich mich dann für eine akademische Karriere entschieden, weil ich so die Forschung machen kann, die mich begeistert, ohne mich auf unmittelbar wirtschaftlich relevante Forschung beschränken zu müssen.

Was sind das denn im Augenblick für Forschungsthemen?

Die Lipide habe ich ja schon erwähnt. Fette sind in großer Anzahl in Lebensmitteln enthalten und entscheidend für die Qualität und den Genusswert von Lebensmitteln. Man denke nur an die bekannten Omega-3-Fettsäuren in Fisch. Da erkennen wir einen deutlichen Unterschied zwischen Zuchtlachs und Wildlachs: Der Zuchtlachs wird oftmals mit pflanzlichem Futter wie Soja gefüttert und enthält kaum Omega-3-Fettsäuren, doch der Wildlachs nimmt über die Nahrung deutlich mehr davon auf. Er enthält weniger Fett insgesamt, aber viel mehr Omega-3-Fettsäuren.

Neben solchen Aussagen über die Qualität können wir über Profile von Fettsäuren und anderen Lipiden auch Aussagen über die Authentizität von Lebensmitteln treffen. Das beantwortet zum Beispiel Fragen zur Herkunft von Olivenöl, oder ob es sich bei Milch um Kuh- oder Schafmilch handelt.

Spielen ranzige Fette auch eine Rolle?


Ja, wir sprechen hier von Lipidoxidation. Das kann zu Qualitätsverlust führen und gesundheitlich bedenklich sein. Leinöl etwa wird sehr schnell ranzig. Allerdings ist der Effekt durchaus nicht immer ganz unerwünscht. Der typische Gurkengeruch zum Beispiel entsteht dadurch, dass beim Schneiden eine Lipidoxidation stattfindet. Oder auch die Anwendung von Leinöl-Firnis, bei der die Oxidation zur Aushärtung führt.

Wir untersuchen außerdem auch archäologische Lipidreste an Keramikscherben aus Ausgrabungen…

…wie bitte? An alten Keramikscherben sind noch Lipide zu finden?

Oh ja, Lipide sind im Vergleich zu anderen Biomolekülen ziemlich resistent. Keramik ist porös, darin bleiben Lipide – je nach Bedingungen und um welche Fette es sich handelt – auch 10- bis 20.000 Jahre erhalten. Wir können so feststellen, was die Leute damals gegessen haben: Fleisch, Milch, Getreide...

In meiner Postdoc-Zeit hatten wir ein Paper über die Fette an jungsteinzeitlichen Scherben in Schottland. Wir fanden Rückstände von Milch und Getreide. Die Medien haben daraus den „ältesten Porridge der Welt“ gemacht. Dabei ließ sich gar nicht feststellen, ob beides zusammen gekocht wurde.

Das sind ja vielseitige Themen. Können sich denn Studierende schon daran beteiligen?

Auf jeden Fall. Ich selbst war im Studium für ein Forschungspraktikum und die Abschlussarbeit bei Herrn Vetter, die Zeit war für mich sehr prägend. Insbesondere im Studiengang Lebensmittelchemie bieten wir Abschlussarbeiten und Forschungspraktika an. Von Humboldt reloaded weiß ich natürlich, in dem Rahmen soll es im nächsten Semester auch Projekte geben.

FG Lebensmittelchemie und Analytische Chemie

Seit 1. März 2024 leitet Prof. Dr. Simon Hammann das Fachgebiet. Zuvor wurde es, seit dem Tod des früheren Leiters, Prof. Dr. Michael Granvogl im Jahr 2022, vertretungsweise von PD Dr. Claudia Oellig geleitet. mehr


Was bedeutet für Sie gute Lehre?

Als Dozent ist es mein Ziel, dass meine Studierenden sich am Ende eines Seminars oder einer Vorlesung nicht nur für das Thema interessieren, sondern auch eine Begeisterung für das Thema entwickeln und die Zusammenhänge verstehen. Meine Vorlesungen und Übungen möchte ich daher so anschaulich gestalten, dass die Studierenden die Inhalte auch später am Küchentisch weitergeben können.

Es ist wichtig, sich als Lehrender kontinuierlich mit der Lehre auseinanderzusetzen. Ich habe dazu zwei Zertifikate in Erlangen erworben und finde es eigentlich seltsam, dass man für eine Professur keine spezielle Ausbildung in Hochschuldidaktik absolvieren muss. Denn die Hochschuldidaktik ist von großer Bedeutung. Sie hilft uns dabei, klare Lernziele zu definieren, Prüfungsleistungen abzurufen und die Lehre entsprechend aufzubereiten.

Die Lehre muss man auch immer wieder hinterfragen und anpassen. Wenn ich Sätze höre wie „Ich halte diese Vorlesung seit 20 Jahren, und jetzt auf einmal sollen meine Folien nicht mehr gut sein?“ – nun ja, da weiß man gar nicht, was man dazu sagen soll…

Haben Sie denn auch für die Studierenden einen Tipp fürs Studium?


Ich selber habe noch unter anderen Bedingungen studiert: Abschluss war das Staatexamen, und bei vielen Prüfungen kam nur aufs Bestehen und nicht auf die Note an. Heute ist dieser Druck größer. Dennoch rate ich dazu, auch mal über den Tellerrand zu blicken und auch in andere Fächer jenseits der Lebensmittelchemie Einblick zu nehmen – je nach Interesse.

Eine letzte Frage, Herr Hammann: Was machen Sie denn, wenn Sie nicht arbeiten?

Zum einen bin ich passionierter Leichtathlet und vor Kurzem wieder in meinen alten Verein eingestiegen. Nach einer Daumenverletzung arbeite ich daran, wieder fit zu werden und möchte gerne wieder in Wettkämpfe einsteigen.

Ein weiteres Hobby von mir ist die Naturfotografie, vor allem Vögel nehme ich gerne vor die Linse. Da ist der Park vor der Tür natürlich ganz wunderbar. Außerdem habe ich eine kleine Tochter, mit meiner Familie verbringe ich natürlich auch möglichst viel Zeit.

Wir danken für das Gespräch!

Interview: Elsner / Klebs


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