Nachfragt: Krieg in der Ukraine [01.03.22]
Wie geht es ukrainischen Studierenden an der Uni Hohenheim? Sind Outgoings von den Folgen des Kriegs betroffen? Welche Auswirkungen hat der Angriff der Russischen Föderation für Kooperationen der Uni Hohenheim? Der Online-Kurier hat mit Prof. Dr. Andreas Pyka, Prorektor für Internationalisierung, und Franziska Schenk, Leiterin des Akademischen Auslandsamts, über die aktuelle Lage gesprochen.
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12 Studierende aus der Ukraine studieren derzeit an der Uni Hohenheim. Wissen Sie, wie es Ihnen geht?
Schenk: Da sich die Ereignisse überschlagen, haben wir noch kein vollständiges Bild. Wir gehen aber natürlich davon aus, dass alle in sehr großer Sorge um Angehörige und Freunde sind und sich angesichts der Ereignisse in einem Ausnahmezustand befinden.
Wir wollen für diese Studierenden da sein, nicht nur jetzt im Moment, sondern auch in den kommenden Wochen und Monaten.
Wir haben deshalb alle ukrainischen Studierenden per E-Mail kontaktiert, und konkret gefragt ob und welche sie Hilfe benötigen. Denkbar ist ja z.B., dass Studierenden plötzlich ihre Finanzierung wegbricht oder dass sie kurzfristig ein Urlaubssemester benötigen. Wir wollen in solchen Fällen gemeinsam und unkompliziert nach Lösungen suchen.
Das Ministerium hat heute außerdem angekündigt, dass für Studierende aus der Ukraine sowie Flüchtende, die ein Studium in Baden-Württemberg aufnehmen, keine Belastungen durch Studiengebühren anfallen. Es soll auch geprüft werden, wie ukrainische Wissenschaftler:innen in Baden-Württemberg pragmatisch unterstützt werden können.
Befinden sich eigentlich auch umgekehrt Hohenheimer Studierende oder Forschende im Kriegsgebiet?
Pyka: Uns ist nicht bekannt, dass sich Uni-Angehörige derzeit in der Ukraine aufhalten. Mit ukrainischen Universitäten hat die Uni Hohenheim aktuell keine Austauschprogramme oder laufende wissenschaftliche Kooperationen.
Dennoch fühlen wir uns mit ukrainischen Universitäten sehr verbunden. Beispielsweise sind wir über die ICA (Association for European Life Science Universities) mit der National University of Life and Environmental Sciences und der Dmytro Motornyi Tavria State Agrotechnological University vernetzt. Und wir hatten über das ehemalige Osteuropazentrum in der Vergangenheit auch viele gemeinsame Forschungsprojekte mit ukrainischen Partnern.
Kontakt |
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Alle Uni-Angehörigen, die durch den Krieg in Schwierigkeiten geraten, können sich an das Akademische Auslandsamt wenden: +49 (0)711 459 23972 |
Ihnen allen gilt im Moment unsere ganz besondere Solidarität. Der Angriff von Präsident Putin ist auch ein Angriff auf die Werte, für die wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen. Es ist für uns in dieser Situation selbstverständlich, dass wir seitens der Universität Hohenheim Angebote, Stipendien und Netzwerke für gefährdete Wissenschaftler:innen aktiv unterstützen.
Wie sieht es mit dem Studierendenaustausch auf russischer Seite aus?
Schenk: Wir haben mit vier russischen Universitäten Austauschprogramme. Ein russischer Austauschstudent ist aktuell in Hohenheim und zwei Hohenheimer Studentinnen befinden sich im Moment als Outgoings in Moskau.
Letzteren gilt im Moment unsere besondere Sorge, auch wenn sie dort nicht von kriegerischen Auseinandersetzungen bedroht sind. Denn aufgrund der Flugsperren gestaltet sich eine mögliche Rückkehr nach Deutschland im Moment schwierig. Es ist nicht auszuschließen, dass sie aufgrund der Finanzsanktionen auch Schwierigkeiten bekommen, Geld abzuheben.
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Beide Studentinnen stehen mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt, und auch wir halten seitens der Universität selbstverständlich die Kommunikation aufrecht.
19 Studierende mit russischer Nationalität sind darüber hinaus für ein Vollzeitstudium an der Uni Hohenheim eingeschrieben. Deren Situation dürfte im Moment auch nicht einfach sein.
Pyka: So ist es. Eine Botschaft liegt uns deshalb wirklich am Herzen: Diese Studierenden können absolut nichts für den Krieg, den der russische Präsident gegen die Ukraine führt. Wir dürfen sie jetzt weder vorverurteilen noch ausgrenzen. Gleiches gilt natürlich auch für russischstämmige Beschäftigte.
Wir haben bisher alle auf dem Hohenheimer Campus friedlich zusammen gelernt und gearbeitet, und ich habe keine Zweifel daran, dass dies auch weiterhin möglich ist.
Schenk: Wir hatten schon die erste Nachfrage einer russischen Studentin, ob sie nun exmatrikuliert werde: Die Antwort ist ganz klar nein. Unter Umständen benötigen auch russische Studierende jetzt unsere Unterstützung. Denn auch sie können von Flugsperren und Finanzsanktionen betroffen sein. Die russische Regierung fährt zudem einen harten Kurs gegen alle, die sich kritisch äußern.
Aktuelle Berichterstattung |
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Die Hochschulen legen als Reaktion auf den Angriffskrieg russische Kooperationen auf Eis. Als Vorsitzender des Landesrektorenkonferenz äußert sich dazu auch Uni-Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert. |
Selbstverständlich können sich auch russische Studierende – und auch alle anderen Uni-Angehörigen, unabhängig von ihrer Nationalität – bei uns melden, wenn sie durch den Krieg direkt oder indirekt in Schwierigkeiten geraten bzw. Fragen haben. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist das Welcome Center die erste Anlaufstelle.
Der DAAD hat die Förderung von Aktivitäten mit Russland erst einmal ausgesetzt. Außerdem hat die Allianz der Wissenschaftsorganisationen dazu aufgefordert, wissenschaftliche Kooperation auf Eis zu legen. Was bedeutet das für die Uni Hohenheim?
Schenk: Die Entscheidung des DAAD betrifft künftige Mobilitätsprogramme, nicht jedoch laufende. Natürlich können Aufenthalte auf persönlichen Wunsch abgebrochen werden. Für den Austausch in beide Richtungen ist die Förderung allerdings tatsächlich bis auf Weiteres ausgesetzt. Betroffene Studierende halten wir direkt auf dem Laufenden.
Pyka: Was die wissenschaftlichen Kooperationen betrifft, so hat uns das Ministerium aufgefordert, dem Appell der Allianz nachzukommen. Die Abteilung Forschungsförderung und das Akademische Auslandsamt bitten deshalb alle Hohenheimer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, sich zu melden, wenn sie Projekte mit russischer Beteiligung haben oder neue Vorhaben planen.
Im Moment ist uns nur eine aktive Forschungskooperation mit Russland bekannt: Seit 2018 gibt es ein Abkommen mit einem Universitätskonsortium in Jakutien, in dessen Rahmen mehrere Projekte mit den Schwerpunkten nachhaltiges Leben, One Health, Bioökonomie und Biodiversität durchgeführt wurden. Aktuell läuft noch ein DFG-gefördertes Projekt.
Zum Thema |
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Russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rufen in einer Petition zur Beendigung des Kriegs auf: |
Herr Pyka, was halten Sie persönlich von dem Schritt, auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit und den Studierendenaustausch mit Russland einzustellen?
Pyka: Als Landeseinrichtung treten wir in dieser Frage nicht selbst als politischer Akteur auf, sondern folgen der Linie des Ministeriums.
Festzuhalten bleibt aber, dass der Schritt tatsächlich eine deutliche Abkehr von der bisherigen Wissenschaftsaußenpolitik darstellt. Bisher war die Argumentation, dass es auch und gerade in Krisenzeiten wichtig ist, auf zivilgesellschaftlicher Ebene im Austausch zu bleiben.
Der Wert dieses Austauschs kann meines Erachtens weiterhin nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aktuell sehen wir ja gerade, dass russische Wissenschaftler:innen zu den denjenigen Gruppen zählen, die sich trotz drohender Repressalien mit Kritik an Putin und seinem Krieg zu Wort melden. Es ist wichtig ihnen den Rücken zu stärken und den Dialog gerade auch unter jungen Menschen wie den Studierenden nicht abreißen zu lassen.
Es bleibt deshalb zu hoffen, dass politische Entscheidungsträger:innen diese Überlegungen stets mit in die Waagschale werfen und die beschlossenen Maßnahmen den weiteren Entwicklungen gemäß stetig kritisch überprüfen.
Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Leonhardmair