Bioökonomie-Forschung als Wimmelbild  [25.08.21]

Gemeinsame Forschungsprojekte, Industriekooperationen, Patentanmeldungen – das landesweite Forschungsprogramm Bioökonomie wird noch lange nachwirken. Sieben Jahre lang widmeten sich Forschende dem Thema – gefördert mit rund 13 Mio. Euro durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK). Sie verbesserten Verfahren, erforschten die Auswirkungen der Biomasse-Produktion und starteten langfristige Kooperationen. Die Uni Hohenheim war an zahlreichen Projekten beteiligt und Sitz der Geschäftsstelle. Am 30. Juni dieses Jahres lief das Programm aus. Jetzt verdeutlicht eine interaktive Grafik mit Text, Bild und Video die Inhalte und Hintergründe der Baden-Württembergischen Bioökonomie Landschaft und lässt Forschende zu Wort kommen: biographiebw.uni-hohenheim.de


Wie kann in Zukunft eine Wirtschaft aussehen, in der die Gesellschaft nicht mehr nur von fossilen Ressourcen abhängig ist? Wie kann es gelingen holzige Biomasse vollständig zu Grundbausteinen für die Herstellung von Chemikalien und Materialien wie zum Beispiel Biokunststoffen oder Biotensiden umzusetzen, und wie sind diese Produkte ökologisch und ökonomisch zu bewerten? Wie kann die dafür benötigte Biomasse auf nachhaltige Weise bereitgestellt werden?

Diese und viele weitere Fragestellungen wurden im landesweiten Forschungsprogramm Bioökonomie bearbeitet. In der ersten Phase wurden fächerübergreifende Projekte zu den Themenfeldern Lignocellulose, Mikroalgen und Biogas sowie ein Kompetenznetz Modellierung gefördert. Die zweite Förderrunde hatte das Ziel, die entwickelten Ideen und Technologien in die Anwendung zu bringen und neue, auch unkonventionelle Ansätze zu fördern.

Alles in allem kooperierten in beiden Förderperioden Fachleute aus verschiedensten Fachrichtungen in mehr als 70 Teilprojekten, um nachhaltige Verfahren von der Biomasseproduktion und -verarbeitung bis hin zur Produktherstellung zu entwickeln bzw. zu verbessern. Dabei wurden auch die sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen der Produkte und Prozesse beurteilt.

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Interaktive Infografik BioGraphie BW: Willkommen in der Welt der Bioökonomie-Forschung!

Die interaktive Infografik BioGraphie BW fasst all dies zusammen. Das Wimmelbild soll die Komplexität einer nachhaltigen Bioökonomie verdeutlichen, die dazu führt, dass Bioökonomieforschung ganzheitlich gedacht und in Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachdisziplinen betrieben werden muss.

Wer sich durch die einzelnen Stationen klickt, taucht ein in die bunte Welt der Bioökonomie-Forschung im Land. Man erfährt, was Bioökonomie überhaupt ist und wie sie nachhaltig funktionieren kann. In Text, Bild und Video werden die einzelnen Teilbereiche des Forschungsprogramms beleuchtet und aufgezeigt, warum eine nachhaltige Bioökonomie sinnvoll ist, was die Forschenden in Baden-Württemberg schon darüber wissen, welche Fragen sie beantworten konnten und wie es mit der Forschung weitergehen könnte. Dabei kommen die Protagonistinnen und Protagonisten der Bioökonomie in Baden-Württemberg direkt zu Wort.

Dabei sind auch die Auswirkungen des Forschungsprogramms nicht zu unterschätzen, die über die wissenschaftlichen Erkenntnisse in einzelnen Disziplinen hinausgehen: „Durch die stärkere Vernetzung zwischen den verschiedenen Fachgebieten und Institutionen konnte nicht nur die überregionale Sichtbarkeit der baden-württembergischen Bioökonomie-Forschung erhöht, sondern auch langfristige Forschungsnetzwerke etabliert werden“, betonte Dr. Sophie Urmetzer, Leiterin der ehemaligen Geschäftsstelle des Forschungsprogramms.

Kunststoff, Reinigungsmittel und Elektroden – aus umweltfreundlicher Biomasse

An rund einem Viertel der Projekte waren auch Hohenheimer Wissenschaftler:innen beteiligt. Gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen beschäftigten sie sich beispielsweise mit der Nutzung des Großgrases Miscanthus für die Biogas-Produktion, als Ausgangsstoff für Bio-Kunststoffe, Reinigungsmittel oder Elektrodenmaterialien bei Energiespeichern. Die Forschenden zeigten unter anderem, dass Miscanthus ähnliche Mengen an Biomasse pro Hektar liefert wie Mais, aber deutlich umweltfreundlicher ist.

„Damit kann die Nachhaltigkeit der Bereitstellung biogener Rohstoffe erheblich verbessert werden. Denn mit dem mehrjährig angebauten Miscanthus können wir gleichzeitig mehrere Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel die Verbesserung der Bodenqualität und Verringerung von CO2-Emissionen, erreichen und ihn auch auf weniger fruchtbaren und nicht für die Nahrungsmittelproduktion geeigneten Flächen anbauen“, so Prof. Dr. Iris Lewandowski, Chief Bioeconomy Officer (CBO) der Universität.

Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie initiierte Prof. Dr. Andrea Kruse vom Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe den Aufbau und Betrieb eines Bioraffinerie-Technikums am Unteren Lindenhof. In der Anlage soll die möglichst vollständige stoffliche Verwertung lignocellulose-haltiger, also holziger Biomasse, wie beispielsweise Miscanthus zu sogenannten Plattformchemikalien demonstriert werden. Diese dienen als Grundbausteine für die Herstellung von anderen Chemikalien und Materialien, um daraus schließlich Endprodukte wie beispielsweise Sportbekleidung aus biogenen Kunststoffen oder synthetische Kunst- und Kraftstoffe herzustellen.

Andere Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit der Umwandlung von Lignocellulose und Holzzuckern durch Bakterien. Dabei werden Biotenside gebildet, die vor allem in Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Körperpflegeprodukten eingesetzt werden können. Gegenüber Tensiden petrochemischen Ursprungs haben sie den Vorteil, dass ihre Herstellung auf Basis nachwachsender Rohstoffe erfolgt und sie vollständig biologisch abbaubar sind.

Interdisziplinäre Ausbildung zukünftiger Bioökonomie-Fachleute

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist vor allem auf der Ebene der Promovierenden wichtig, die in der Regel die praktische Forschungsarbeit erledigen. Daher wurde im Rahmen des Forschungsprogramms auch das landesweite, interdisziplinäre Graduiertenprogramm „BBW ForWerts ‒ Bioökonomie BW: Erforschung innovativer Wertschöpfungsketten“ aufgebaut.

In Sommerschulen, Workshops und Methodenkursen sowie Exkursionen lernten die Nachwuchswissenschaftler:innen über das eigene Forschungsgebiet hinaus eine ganze Reihe an Methoden kennen und übten den interdisziplinären Austausch. Die Uni Heidelberg koordinierte das Programm und plant, diesen Ansatz in veränderter Form weiterzuverfolgen.

Text: Stuhlemmer


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