Kostengünstig und klimafreundlich: Bioethanol aus dem Reaktor [30.10.15]
Biokraftstoffe könnten bis zu 20 Prozent des Treibstoffbedarfs der Menschen decken. Dass dies auch klimafreundlich, wirtschaftlich und ohne Tank-Teller-Diskussion geschieht, will ein neues Hohenheimer Forschungsprojekt ermöglichen. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Ralf Kölling-Paternoga forschen an einem kontinuierlich arbeitenden Bioethanol-Reaktor, der die bisherigen Schwächen der Biokraftstoff-Produktion beheben soll. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) unterstützt das Projekt mit gut 350.000 Euro.
Bioethanol – Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen, klimaneutral und damit eine gute Alternative zu fossilen Brennstoffen. Soviel zur Theorie. In der Praxis ist die Bioethanol-Produktion bislang jedoch noch umstritten.
„Eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion kann entstehen, wenn Ausgangsstoffe wie Getreide oder Zuckerrüben eingesetzt werden. Je nach Herstellungsprozess kann zudem die Klimabilanz relativ schlecht ausfallen. Verwendet man andere als die bislang üblichen Rohstoffe, ist die Produktion immer noch teuer und damit unwirtschaftlich“, umreißt der Hohenheimer Biotechnologe Prof. Dr. Kölling-Paternoga die Hindernisse.
Er arbeitet mit seinem Team am Fachgebiet Hefegenetik und Gärungstechnologie daran, gleich alle drei Probleme mit einem Streich zu lösen. Ihr Ziel ist ein kontinuierliches Verfahren mit genveränderten Hefen, das eine erheblich kostengünstigere Bioethanol-Produktion ermöglicht.
Hintergrund des Forschungsprojekts |
---|
Das Projekt „Entwicklung eines kontinuierlichen Prozesses zur Herstellung von Cellulose-Ethanol auf der Basis von Cellulosom-Hefen“ ist auf drei Jahre ausgelegt und startete am 1.1.2015. Mit einer Summe von gut 350.000 Euro wird die Forschung an der Universität Hohenheim von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) gefördert. Damit gehört es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim. |
Als Ausgangsstoff setzen die Wissenschaftler Cellulose aus Reststoffen wie Stroh ein – das vermeidet die Konkurrenz zu Nahrungsmitteln und sorgt für eine gute Klimabilanz mit Einsparungen von 80 bis 90 Prozent gegenüber Benzin aus fossilen Quellen.
„Wir stellen uns eine Art Bioethanol-Reaktor vor, ähnlich wie bei Biogas. Ein möglichst einfaches System, in das man die Ausgangsstoffe auf einer Seite hineingibt und auf der anderen Bioethanol herauskommt“, veranschaulicht Prof. Dr. Kölling-Paternoga das Ziel des Forschungsprojektes.
Hefepilze mit Sonderzubehör
Cellulose zur Produktion von Bioethanol hat einen Nachteil: Sie ist schwer aufzuschließen. Bisher führt man eine Vorbehandlung mit Dampf, Druck und zugesetzten Enzymen durch, um den Zucker in den Pflanzen freizusetzen. Erst dann kann Hefe zugegeben werden, die den Zucker zu Alkohol umwandelt.
Dieses Batch-Verfahren ist umständlich und kostenaufwendig. Die Forscher wollen es deshalb erheblich vereinfachen. „Wir möchten mit gentechnischen Methoden Hefen herstellen, die selbst diese Enzyme produzieren“, erklärt Prof. Dr. Kölling-Paternoga.
Schwergewichte der Forschung |
---|
Rund 30 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2014 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Universität Hohenheim in der Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften. |
Dafür etablieren sie auf den Hefepilzen sogenannte Mini-Cellulosomen – Anhänge auf der Zelloberfläche, die alle zum Cellulose-Abbau nötigen Enzyme beinhalten. In der Natur findet man derartige Cellulosome vor allem in einigen Bakterien. „Die Hefen können dann an die Cellulose andocken und in parallelen Prozessen die Cellulose abbauen und mit der Bioethanol-Produktion starten“, so der Experte.
Kontinuierliche Bioethanol-Produktion: Einfach und kostengünstig
Sein Institutskollege PD Dr. Thomas Senn will diese Hefen in einem kontinuierlichen System nutzen. Er arbeitet parallel zur genetischen Entwicklung an der technischen Umsetzung.
Ziel der Forscher ist ein Prototyp einer solchen kontinuierlich arbeitenden Anlage am Ende der drei Förderjahre. Sie soll Biokraftstoffe der zweiten Generation produzieren, also hergestellt aus Stoffen, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind.
Keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion
Grundsätzlich könnten dazu unterschiedliche Materialien eingesetzt werden. „Denkbar wären auch zum Beispiel Biomüll oder Energiepflanzen aus Agroforstsystemen“, erläutert Prof. Dr. Kölling-Paternoga. „Berechnungen zufolge könnte man unter optimalen Voraussetzungen weltweit rund die Hälfte des Bedarfs an Kraftstoffen mit Bioethanol aus Reststoffen decken.“
Entscheidend wird jedoch die marktwirtschaftliche Seite sein. „Momentan liegen die Produktionskosten für Cellulose-Ethanol über den Herstellungskosten für Benzin“, stellt Prof. Dr. Kölling-Paternoga fest. „Unser neues System dürfte die Kosten ganz erheblich senken und die Effizienz steigern.“
Text: D. Elsner