Sparprogramm Energiekrise  [27.11.22]

Mindestens 5 Mio. € muss die Uni Hohenheim 2023 einsparen, so die aktuelle Einschätzung des Rektorats. Im besten Fall könnte es etwas weniger, im schlimmsten erheblich mehr sein. Gründe dafür sind die Energiepreisexplosion und die Inflation. Wie groß das Haushaltsloch tatsächlich ausfällt, hängt vor allem davon ab, wieviel Hilfe von Bund und Land kommt. Ein erstes Sparpaket, das zum 1. Januar 2023 greift, hat das Rektorat trotz vieler Ungewissheiten jetzt beschlossen. Der Rotstift soll demnach zuerst bei Sachmitteln angesetzt werden.


Es ist eine bittere Pille, doch die Lage ist ernst. Neben verschiedenen kleineren Maßnahmen sieht das aktuelle Sparpaket vor, dass alle Uni-Einrichtungen zum Jahreswechsel nur 70% ihrer bisherigen Zuwendungen erhalten.

Betroffen davon sind neben den Fakultäten und den Fachgebieten u.a. auch zentrale Einrichtung wie das KIM, die Versuchsstation, die Hohenheimer Gärten oder die Core Facility, sowie alle Verwaltungseinrichtungen, die über ein eigenes Budget verfügen.

Absehbar ist außerdem, dass die geplante Investitionsrunde 2023 sehr viel kleiner ausfällt oder notfalls komplett gestrichen wird. Die Entscheidung hierüber will das Rektorat allerdings erst im Mai treffen und von den aktuellen Entwicklungen abhängig machen.

Die angepeilten Einsparungen in Höhe von 5 Mio. € sind für Hohenheim kein Pappenstiel: Zwar erhält die Uni vom Land pro Jahr ca. 130 Mio. €, doch ca. 100 Mio. € davon sind allein für das Personal gebunden. Hinzu kommen zahlreiche rechtsverbindliche Verträge, die nicht ad hoc gekündigt werden können.

Ungewissheiten erschweren Planung


In normalen Jahren ist die Haushaltsplanung im Oktober oder November abgeschlossen. „Wir waren in der Vergangenheit allerdings noch nie mit so großen Ungewissheiten konfrontiert“, fasst Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer zusammen. „Tatsächlich sind wir erst jetzt in der Lage, uns überhaupt eine grobe Vorstellung zu machen, wieviel Geld uns im kommenden Jahr fehlt.“

Relativ sicher ist inzwischen: Die Energiekosten steigen 2023 von ca. 5 Mio. €, die in normalen Jahren vor 2022 angefallen sind, auf rund 20 Mio. €. Und auch in allen anderen Bereichen wird das Geld knapp. Preissteigerungen von aktuell ca. 10% steht lediglich ein Inflationsausgleich in Höhe von 3% pro Jahr seitens des Landes gegenüber.

„Erschwerend kommt hinzu, dass wir als Universität keine Kredite aufnehmen dürfen. Außerdem können wir quasi keinen Risiko-Puffer aufbauen. Denn das Land erwartet von den Universitäten, dass sie ihre zugewiesenen Mittel großteils bis Jahresende ausgeben“, erklärt Scheffer.

Aus eigener Kraft könne sich die Uni deshalb nicht aus der Schieflage befreien: „Ob wir mit einem blauen Auge davonkommen oder noch deutlich schmerzlichere Einschnitte erforderlich sein werden, hängt nun davon ab, wieviel Unterstützung von Bund und Land kommt“, so die Kanzlerin.

Hilfe von dort ist angekündigt. Doch viele Fragen sind nach wie vor offen: Werden Unis nur von der Gaspreisbremse oder auch von der Strompreisbremse bei den dort diskutierten Konditionen profitieren? Wie genau ist die Gaspreisbremse gestaltet? Wie hoch fällt die Unterstützung des Landes aus und an welche Bedingungen ist sie geknüpft? Gibt es sonstige Entlastungen, etwa ein Aussetzen der Umsatzsteuerreform?

„Vieles ist angekündigt, aber wenig bereits rechtsverbindlich beschlossen. Dabei sind die Hilfen des Bundes – Dezemberhilfe, Strompreisbremse, Gaspreisbremse – zumindest in den Grundzügen absehbar. Das Land jedoch hält sich mit konkreten Aussagen, wann, wie und in welchem Umfang mit finanzieller Hilfe zu rechnen ist, bisher sehr zurück“, so Scheffer.

Energie sparen im Labor



Prorektorin Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber lädt alle Labor-Nutzer:innen am Mittwoch (30.11., 11 Uhr) zu einem Zoom-Austausch zum Thema Energie sparen

Wirksamstes Gegenmittel: Energie sparen

Das wirksamste Gegenmittel gegen das Haushaltsloch liegt auf der Hand: Energie sparen.

„Hierfür setzen wir im Moment alle Hebel in Bewegung. Und wir bitten alle Uniangehörige, ihren Teil dazu beizutragen“, betont Uni-Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert. „Wir müssen uns klarmachen: 10% Energieeinsparung bedeutet 2 Mio. € weniger Ausgaben und somit auch 2 Mio. € weniger Kürzungen. Das ist schon ambitioniert, aber wir rechnen, dass wir das gemeinsam hinbekommen und haben diese Zahl auch schon eingerechnet. Gelänge es uns mehr Energie einzusparen, wäre das für unser Budget extrem hilfreich. Die gesamte Universität würde davon profitieren. “

Geht es nach der Landespolitik sollen die Unis ihren Energieverbrauch um 20% senken. Diese Größenordnung hält Dabbert mit Blick auf Hohenheim jedoch eher für unrealistisch: „Wir setzen im Moment auf Nutzersensibilisierung und eine Vielzahl kleiner bis mittlerer Maßnahmen, die wir selbst umsetzen können. Damit wir wirklich effektiv Energie sparen können, bräuchten wir aber Baumaßnahmen und Investitionen in Technik. Hierfür kämpfen wir seit vielen Jahren unermüdlich. Noch immer hat das Land aber keine Lösungen parat, um den immensen Sanierungsstau bei den Hochschulen abzubauen. Trotzdem: Jeder kann und sollte seinen Betrag leisten und in seinem Umfeld Energie sparen!“

Informationen zum Thema Energiesparen bündelt die Website des Energiemanagements.

Sparprogramm soll nicht übers Ziel hinausschießen


Konkret basiert das nun beschlossene Sparprogramm auf folgenden Annahmen:

  • Der Uni gelingt es 10 % Energie zu sparen
  • Die angekündigten Bundeshilfen (Dezemberhilfe, Strompreisbremse, Gaspreisbremse) werden so realisiert wie jetzt angekündigt
  • Das Land steigt in erheblicher Größenordnung (mindestens 5 Mio. €) in die Übernahme der verbleibenden Mehrkosten ein
  • Es kommen keine Sonderbelastungen auf die Uni zu (z.B. Rückzahlungen ans Land wegen sinkender Studierendenzahlen)
  • Die Umsatzsteuerreform wird für weitere zwei Jahre ausgesetzt

„Dieses Szenario ist alles in allem eher optimistisch“, erklärt Dabbert. „Denn wir wollen keinesfalls mehr Geld einsparen als unbedingt erforderlich. Schließlich ist uns sehr bewusst: Alle Einsparungen können Schäden für die Universität nach sich ziehen. Das heißt allerdings auch: Sollten sich die Dinge negativer entwickeln müssen wir im Lauf des Jahres 2023 mit weiteren Sparpaketen nachsteuern. Umkehrt werden wir den Einrichtungen Geld nachträglich zuweisen, falls die Entwicklung besser sein sollte als angenommen.“

Ein weiteres Kriterium bei der Entscheidung über das Sparprogramm sei gewesen, die Planungssicherheit für die Einrichtungen hoch zu halten und möglichst wenig in bereits getroffene Zusagen oder bewährte Strukturen der Mittelverteilung einzugreifen, ergänzt Scheffer.

Deshalb sei etwa der Vorschlag, nicht verausgabte „Kassenreste“ der Einrichtungen aus dem Jahr 2022 für das Sparprogramm heranzuziehen, nicht aufgegriffen worden. Sie werden nach dem bisherigen Verfahren (Übertragsregelung mit maximal 25 % Abzug) ins kommende Jahr übertragen.

Notfallinstrument: Stellen vorrübergehend unbesetzt lassen


Sollten das jetzige Sparpaket und eine eventuelle Kürzung der Investitionsrunde nicht ausreichen, sieht das Rektorat in der sog. „Stellenbesetzungssperre“ ein mögliches Notfallinstrument. Freiwerdende Stellen müssten in diesem Fall für einen vorgegebenen Zeitraum, z.B. mehrere Monate, vorrübergehend unbesetzt bleiben. Denn für freie Stellen erhält die Uni vom Land 75 % der eingesparten Lohnkosten.

„Im Notfall könnten wir so Einnahmen in Höhe von mehreren Millionen Euro generieren“, rechnet Scheffer. „Doch im Rektorat und in den Uni-Gremien sind wir uns einig, dass wir diese Maßnahme so lange es geht vermeiden wollen. Denn zum einen wird der Uni-Betrieb dadurch in hohem Maß beeinträchtigt. Zum anderen ist die Maßnahme nicht gerecht. Denn die Lasten werden nicht gleichmäßig und zudem eher zufällig verteilt. Beispielsweise wären befristet besetzte Stellen viel stärker davon betroffen. Außerdem ist die Maßnahme auch wirtschaftlich ungünstig, da wir nur 75 % des Stellenwertes erhalten.“

Bestimmte Bereiche sollen nach dem Willen des Rektorats auch künftig von Einsparungen so weit als möglich ausgenommen bleiben. Dazu zählen:

  • Maßnahmen, die unmittelbar zur Steigerung der Attraktivität von Studiengängen beitragen (denn die Finanzierung der Uni ist eng an Studierendenzahlen gekoppelt)
  • Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung von Studium und Lehre
  • Förderung und Durchführung von herausragenden Verbundforschungsprojekten
  • Maßnahmen, die Energie einsparen und die Nachhaltigkeit erhöhen
  • Maßnahmen, die Betriebssicherheit und Arbeitssicherheit betreffen

In den Blick nehmen will das Rektorat hingegen das generelle System der Mittelverteilung. So sieht der Struktur- und Entwicklungsplan für 2023 u.a. eine Reform der Verteilung von Overheadbeträgen bei Drittelmittelprojekten vor.

Text: Leonhardmair



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