Unis bangen um Millionen  [31.10.24]

Schlechtere Betreuung für Studierende, Rotstift bei der Forschung und Stopp für überfällige Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsprojekte? Aktuell berät die Landesregierung über die künftige Finanzierung der Hochschulen. Die bisherigen Vorschläge wirken auf den ersten Blick harmlos. Doch das Kleingedruckte hat es in sich und treibt Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer den Schweiß auf die Stirn. Es drohen bei den Hochschulen in Baden-Württemberg verschleierte Kürzungen im mehrstelligen Millionenbereich.


Hochschulfinanzierungsvereinbarung III (HoFV III): Der Name klingt kompliziert, der Inhalt ist es auch. Trotzdem verdienen die Verhandlungen dazu unsere volle Aufmerksamkeit, sagt Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer mit sorgenvollem Gesicht.

Es geht um die Grundfinanzierung der Unis für die Jahre 2026 - 2030. Sollten die bisherigen Vorschläge des Ministeriums tatsächlich so umgesetzt werden, müsste auch die Uni Hohenheim massiv zum Rotstift greifen. Betroffen wären alle Bereiche: Von der Forschung über die Lehre bis hin zu Tutorien und Digitalisierungsprojekten.

Ein Punkt besorgt die Kanzlerin ganz besonders: Die bisherige Hochschulfinanzierungsvereinbarung gewährt den Hochschulen einen politischen Schutz vor Kürzungen während der Laufzeit. Diesen Schutz vor zusätzlichen kurzfristigen Sparmaßnahmen soll es ab 2026 nicht mehr geben.

Interview

Frau Scheffer, die Verhandlungen über das künftige Budget der Unis laufen. Was ist der Stand?

Echte Verhandlungen mit den Universitäten haben bisher eigentlich gar nicht stattgefunden. Vielmehr wurden wir über die Pläne der Landesregierung grob in Kenntnis gesetzt.

Offenbar muss das Ministerium bei den Unis und Hochschulen in den kommenden Jahren gut 90 Mio. Euro einsparen. Zum Vergleich: Das ist in etwa so viel wie zwei Drittel des Jahreshaushalts der Uni Hohenheim.

Das Land nennt dies "globale Minderausgabe" – man kann es aber auch einfacher sagen: "Kürzungen".

Klar kommuniziert wird das massive Sparprogramm bisher nicht. Im Gegenteil: Das Land präsentiert Papiere mit wohlklingenden Überschriften und Diagramme mit steigenden Säulen, die die Finanzen darstellen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, so viel ändert sich doch gar nicht. Doch das trügt leider...

Inwiefern?


Das System der Hochschulfinanzierung ist hochkomplex. Man muss also wirklich das "Kleingedruckte" lesen. Denn wenn man an verschiedenen Stellen Regeln ändert, lassen sich vermeintlich eindeutige Kennzahlen nicht mehr so einfach miteinander vergleichen.

Beispiele dafür kann ich gerne noch erläutern. Entscheidend ist aber vor allem, was bei uns unterm Strich ankommt. Und das sind im schlimmsten Fall mehrere Millionen Euro weniger pro Jahr.

Das klingt nach einer gewaltigen Mogelpackung...


Zumindest kann man den Eindruck gewinnen, dass ein Sparprogramm von beträchtlicher Größenordnung sehr intransparent vermittelt wird.

Studentische Aktion vorm Schloss

   

Die Unis brauchen einen angemessenen Ausgleich für Inflation und steigende Energiekosten. In der letzten Verhandlungsrunde 2019 gab es deshalb landesweit Proteste. Auch hier vorm Schloss kamen mehrere hundert Uni-Angehörige zusammen. Gemeinsam haben wir ein starkes Zeichen für eine faire Hochschulfinanzierung gesetzt und so vielleicht das Schlimmste abgewendet.

Möglicherweise hofft das Land, dass vergleichbare Aktionen diesmal ausbleiben. Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen.

 

Was ist geplant?

Am Freitag, 15.11., tagt der Finanzausschuss, um die Grundzüge der neuen Hochschulfinanzierungsvereinbarung zu verabschieden. Die Hochschulen haben die Woche ab dem 11.11. deshalb zur landesweiten Aktionswoche erklärt.

Auch die Hohenheimer Studierendenvertretung zeigt sich entsetzt von den Sparplänen und hat lokale Aktionen auf dem Campus angekündigt.

Gut sichtbar vorm Schloss haben wir pünktlich zu Halloween schon heute einen äußerst kreativen Gruselfriedhof vorgefunden. Die Botschaft: "Spart uns nicht zu Tode! Stoppt den Gruselvertrag!"

Weitere Aktionen sollen folgen. Vormerken kann man sich schon mal zwei Termine:

  • Am Mittwoch 13. November lädt das Rektorat 12:30 Uhr zu einer großen Versammlung vor dem Hohenheimer Schloss, um über den Ernst der Lage zu informieren und erneut ein Zeichen zu setzen, weitere Aktionen der Studierenden sind geplant.
  • Am Freitag 15. November findet in Stuttgart um 12 Uhr eine zentrale Demonstration statt, an der sich Studierende, Forschende und sonstige Beschäftigte aller Hochschulen im Land beteiligen wollen, um gemeinsam Druck auf die Politik auszuüben, Treffpunkt: Stadtgarten.

Die Studierendenvertretung der Uni Stuttgart hat die zentrale Demonstration am 15.11. angemeldet und hofft, dass gerade auch von den anderen baden-württembergischen und besonders natürlich Stuttgarter Hochschulen viele Personen vor Ort anwesend sind. Auch ich werde mir freinehmen, um dabei zu sein. Wenn wir jetzt nicht aufstehen, könnte es zu spät sein.

Wo müsste die Uni Hohenheim im Ernstfall denn den Rotstift ansetzen?


Wenn es hart auf hart kommt, wäre kein Bereich ausgenommen.

Als ersten Schritt müssten wir bei allen Einrichtungen pauschal Mittel kürzen. Das heißt: Schwierigere Bedingungen für Forschung und Lehre. Auch für studentische Hilfskräfte und Aushilfen wird uns Geld fehlen. Mögliche Folgen: Weniger Tutorien, kürzere Bibliotheksöffnungszeiten etc.

Wir müssten auf wichtige Investitionen für Forschungsgeräte oder eine moderne Ausstattung von Praktikumsräumen verzichten und könnten uns wichtige Datenbanken und Lizenzen nicht mehr leisten.

Überfällige Digitalisierungsprojekte müssten pausieren, wodurch wir langsam aber sicher den Anschluss an die moderne Arbeitswelt verlieren. Ausgebremst wären auch zahlreiche Nachhaltigkeitsprojekte, die wir eigentlich gerade jetzt mit dem Green Office anschieben wollen.

Es würde uns auch sehr schwer fallen, weiterhin die besten Köpfe nach Hohenheim zu holen: Denn in Berufungsverhandlungen hätten wir deutlich weniger Verhandlungsspielraum.

Als wirklich letztes Mittel bliebe uns möglicherweise keine andere Wahl als den Rotstift auch beim Personal ansetzen. Das heißt: Wir könnten freie Professuren nicht mehr sofort nachbesetzen - mit allen Nachteilen für das Betreuungsverhältnis und die Breite unseres Lehrangebots. Und auch in allen anderen Bereichen müssten wir Stellen zeitweise unbesetzt lassen, um Geld zu sparen.

Das klingt verheerend. Allerdings ist die Haushaltslage des Landes im Moment ja tatsächlich alles andere als rosig. Einsparung sind in vielen Bereichen unvermeidlich. Warum sollten ausgerechnet die Unis ausgenommen sein?


Ganz einfach: Weil wir für die Zukunft des Landes stehen. Wenn wir jetzt anfangen, bei Bildung und Forschung zu sparen, wird sich die Krise immer weiter verschärfen.

Man muss bedenken: Wir bilden die Fachkräfte aus, die uns so dringend fehlen. Wir entwickeln die Zukunftstechnologien, die wir für digitale Transformation und Klimaneutralität benötigen. Wir sind Keimzelle für Innovationen, Start-Ups und Co.

Und wir wirken auch darüber hinaus auf vielfältige Weise in die Gesellschaft und stärken die Demokratie und den sozialen Frieden im Land, der in letzter Zeit so brüchig geworden ist.

Ausgerechnet bei den Unis zu sparen ist rein volkswirtschaftlich betrachtet alles andere als klug. Eine aktuelle Studie hat ausgerechnet: Jeder Euro, den das Land in die Universitäten investiert, macht sich für das Land 5-fach bezahlt! (Mehr...)

Natürlich sind andere Landeseinrichtungen auch von steigenden Energiekosten und Inflation betroffen. Aber die Universitäten trifft es ganz besonders hart, weil moderne Forschung nun mal sehr energieintensiv ist.

Wir erkennen durchaus an, dass die finanzielle Lage des Landes schwierig ist. Aber darüber müssen wir offen und ehrlich reden. Ein verschleiertes Sparprogramm und Kürzungen durch die Hintertür machen alles noch schlimmer. Was wir vor allem brauchen ist Planungssicherheit. Doch die ist massiv bedroht...

Warum ist die Planungssicherheit bedroht?


Ein Vorteil der bisherigen Vereinbarungen war, dass ein Großteil des Budgets der Universitäten für mehrere Jahre festgeschrieben war. Die Landesregierung hat sich verpflichtet, während der Laufzeit keine kurzfristigen Kürzungen vorzunehmen, um Haushaltslöcher zu stopfen etc.

Nach dem Willen des Finanzministeriums soll dieser Schutz ab 2026 wegfallen. Ob es bei den geplanten gur 90 Mio. Euro Einsparungen im Hochschulbereich bleibt, steht also völlig in den Sternen...

Sie haben angedeutet, dass auch weitere Verschlechterungen drohen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich sind. Können Sie das ausführen?


Um das volle Ausmaß des Sparprogramms zu verstehen muss man sich tatsächlich tief ins Kleingedruckte einarbeiten. Ich versuche es an einem Beispiel zu erläutern.

Vor 5 Jahren haben die Unis erfolgreich erkämpft, dass sie einen jährlichen Ausgleich für Inflation und Energiekostensteigerung erhalten. Das war nach Jahrzehnten ohne jeglichen Aufwuchs bitter nötig. Und es ist sehr positiv zu werten, dass es damals gelungen ist, einen solchen Aufwuchs für fünf Jahre zugesagt zu bekommen.

In der laufenden Hochschulfinanzierungsvereinbarung (HoFV II) wurde das als jährliche "Dynamisierung" bezeichnet: Auf dem Papier betrug der Aufwuchs 3 % pro Jahr. Effektiv konnten wir aber nur mit 1,32 % planen, u.a. weil die Gelder zum Teil auch gleich wieder zum Ausgleich für Lohnkostensteigerungen herangezogen wurden.

Unterm Strich hat dieser Aufwuchs allenfalls ausgereicht, um einen gewissen Anteil der realen Kostenexplosion abzumildern, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Glücklicherweise haben wir hier durch Instrumente wie die Gaspreisbremse und andere Unterstützungsmaßnahmen noch Entlastung erhalten.

Im HoFV III will uns das Land auf dem Papier nun eine Dynamisierung von 3,5 % pro Jahr gewähren. Das klingt großzügig...

Aber...?

Im Gegenzug verlangt das Land, dass die Unis einen deutlich größeren Anteil beisteuern, um die Tariferhöhungen der Beschäftigten zu finanzieren. Von den 3,5 % würden effektiv nur 0,4 % übrigbleiben. Wir bekommen de facto also nicht mehr - sondern weniger Ausgleich für die Kostensteigerungen. Das empfinde ich als irreführend...

2026 soll es außerdem eine komplette Nullrunde für die Universitäten geben – ohne jeglichen Inflationsausgleich.

Hier verändern sich Regeln nahezu unbemerkt zu unserem Nachteil.

Ich würde mir wünschen, dass das Land auch durch attraktive finanzielle Rahmenbedingungen die Bedeutung seiner Universitäten anerkennt und die Universitäten in die Lage versetzt, ihren Aufgaben in Forschung und Lehre bestmöglich gerecht zu werden. Denn Bildung und Forschung sind Zukunft.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.


Interview: Leonhardmair



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