Qualitativ hochwertiges Brot – ohne Gluten [19.08.22]
Wie kann es gelingen, ein absolut glutenfreies Brot zu backen, das sowohl vom Geschmack als auch von der Textur her den gewohnten Produkten entspricht? Dieser Frage geht das Kooperationsprojekt PROTAX mit Beteiligung der Universität Hohenheim nach. Dabei setzen die Forschenden auf glutenfreie Ausgangsstoffe wie Hafer, Mais und Reis. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt in Hohenheim mit rund 380.000 Euro – ein Schwergewicht der Forschung in Hohenheim.
Angesichts einer steigenden Zahl von Personen, die das Klebereiweiß Gluten meiden wollen oder müssen, steigt der Bedarf an qualitativ hochwertigen, aber glutenfreien Lebensmitteln des täglichen Bedarfs, insbesondere Brot. Doch trotz intensiver Forschungsarbeiten können derzeit glutenfreie Brote häufig noch immer nicht mit herkömmlichen Produkten konkurrieren.
Denn Gluten bildet bei der Teigzubereitung zusammen mit Wasser ein Netzwerk, das dem Brot Struktur und Stabilität verleiht, indem es Wasser bindet und die entstehenden Gase auffängt – das Brot wird luftig und hat eine elastische Krume. Zwar gibt es bereits einige Ansätze zur Verbesserung glutenfreier Brote, wie die Verwendung von verschiedenen Zusatzstoffen und Enzymen oder die Sauerteiggärung. Allerdings ist die vollständige Nachbildung des Glutennetzwerkes bislang nicht gelungen.
Die am besten mit Weizenbrot vergleichbare Qualität wird mit Roggenmehl erzielt. Verantwortlich dafür ist nicht nur das ebenfalls enthaltene Gluten: Vor allem die sogenannten Arabinoxylane (AX) können das Gluten-Netzwerk bis zu einem gewissen Grad ersetzen. Diese Kohlenhydrate verleihen als Gerüstsubstanz pflanzlichen Zellwänden Stabilität und könnten aus Roggenkleie, einem Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie, gewonnen werden. Erste Versuche im Pilotmaßstab verliefen vielversprechend.
In den Arabinoxylanen sehen die Forschenden um Prof. Dr.-Ing. Mario Jekle vom Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel an der Universität Hohenheim ein großes Potenzial. Sie könnten als natürliche Backhilfsmittel glutenfreien Mehlen zugesetzt werden. Allerdings erreichen solche reinen Kohlenhydrat-Netzwerke nicht die Qualität der aus Gluten gebildeten, weswegen die Forschenden in dem Projekt einen neuen Ansatz verfolgen: Mithilfe spezieller Enzyme sollen Proteine und Arabinoxylane miteinander verknüpft werden. Ein Vorgang, der im Roggenmehl bei der Sauerteigführung auf natürliche Weise durch pflanzeneigene Enzyme von statten gehen könnte.
Das durch diese neuartige Vernetzung gebildete Protein-Arabinoxylan-Netzwerk könnte ähnliche Eigenschaften wie Gluten aufweisen und somit nicht nur die Backeigenschaften deutlich verbessern, sondern auch die Struktur und Textur sowie den Geschmack der Produkte. Dabei sehen die Forschenden vor allem in Hafer, Mais und Reis vielversprechende Rohstoffe. Denn sie weisen einen hohen Gehalt und eine hohe Qualität der genannten Komponenten auf.
Zudem könnte das Wissen später auf weitere Lebensmittelsysteme, wie beispielsweise Fleischersatz, übertragen werden.
Eckdaten des Projekts
- Projekttitel: Enzymatisch induzierte Protein-AX Netzwerke in glutenfreien Systemen – PROTAX
- Fördersumme: 379.951 EURO (Universität Hohenheim)
- Förderinstitution: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
- Projektdauer: 1.10.2022-30.9.2025
- Verbundprojekt:
Projektleitung Deutschland: Prof. Dr.-Ing. Mario Jekle, Universität Hohenheim,
Kooperationspartner: Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES, Projektleitung Österreich), Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Department für Lebensmittelwissenschaften und Lebensmitteltechnologie (DLWT)
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Mario Jekle, Universität Hohenheim, Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel, +49 (0)711 459 22314, mario.jekle@uni-hohenheim.de
Schwergewichte der Forschung
Als „Schwergewichte der Forschung“ gelten herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 350.000 Euro bei den Experimental- bzw. 150.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.