100 Jahre Einkommensungleichheit und soziale Mobilität  [28.01.22]

Mit der Frage, wie sich Einkommensungleichheit, Lebensstandards, Arbeitsbedingungen und die soziale Mobilität der Beschäftigten in 100 Jahren Deutscher Industriegeschichte entwickelten, beschäftigt sich seit Januar 2022 ein Schwergewicht der Forschung an der Universität Hohenheim. Für das Projekt im Rahmen des Forschungsnetzwerks INEPA (Inequality and Economic Policy Analysis) erhält Prof. Lehmann-Hasemeyer, Ph.D., vom Fachgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit Agrargeschichte rund 190.000 Euro Fördergeld von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).


Bisher gibt es nur wenige Studien zur sozialen Mobilität, also dem Wechsel einzelner Personen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, über einen längeren Zeitraum. Oft fehlt dafür eine entscheidende Voraussetzung: sehr detaillierte personenbezogene Datensätze. Um verlässliche Aussagen treffen zu können, werden Informationen über das Geburtsjahr, Geschlecht, Bildungsabschlüsse und Gehälter nicht nur von der Person selbst, sondern auch ihrer Eltern und idealerweise auch anderer Familienmitglieder benötigt. Diese sind häufig entweder nur unvollständig, für kurze Zeiträume oder in kleinen Stichproben verfügbar. Ähnliches gilt für die Erforschung der Einkommensungleichheit. Hier gibt es oft nur sogenannte Makrodaten, in denen eine Vielzahl an Einzeldaten zusammengefasst wurde, die aber keine Rückschlüsse auf den individuellen Fall erlauben.

Ein einzigartiges Zeitdokument ermöglicht Prof. Lehmann-Hasemeyer und ihrem Team nun, Einkommensungleichheit, Lebensstandards, Arbeitsbedingungen sowie soziale Aufstiegschancen und Einflussfaktoren der Beschäftigten aus allen Unternehmensbereichen – von Arbeiter:innen bis zu Prokurist:innen – zu untersuchen. In der Maschinenfabrik Esslingen, einer den ältesten und bekanntesten Lokomotivfabriken Deutschlands, wurden von der Gründung des Unternehmens 1846 bis zur Auflösung 1965 ca. 10.000 Personalakten angelegt. Diese liegen im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, das sich auf dem Hohenheimer Campus befindet.

Zudem enthält diese bisher gänzlich unerschlossene Quelle einmalige personenbezogene Informationen, die für moderne Quellen schon aus Datenschutzgründen nicht zugänglich sind. Dazu gehören neben den Angaben zu Familienstand, Geschlecht, Geburtsjahr etc. weitere Informationen unter anderem zu persönlichen und / oder verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb eines Karrierenetzwerkes, persönliche Referenzen und Einschätzungen der Arbeitsleistung früherer Arbeitgeber:innen und Vorgesetzter oder Partei- und Religionsmitgliedschaften.

Anhand dieser Personalakten wollen die Forschenden nun die Einkommensungleichheit, die Lebensbedingungen und Aufstiegschancen von Arbeiter:innen und Angestellten der Maschinenfabrik Esslingen im Zeitraum von 1860 bis 1960 zu untersuchen. Sie interessieren sich dafür, ob und wie soziale Netzwerke die soziale Mobilität und damit die Chancengerechtigkeit beeinflussen und ob dieser Zusammenhang an bestimmte Rahmenbedingungen gebunden ist. Da diese Daten für einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren, also über mehrere Generationen hinweg, vorliegen, können in einer einzigen Fallstudie die langfristige Entwicklung von Einkommensungleichheit und die soziale Mobilität von Individuen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht untersucht werden.

Eckdaten des Projekts:

  • Projekttitel: Einkommensungleichheit und soziale Mobilität in 100 Jahren Deutscher Industriegeschichte am Beispiel der Mitarbeiter:innen der Maschinenfabrik Esslingen
  • Fördersumme: 188.522 Euro
  • Förderinstitution: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Projektdauer: 1.1.2022-1.1.2025
  • Forschungsnetzwerk INEPA

Kontakt:
Prof. Sibylle Lehmann-Hasemeyer, PhD, Universität Hohenheim, Fachgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit Agrargeschichte, +49 (0)711 459-23518, slehmann@uni-hohenheim.de

Schwergewichte der Forschung

Als „Schwergewichte der Forschung“ gelten herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 350.000 Euro bei den Experimental- bzw. 150.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.


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