Nachhaltigkeit im Religionsunterricht?  [20.11.20]

Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen aus natur-, agrar- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächern wollen sie keine fachliche Konkurrenz machen. Dennoch spielt das Hohenheimer Leitthema „Bioökonomie“ auch für Studierende der evangelischen Theologie eine Rolle. Anlässlich des Hohenheimer Monatsthemas „Wirtschaft und Gesellschaft – bioökonomisch leben“ im Wissenschaftsjahr 2020|21 haben Bachelor-Studierende ihre Gedanken dazu zu Papier gebracht.


Theologie-Lehrstühle an der Uni Hohenheim? Bei manchem mag das im ersten Moment Erstaunen hervorrufen. Denn als kleine Profil-Universität mit den Leitthemen „Bioökonomie“ und „Digitalisierung“ gehören Kultur- und Geisteswissenschaften ansonsten nicht zum Hohenheimer Fächerspektrum.

Anknüpfungspunkt ist die Ausbildung von Berufsschullehrerinnen und –lehrern: Wer in Hohenheim einen Master in Wirtschaftspädagogik absolviert, wählt zusätzlich zu BWL ein zweites Unterrichtsfach. Das kann eine benachbarte Disziplin wie z.B. Wirtschaftsinformatik sein – oder ein Fach mit völlig anderer Ausrichtung.

Um mehr Wahlmöglichkeiten für das Zweitfach anbieten zu können, wie z.B. Deutsch oder Sport, kooperiert die Uni Hohenheim mit der Uni Stuttgart und dem dortigen Studiengang Technikpädagogik. Die Lehrstühle für evangelische und katholische Theologie an der Uni Hohenheim steuern wiederum die Ausbildung für das Fach „Religionslehre“ bei.

Themen aufgreifen, die auf den Nägeln brennen

„Auch wenn wir in Hohenheim in gewisser Weise Exoten sind, ist unser Fachgebiet alles andere als eine isolierte Insel!“, betont Prof. Dr. Ulrich Mell vom Fachgebiet für Evangelische Theologie und ihrer Didaktik.

Seit zwei Jahren ist der Lehrstuhl dem damals neu begründeten Institut für Bildung, Arbeit und Gesellschaft zugeordnet. Neben Wirtschafspädagogik gehören hierzu auch die Fachgebiete Soziologie, Wirtschafts- und Organisationspsychologie sowie der neu ausgerichtete Lehrstuhl Sozialstruktur und Soziale Ungleichheit.

„Wir stehen am Institut untereinander in regem fachlichem Austausch. Unser gemeinsames Interesse gilt u.a. dem Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Hierzu möchten wir gerne auch einen gemeinsamen Forschungsantrag bei der DFG einreichen“, so Mell.

Auch beim Hohenheimer Leitthema Bioökonomie und der Frage, wie ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingen kann, sieht der Theologe vielfältige Anknüpfungspunkte.

„Die Bibel bildet in einem Theologiestudium natürlich den Ausgangspunkt. Doch die eigentliche Leistung für die angehenden Religionslehrerinnen und –lehrer liegt darin, die christliche Botschaft auf die drängenden Fragen der Zeit zu beziehen. Denn sie sollen mit den Schülerinnen und Schülern später über die Themen diskutieren, die ihnen wirklich auf den Nägeln brennen“, so Mell.

Tierwohl oder ethischer Konsum als Unterrichtsthema


Dass Ökologie und Nachhaltigkeit jungen Menschen ganz besonders umtreibt, lässt sich an an einer Bewegung wie Fridays for Future unschwer ablesen.

Anlässlich des „Wissenschaftsjahrs 2020|21 Bioökonomie“ hat Prof. Dr. Ulrich Mell deshalb seine Studierenden gebeten, in Form eines Fragebogens zu reflektieren, welche Rolle diese Themen für sie in Zusammenhang mit ihrem Studium und ihrem späteren Berufsziel spielen.

Bachelor-Studentin Mona Barth hat sich im Rahmen einer Seminar-Arbeit beispielsweise mit dem Thema Tierwohl und Fleischkonsum beschäftigt.

Ihr Fazit: „Ökologische Themen sollten im Religionsunterricht auf keinen Fall fehlen. Da wir Menschen nicht ohne einen intakten Planeten Erde leben können, sollten wir uns darüber im Klaren sein, welche Konsequenzen unser eigenes Verhalten nach sich ziehen kann. Gerade das Thema Tierwohl und Fleischkonsum bietet eine gute Möglichkeit, sich im Religionsunterricht mit den Konsequenzen des eigenen Handelns auseinanderzusetzen.“

Das große Interesse am Thema Nachhaltigkeit schlägt sich auch in ganz konkreten Themenwünschen für den Religionsunterricht nieder. Auf Nachfrage von Berufsschülerinnen und -schülern machte Theologie-Studentin Anja Greiner deshalb Fair Trade als Beispiel für ethischen Konsum zum Thema einer praktischen Unterrichtsstunde.

„Durch die Mitarbeit am Eine-Welt-Stand der Ökumenischen Hochschulgemeinde in der Mensa hatte ich bereits einen Zugang zum Thema ‚Fair Trade‘. Das Thema greift zudem ethische bzw. theologische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen auf, die die Schwerpunkte meiner Studienrichtung vereinen“, berichtet die Studentin.

Verantwortung für die Schöpfung

In fachliche Konkurrenz zu technischen, natur- oder wirtschaftswissenschaftlichen Unterrichtsfächern soll der Religionsunterricht bei Themen wie Ökologie und Nachhaltigkeit allerdings nicht treten, betont Prof Dr. Mell:

„Wir wollen stattdessen einen Raum schaffen, damit Schülerinnen und Schüler sich nicht nur fachlich, sondern auch ganz persönlich mit den Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen können. Denn letztendlich geht es bei dem gesellschaftlichen Wandel, den wir anstreben, ja nicht nur um die ökologischen Aspekte an sich, sondern auch um ethische Fragen und Werte. Maßstäbe dafür lassen sich aus den jeweiligen Fachdisziplinen selbst jedoch nicht gewinnen – dafür benötigt es sozusagen eine Außenperspektive. Als Christen leiten wir diese aus der Verantwortung des Menschen für die Schöpfung ab.“

Text: Leonhardmair


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