Neue StuWe-Chefin im Interview - Teil I: Mensa [21.11.24]
Mensa, Wohnheime, Bafög, Beratung, Kinderbetreuung - und das an 7 Hochschulstandorten: Seit Dezember 2023 ist Edith Hein Geschäftsführerin des Studierendenwerks Tübingen-Hohenheim - und ihr Kalender ist gut gefüllt. Dennoch hat sie sich Zeit für einen "Coffee to go" mit unserer Redaktion genommen. Gemeinsam schauen wir hinter die Kulissen der Mensa (+ Video), besuchen die Wohnheime und beantworten Fragen von Studierenden. Teil I: Mensa.
Antworten auf Eure Fragen aus der Instagram-Story findet ihr in der Bildergalerie am Ende des Artikels und in unserem Video. Das Thema "Wohnen" behandeln wir in Teil II des Interviews.
Überraschung, die Chefin ist da! Normalerweise ist Edith Hein ca. 2-3 mal im Monat in Hohenheim, zu festen Terminen. Für unser Interview ist sie heute jedoch ohne große Ankündigung mit uns in der Mensa unterwegs.
Unser Eindruck: Wer die neue StuWe-Chefin besser kennenlernen will, beobachtet am besten die spontanen Begegnungen mit ihren Mitarbeiter:innen. Wir gehen an niemandem vorbei ohne einen persönlichen Gruß oder besser noch: einen kurzen Plausch. Das gilt für den Küchen-Chef genauso wie für die Mitarbeiter:innen in der Spülküche.
Letztere verdienen ohnehin unseren vollsten Respekt, findet Frau Hein. Denn sie verrichten im warmen Küchendampf jeden Tag schwere Arbeit und bleiben für die Gäste dabei stets unsichtbar. Von unserer Idee, den Weg der Tabletts vom Laufband bis in der Spülküche zu filmen (s. Video), ist Frau Hein deshalb gleich begeistert.
Los geht es erstmal aber mit einem gemeinsamen Mittagessen!
Unterwegs mit Edith Hein - Teil 1: Mensa | Interview - Teil I: Mensa Ich versuche, an allen Standorten regelmäßig persönlich präsent zu sein. Da bleibt die geregelte Mittagsroutine schon mal auf der Strecke. Doch der direkte Kontakt mit unseren Mitarbeiter:innen vor Ort ist mir sehr wichtig. Das merkt man. |
Was mich an meiner neuen Aufgabe reizt, sind tatsächlich vor allem die Menschen, der soziale Auftrag des Studierendwerks und die Vielfalt der Themen, für die ich zuständig bin: Von Bau-Projekten über gastronomische Angebote, den Betrieb von Kitas und Beratungsstellen bis hin zu hoheitlichen Aufgaben, wie die Bearbeitung der Bafög-Anträge und die zugehörige Beratung im BAföG-Amt.
Wertschätzung und Kommunikation sehe ich in allen Bereichen als ganz entscheidende Grundlage an. Das ist eine Erfahrung, die ich auch aus vielen Jahren im NGO-Bereich und zuletzt bei einem spannenden Handelsunternehmen in der Privatwirtschaft mitbringe.
Mein Vorgänger hat mir ein wirtschaftlich gut aufgestelltes Haus hinterlassen. Das erleichtert meinen Start. Trotzdem passt das Bild mit dem "neuen Kapitel" vielleicht ganz gut. Denn die Herausforderungen, die wir im Studierendenwerk gemeinsam bewältigen müssen, haben sich stark verändert bzw. noch weiter verschärft.
Zum Beispiel?
In den letzten 20 Jahren war es vielleicht nie schwieriger, Erzieher:innen für unsere Kitas zu finden. Die Kosten für Bauprojekte wie neue Wohnheime sind in den letzten Jahren astronomisch in die Höhe geschossen. Der Andrang in unseren psychotherapeutischen Beratungsstellen ist seit der Pandemie auf einem ungebrochenen Höchststand. Und im BAföG-Amt stecken wir mitten in einem umfassenden Digitalisierungsprozess.
Auch in unseren Mensen sind neue Konzepte gefragt. Denn durch Home-Office und hybrides Studium sind unsere Verkaufszahlen spürbar gesunken. Das macht es schwierig, unsere günstigen Preise aufrechtzuerhalten und weiterhin die gewohnte Vielfalt an Gerichten anzubieten.
Aber wir tun alles dafür, um mit allen unseren Angeboten weiterhin attraktiv zu bleiben - und für die Studierenden da zu sein!
Das hört sich tatsächlich einer Menge Herausforderungen an. Umso mehr freut es uns, dass Sie sich heute für unser gemeinsames Mittagessen Zeit genommen haben.
Sie haben eine vegetarisches Tofu-Gericht von der Wok-Theke gewählt...
Ja, und ich muss sagen: Super lecker! Ich bin restlos begeistert.
Ich hatte mir schon vorgenommen, hier in Hohenheim unbedingt etwas Vegetarisches zu essen. Denn das ist tatsächlich besonders beliebt an diesem Standort. In keiner anderen unserer Mensen ist die Nachfrage nach veganen und vegetarischen Gerichten so hoch wie hier.
Darauf hat sich der Küchen-Chef in den letzten Jahren eingestellt: Der Anteil von fleischlosen Gerichten liegt inzwischen bei über 60%. Vor der Pandemie war das Verhältnis noch genau anders herum.
Das heißt in Tübingen, Reutlingen & Co werden andere Gerichte serviert als hier in Hohenheim?
Wir haben einen zentralen Einkauf und viele Parallelen in den Speiseplänen. Sonst könnten wir unsere Gerichte nicht so günstig anbieten. Dennoch haben die Mensa-Leitungen vor Ort auch Freiheiten, individuelle Schwerpunkte zu setzen. Dabei richten sie sich in erster Linie nach der Nachfrage.
Auch in unserer größten Mensa, der "Morgenstelle" in Tübingen, bieten wir vegetarische Gerichte an. Doch dort werden sie bei Weitem nicht so oft bestellt. Entsprechend kalkuliert das Team mit kleineren Mengen und insgesamt weniger vegetarischen Angeboten.
Viele Leute machen sich Gedanken, wie der Campus-Alltag in Hohenheim noch nachhaltiger werden kann. Ideen dazu haben wir letztes Semester u.a. auf unserer Plattform "Besser wär besser GREEN" gesammelt.
Auch die Mensa war hier ein Thema. Was halten Sie z.B. von der Idee, mehr regionale Zutaten zu verwenden? ...
Hier sind wir sind bereits auf dem Weg: Schon heute stammen z.B. das Fleisch, das Frischobst und die Backwaren fast ausschließlich aus der Region. Und wir arbeiten daran, immer mehr regionales Gemüse ins Sortiment aufzunehmen.
Allerdings müssen wir immer auch die Kosten im Blick behalten. Daher schließen wir uns bei bestimmten Produkten, wie z.B. Tiefkühlgemüse mit anderen Studierendenwerken für europaweite Beschaffung zusammen.
... Wie können Lebensmittelabfälle in der Mensa reduziert werden?
Es sorgt immer wieder für Erstaunen, aber in unserer Küche fallen nahezu keine Lebensmittelabfälle an.
Basierend auf unseren Erfahrungswerten versuchen wir, so genau wie möglich zu kalkulieren. Produzieren wir bei einem Gericht zu viel, bieten wir Komponenten davon, wenn möglich, am Folgetag als "Angebot des Tages" für 2,85 € an. Weitere Restposten verarbeitet das Küchenteam zu Salaten oder Suppen.
Essensreste, die Mensagäste auf ihren Tabletts zurückgehen lassen, können wir selbstverständlich nicht weiterverwenden. Stattdessen werden sie separat gesammelt, von einem Verwerter abgeholt und in einer Biogasanlage zu Biogas verarbeitet.
Ein wichtiger Schritt zur allgemeinen Müllvermeidung war auch die Abschaffung der Einwegbecher in der Cafeteria. Auf diese Weise sparen wir pro Jahr über 80.000 Einwegbecher.
Wie steht es mit der Einführung von Bio-Menüs?
Hier kommen wir im Moment leider an unsere Grenzen. Denn Bio-Zutaten sind erheblich teurer und auch schwieriger termingerecht in den erforderlichen Mengen beschaffen. Außerdem gibt es strenge Auflagen: Bio-Gemüse muss z.B. getrennt von konventionellem Gemüse gelagert werden. Das ist eine echte logistische Herausforderung.
Anders gesagt: Wenn wir Bio-Menüs anbieten würden, müssten wir viele Prozesse umstellen und unsere Preise drastisch erhöhen. Das beißt sich dann aber mit unserem gesetzlichen Auftrag: Denn die Mensen sind in erster Linie dafür da, eine kostengünstige Basis-Verpflegung sicherstellen, die sich alle Studierenden leisten können.
Apropos Finanzen: Macht das Studierendenwerk in der Mensa eigentlich Gewinn?
Nein, im Gegenteil. Unsere günstigen Preise sind stark subventioniert.
Zum einen erhalten wir einen Zuschuss vom Land. Zum anderen fließt ein großer Teil der Studierendenwerksbeiträge direkt in die Mensa. Das heißt: Alle Studierenden zahlen solidarisch jedes Semester einen gewissen Betrag, unabhängig davon, wie oft sie in der Mensa essen. Dafür können wir die Gerichte für die Studierenden besonders günstig anbieten.
Auch dieses Solidarmodell ist ein Hintergrund, warum wir nicht nach Belieben auf kostspieligere Gerichte umstellen können.
Dafür gibt es aber gute Nachrichten bei einem anderen Nachhaltigkeitsprojekt, das Studierende sehr häufig bei uns angefragt haben...
Worum geht's?
Wir haben uns im letzten Jahr intensiv damit befasst, wie wir bei all unseren Gerichten eine Art "Klima-Label" anzeigen können.
Möglich wird dies durch eine Verknüpfung des gesamten Warenwirtschaftssystems und der Speiseplanung mit dem Service eines externen Dienstleisters. Die Firma Eaternity hat für jedes Produkt und jede Rezeptur des Speiseplans die angefallene Emission berechnet und in CO2-Äquivalente (CO₂e) umgerechnet.
In Tübingen haben wir die CO2-Kennzeichnung auf unseren Anzeigetafeln bereits erfolgreich eingeführt. In Hohenheim wollen wir Anfang kommenden Jahres nachziehen.
Damit wollen einen Beitrag leisten, im Alltag ein größeres Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sich unsere Ernährung auf das Klima auswirkt - ohne dabei jemanden zu bevormunden. Denn letztendlich können wir das große Ziel "nachhaltige Mensa" nur gemeinsam erreichen. Und alle können mit ihren persönlichen Entscheidungen Einfluss nehmen.
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Fortsetzung folgt. In Teil II des Interviews sprechen wir mit Frau Hein über das Thema Wohnheime.
Interview: Leonhardmair | Video: Schmid / Leonhardmair