Biogas speichert überschüssigen grünen Strom  [20.06.16]

Biogas könnte dazu beitragen ein Problem des grünen Stroms zu lösen: An sonnigen oder windigen Tagen wird mehr Strom produziert als verbraucht. Forscher der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie in Hohenheim wollen die überschüssige elektrische Energie in Biomethan umwandeln – und auf diese Weise einen chemischen Zwischenspeicher schaffen. Relevant ist das vor allem für den geplanten, weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.


Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung steigt kontinuierlich – derzeit stammen rund 33 Prozent aus erneuerbaren Quellen, 2020 sollen es 35 Prozent sein. Daraus erwächst ein Problem: Wenn immer mehr Strom aus Quellen wie Solar oder Wind stammt, deren Dargebot schwankt, ist die Netzstabilität nicht ohne zusätzliche Regelungsmaßnahmen zu gewährleisten.

Möglichkeiten der Zwischenspeicherung werden daher immer wichtiger – doch daran mangelt es noch. Momentan können Pumpspeicherwerke Strom für wenige Stunden bereitstellen, andere Speichermöglichkeiten wie zum Beispiel Batteriespeicher sind erst noch in der Entwicklung und meist sehr teuer. Hier kann Biogas in die Bresche springen.

Schwergewichte der Forschung

31,2 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Hohenheimer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflter 2015 für Forschung und Lehre. Die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ präsentiert herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.


„Den überschüssigen Strom können wir gewissermaßen in Biogas, also Methan, umwandeln“, erklärt Dr. Hans Oechsner, Leiter der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie, das Grundprinzip. „Wir erhalten so einen chemischen Speicher mit einer Lagerkapazität von bis zu vier Monaten. Bei Bedarf kann das Biomethan dann jederzeit in das Erdgasnetz eingespeist werden.“

Dieser Ansatz der Bioökonomie – dem Leitthema der Uni Hohenheim – erhält von der Fachagentur nachwachsende Rohstoffe (FNR) gut 323.000 Euro Förderung und zählt damit zu den Schwergewichten der Forschung.

Methan als chemischer Energiespeicher

Um dies zu erreichen, nutzt man zunächst den Strom aus Solar- und Windenergie um Wasserstoff herzustellen. Wasserstoff hat jedoch nur eine geringe Energiedichte, benötigt also ein großes Speichervolumen. Außerdem kann es wegen seiner geringen Molekülgröße leicht aus Behältern ausgasen, hat daher hohe Verlustraten und ist leicht entzündlich. Er ist daher im Erdgasnetz nur zu geringen Anteilen zugelassen.

Projekt BioHydroMethan

BioHydroMethan steht für „Verfahrensentwicklung für den Einsatz der biologischen Methanisierung in der zweistufigen Biogaserzeugung; Teilvorhaben 1: Untersuchung Festbettfermenter und volldurchmischter Reaktor“. Dem Vorhaben sind drei Teilvorhaben zugeordnet.

Kooperationspartner der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie sind die DVGW-Forschungsstelle am EBI / KIT und das ATB in Potsdam. Das Projekt läuft vom 15.5.2015 bis 15.5.2018. Mit rund 650.000 Euro fördert es das BMEL bzw. die FNR, wovon 323.322 Euro auf Hohenheim entfallen.


Deshalb lässt man in einem zweiten Schritt den Wasserstoff mit Kohlendioxid (CO2) reagieren. Neben Wasser bildet sich Methan – ein Gas mit einer vierfach höheren Energiedichte als Wasserstoff. Der Nachteil dieser Reaktion: Es entstehen sehr hohe Temperaturen, und die Anforderungen an die Reinheit des Gases sind hoch.

„Effektiver und einfacher ist es, für diese Reaktion Mikroorganismen und biochemische Prozesse zu nutzen“, erläutert Oechsner die Alternative zur direkten chemischen Reaktion, an der er gemeinsam mit Dr. Nicola Haag forscht. „Methanbakterien, die sich dafür nutzen lassen, sind außerdem in jeder Biogas-Anlage vorhanden.“


Wasserstoff erhöht Methanausbeute von Biogasanlagen


Das Grundprinzip jeder Biogasanlage besteht darin, dass Mikroorganismen Biomasse als Energielieferant nutzen. Unter Luftabschluss – man spricht von anaerober Vergärung – können sie nur einen geringen Teil der im Gärsubstrat enthaltenen Energie für sich selbst verwenden, die von ihnen nicht nutzbare Energie verbleibt im entstehenden Methan.

„Hauptprodukte einer klassischen Biogasanlage ist also Biogas mit einer Zusammensetzung aus rund 55 Prozent energiereichem Methan und etwa 45 Prozent Kohlendioxid“, so der Biogas-Experte. „Wenn wir nun zusätzlichen Wasserstoff in die Biogasanlage einspeisen, können die Methanbakterien das vorhandene CO2 nutzen, um noch mehr Methan zu produzieren. Theoretisch wären damit 100 Prozent Methangehalt im Biogas erreichbar“, zeigt sich Oechsner optimistisch.


Forscher feilen an technischer Umsetzung


Nach ersten Versuchen, die den Wissenschaftlern bestätigt haben, dass ihre Idee grundsätzlich funktioniert, erproben sie nun verschiedene technische Möglichkeiten der Umsetzung, um den effizientesten Weg zu erforschen.

Dafür haben sie in einem speziellen System den Biogas-Prozess in zwei Stufen geteilt. Die erste Stufe, die Hydrolyse, wird separat geschaltet. „In diesem ersten Schritt werden die organischen Substanzen in organische Säuren umgewandelt, also gewissermaßen verflüssigt“, erläutert Oechsner. „Die Hydrolyse ist bereits gut in anderen Forschungsprojekten von uns untersucht, uns interessiert in diesem Projekt nun die zweite Stufe.“

Diese sogenannte Methanisierungsstufe findet im Fermenter statt, dem Herzstück einer Biogasanlage. „Wir wollen eine andere Fermentergestaltung testen und erproben Festbettreaktoren mit lockenwickler-ähnlichen Füllkörpern, auf denen sich die Mikroorganismen ansiedeln und an denen die organischen Säuren als Futter vorbeiströmen. Der Wasserstoff kann hier leicht eingespeist und von den Bakterien mitverbraucht werden.“

Schema der der zweistufigen Biogaserzeugung:




Versuche in Laborfermentern sollen Randbedingungen klären


Für ihre Versuche haben die Forscher eine Container-Anlage mit vier kleinen Laborfermentern à 100 Litern Volumen aufgebaut. Darin wollen sie nun diverse Fragestellungen parallel untersuchen. „Wir möchten ermitteln, welche Randbedingungen für eine möglichst hohe Umsetzung nötig sind“, legt Oechsner dar. „Fragen also zur Temperatur, zur Raumbelastung, zur Blasengröße des Wasserstoffs, oder ob ein Festbettreaktor wirklich besser ist als ein klassischer, voll durchmischter Fermenter.“

Das Ziel der Wissenschaftler ist ein möglichst effizientes System zur biologischen Methanisierung des Wasserstoffs. „Derartige Anlagen könnten für die Landwirte eine neue Verdienst-Option darstellen“, meint der Forscher.

Das Biomethan könne nach einer Zwischenreinigungsstufe sowohl ins Erdgasnetz eingespeist, als Kraftstoff genutzt oder nach Bedarf auch wieder in Strom umgewandelt werden. „Auf diese Weise“, betont Oechsner, „können Landwirtschaft und Bioökonomie einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten und somit zur Sicherung der Energieversorgung beitragen.“

Text: Elsner


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