Fruchtzubereitungen frei von Zusatzstoffen [17.11.22]
Lebensmittel ohne Zusatzstoffe: Statt Fruchtzubereitungen deklarationspflichtige Gelier- und Verdickungsmittel zuzusetzen, sollen künftig Substanzen für den nötigen Halt sorgen, die von Bakterien direkt im Produkt erzeugt werden sollen. Dies ist das Ziel eines Forschungsvorhabens mit Beteiligten der Universität Hohenheim: Prof. Dr. Herbert Schmidt vom Fachgebiet Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene, Prof. Dr.-Ing. Mario Jekle vom Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel, sowie Prof. Dr. Uwe Beifuß vom Fachgebiet Bioorganische Chemie. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das Vorhaben mit insgesamt rund 420.000 Euro.
Vor allem bei der Herstellung von Milchprodukten wird verarbeitetes Obst in Form von Fruchtzubereitungen eingesetzt. Sie geben Quark, Joghurt oder Eis, aber auch für Backwaren, Torten, Süßwaren und anderen Lebensmitteln die fruchtige Note. Rund 359.000 Tonnen Fruchtzubereitungen im Wert von 614 Mio. Euro wurden im Jahr 2019 in Deutschland erzeugt, darunter 286.000 Tonnen für die Milchindustrie und die Speiseeisherstellung.
Zur Herstellung von Fruchtzubereitungen werden Fruchtstücke, -fleisch, -mark und -saft mit Zucker, natürlichen Aromastoffen oder -extrakten, färbenden Lebensmitteln, Säuren und ggf. weiteren Zutaten versetzt. Eine besondere Herausforderung dabei stellt die gleichmäßige Verteilung der Fruchtstückchen in der fertigen Masse dar. Oft kommen hierfür spezielle Kohlenhydrate zum Einsatz, sogenannte Hydrokolloide. Ihr Nachteil: Sie sind als Lebensmittelzusatzstoffe deklarationspflichtig.
Um neue bzw. weitere Schichten von Konsumierenden erschließen zu können, ist für die Lebensmittelindustrie ein sogenanntes „Clean Label“ wichtig. Gemeint ist damit die Herstellung von Lebensmitteln ohne Zusatzstoffe, die auf dem Etikett deklariert werden müssen. Ziel des Kooperationsprojektes von drei Arbeitsgruppen an der Universität Hohenheim ist es daher, einen innovativen Ansatz zur Produktion von Fruchtzubereitungen zu entwickeln, mit dem trotzdem die notwendige Viskosität und Strukturstabilität erreicht werden kann.
Die Forschenden setzen dabei auf die Hilfe von Milchsäurebakterien, die bei der Herstellung von Milcherzeugnissen wie Joghurt, Dickmilch oder Käse eingesetzt werden. Dabei bilden sie besondere Kohlenhydrate, die Exopolysaccharide. Mit ihnen können ähnliche Effekte erzeugt werden wie durch den Zusatz von Hydrokolloiden. Zwar finden Exopolysaccharide in der Lebensmittelindustrie bereits als Verdickungsmittel, Stabilisatoren, oder Emulgatoren Anwendung. Sie werden dazu aber gesondert erzeugt und den Lebensmitteln als Zusatzstoff zugegeben.
Die Hohenheimer Forschenden verfolgen deswegen einen anderen Ansatz: Mit Hilfe der Milchsäurebakterien sollen die Exopolysaccharide direkt in den Fruchtkomponenten erzeugt werden. Eine besondere Herausforderung ist dabei, die passenden Bakterien-Stämme zu finden. Denn sie müssen sich nicht nur in der pflanzlichen Matrix bei einem sauren pH vermehren, sondern zugleich auch unter diesen Bedingungen Exopolysaccharide bilden können.
So kann der Einsatz von Hydrokolloiden reduziert bzw. vermieden werden. Ziel ist ein Produkt mit so wenig Zusatzstoffen wie möglich, das auch die Marktöffnung für zahlreiche Bioprodukte ermöglicht.
Eckdaten des Projekts
- Projekttitel: Fermentation von Fruchtkomponenten mit Exopolysaccharid-bildenden Milchsäurebakterien zur strukturellen Stabilisierung von Fruchtzubereitungen
- Fördersumme: 417.494 Euro
- Förderinstitution: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF)
- Projektdauer: 1.8.2022 - 31.7.2025
- Koordination: AGRANA Fruit Germany GmbH, Konstanz
- Kooperationspartner:innen: Fachgebiet Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene (Prof. Dr. Herbert Schmidt), Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel (Prof. Dr. Mario Jekle), Fachgebiet Bioorganische Chemie (Prof. Dr. Uwe Beifuß), Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie e.V. (BOGK) Bonn, Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e.V. (VdF) Bonn
Kontakt
Prof. Dr. Herbert Schmidt, Universität Hohenheim, Fachgebiet Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene,
+49 (0)711 459 22305, herbert.schmidt@uni-hohenheim.de
Prof. Dr.-Ing. Mario Jekle, Universität Hohenheim, Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel,
+49 (0)711 459 22314, mario.jekle@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Uwe Beifuß, Universität Hohenheim, Fachgebiet Bioorganische Chemie,
+49 (0)711 459 22171, ubeifuss@uni-hohenheim.de
Schwergewichte der Forschung
Als „Schwergewichte der Forschung“ gelten herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 350.000 Euro bei den Experimental- bzw. 150.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.