Er will Bakterien und Viren besser verstehen [11.11.22]
Mikroorganismen sind seine Welt: Prof. Dr. Fabian Commichau leitet seit März dieses Jahres das Fachgebiet Molekulare Mikrobiologie. Er möchte mit seiner Forschung seinem Ziel, eine lebende Zelle in ihrer Gesamtheit zu verstehen, ein Stück näherkommen.
Das hat auch Bezüge zur Praxis, etwa bei der Erforschung von Herbzid-Resistenzen. Auch Bakteriophagen – also Viren, die Bakterien befallen – stehen in seinem Fokus: Nicht immer töten sie ihren Wirt, die Koexistenz kann auch für beide Seiten von Vorteil sein.
Herr Commichau, Sie sind seit März dieses Jahres in Hohenheim. Wie war Ihr Start?
Aufgrund der häufigen Wohnungs- und Wohnortswechsel in der Vergangenheit ist meine Familie zum Umzugsmeister geworden. Sowohl der Umzug als auch der Neustart in Hohenheim verliefen daher reibungslos. Durch die Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Hohenheim ist uns der Ortswechsel noch leichter gefallen. Dafür danke ich ihnen sehr!
Hinweis der Redaktion |
---|
Seit Beginn der Corona-Pandemie war es zeitlich nicht mehr möglich, die traditionellen Willkommensinterviews mit neuen Profs durchzuführen. Nun wird dies in Form einer Serie mit schriftlichen Fragebögen nachgeholt. |
Ihr Fachgebiet ist Molekulare Mikrobiologie. Was genau versteht man darunter?
In der molekularen Mikrobiologie beschäftigen wir uns mit sogenannten Modellbakterien, die weltweit auch in anderen mikrobiologischen Laboren untersucht und in der Industrie für die Herstellung von Enzymen und Feinchemikalien eingesetzt werden. In diesen mikroskopisch kleinen Organismen versuchen wir die zellulären Prozesse, die für das Leben essenziell sind (z. B. Nährstoffaufnahme, Anpassung an die Umwelt), im Detail zu verstehen.
Ziel ist es, eine lebende Zelle in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Das Ziel ist sehr ehrgeizig, und natürlich kann meine Arbeitsgruppe nur einen winzig kleinen Beitrag dazu leisten, diesem Ziel näher zu kommen.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit Viren, die Bakterien direkt für die eigene Vermehrung nutzen und zerstören oder sich zusammen mit den Bakterien vermehren, ohne sie gleich zu töten. Diese Koexistenz kann sowohl für die Bakterien als auch für die Viren vorteilhaft sein.
Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet?
Besonders fasziniert mich, dass die Bakterien trotz ihrer geringen Größe in der Lage sind, sich an fast jeden Bereich des Planeten anzupassen, der das Leben in irgendeiner Weise unterstützt.
Alle neuen Profs... |
---|
Darüber hinaus fasziniert mich die rasante Evolution der Bakterien. Wir beobachten zum Beispiel sehr oft, dass Bakterien mit bestimmten genetischen Defekten fast immer einen Weg finden, diese Defekte durch die Anreicherung wachstumsfördernder Mutationen zu beseitigen. Durch die Analyse der evolvierten Bakterienvarianten können neue funktionelle Zusammenhänge in einer Zelle aufgedeckt werden.
Wie war denn Ihr persönlicher Weg bis zur Professur in Hohenheim?
Nach meiner Promotion und zwei Postdoc-Aufenthalten habe ich zwei Jahre in einem Chemieunternehmen gearbeitet und wäre auch beinahe in der Industrie geblieben. Vor meinem Wechsel zu einem größeren Biotechnologie- und Pharmaunternehmen bot mir mein Doktorvater an mich an einer akademischen Laufbahn in Göttingen zu versuchen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, da mir die wissenschaftliche Grundlagenforschung ohne direkten Anwendungsbezug nach wir vor viel Freude bereitet! Nach einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt an der BTU Cottbus-Senftenberg ist meine Arbeitsgruppe nun in Hohenheim angekommen.
Mit welchen Forschungsthemen beschäftigen Sie sich denn momentan?
Wir beschäftigen uns mit der Anpassung der Bakterien an ihre Umwelt, mit neuartigen Mechanismen der Genregulation, mit der Evolution von Stoffwechselwegen sowie der Herbizid-Resistenz und mit der Biologie von Viren, die Bakterien befallen. Seit unserem Neustart an der Uni Hohenheim haben bereits Studierende von der Uni und aus dem Ausland an unseren Forschungsarbeiten mitgewirkt.
Fachgebiet Molekulare Mikrobiologie |
---|
Seit 1.3.2022 leitet Prof. Dr. Fabian Commichau das Fachgebiet. Die Bezeichnung änderte sich von „Mikrobiologie“, nachdem der frühere Leiter Prof. Dr. Andreas Kuhn in den Ruhestand trat. mehr |
Was ist für Sie gute Lehre?
Ähnlich wie andere Forschungsgebiete entwickelt sich auch die Mikrobiologie rasend schnell weiter. Daher ist es auch für Lehrende oft schwierig den Überblick zu behalten. Unter guter Lehre verstehe ich die Vereinfachung komplexer Sachverhalte und die Vermittlung der wesentlichen Inhalte, die zum Verständnis unbedingt benötigt werden. Dies ist aus meiner Sicht sehr wichtig, um Studierende für die Mikrobiologie begeistern zu können.
Haben Sie einen Tipp für ein erfolgreiches Studium?
Aus eigener Erfahrung sollte man den Beruf wählen, der einen wirklich interessiert. Ist die Berufswahl einmal gefallen, dann wird man mit Disziplin und intensivem Lernen das Studium bestimmt erfolgreich meistern.
Eine letzte Frage: Was machen Sie denn, wenn Sie nicht arbeiten?
Zusammen mit der Familie bin ich gerne in der Natur unterwegs, weil es immer interessante Dinge zu entdecken gibt. Außerdem fahre ich sehr gerne Fahrrad oder vertiefe mich nach Möglichkeit in ein Buch.
Herzlichen Dank, Herr Commichau!
Interview: Elsner