Ukrainische Studentin & AKN im Interview [03.03.22]
Die letzten Tage haben für sie alles verändert. Darya Zay macht an der Uni Hohenheim ihrem Bioökonomie-Master. Eigentlich wollte die ukrainische Studentin in der vorlesungsfreien Zeit ihre Mutter in Kyjiw besuchen. Stattdessen organisiert sie nun Hilfsaktionen für ihr Heimatland. Mut macht ihr die Unterstützung auf dem Campus. Montag bis Mittwoch nehmen studentische Gruppen und die Verfasste Studierendenschaft in der TMS Sachspenden entgegen. Dringend benötigt werden vor allem haltbare Lebensmittel, Verbandsmaterial und Medikamente. Im Interview berichten Darya Zay sowie Anna Struth vom Arbeitskreis Nachhaltigkeit (AKN), was sie in diesen Tagen bewegt.
Sachspenden können Montag bis Mittwoch (7./8./9. März) von 10-18 Uhr in der TMS abgegeben werden (Emil-Wolff-Straße 20). Eine alternative Annahmestelle ist das Gemeindezentrum Asemwald. Die Aktion läuft dort bis auf weiteres täglich 8-10 Uhr sowie 18-20 Uhr. Kontakt für Fragen oder Unterstützung: akn@uni-hohenheim.de oder Instagram @aknunihohenheim
Darya, was für ein schrecklicher Anlass für dieses Interview. Wie hast du die letzten Tage erlebt?
Darya: Es ist schwer in Worte zu fassen. Am 24.2. rief meine Mutter aus Kyjiw an, sie weinte. Im Hintergrund hörte ich Explosionen. So habe ich vom Krieg erfahren.
Ich bin gerade in meinem Abschlusssemester im Masterstudiengang Bioökonomie. Eigentlich hatte ich schon lange geplant meine Mutter diese Woche in Kyjiw zu besuchen. Doch es ist anders gekommen. Die ganze Welt hat sich verändert. Niemand in der Ukraine hat mit so etwas gerechnet. Jetzt sind unsere Städte abgeschottet, Kinder sterben. Es ist surreal.
Sachspenden-Aktion |
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Kontakt: akn@uni-hohenheim.de oder Instagram @aknunihohenheim Spendenkonto: Kathol. Stadtdekanat/ Ukrainische Gemeinde |
Hier in Deutschland sind wir fassungslos über die Bilder. In der Ukraine selbst erleben Menschen die Hölle. Ich weiß es, denn ich habe jeden Tag mit meiner Mutter in Kyjiw telefoniert. Jetzt hat sie die Stadt verlassen, ich hoffe es geht ihr gut.
Trotz allem hat die Ukrainerinnen und Ukrainer der Mut nicht verlassen. Alle fühlen das Gleiche: Wir können nicht zulassen was passiert. Putin hat mit seinen Panzern und seinen Lügen nicht nur der Ukraine den Krieg erklärt, sondern auch der Freiheit, der Wahrheit und der Menschlichkeit. Wir werden seine grausamen Kriegsverbrechen, die jetzt jeden Tag geschehen, nicht vergessen.
Was denkst du über die Reaktionen in Deutschland?
Darya: Was ich in den letzten Tagen erlebt habe, hilft mir, nicht zu verzweifeln. In der ukrainischen Community haben wir angefangen, Hilfsaktionen zu organisieren. Dabei unterstützen uns so viele Menschen unterschiedlichster Nationalitäten.
Deutsch, italienisch, polnisch – das alles spielt jetzt keine Rolle: Wir wollen doch alle nur in einer friedlichen Welt leben. Es kommt mir vor, als ob wir in diesem Moment ein Volk wären. Auch eine russische Frau hilft uns in der ukrainischen Gemeinde beim Sammeln von Spenden, und auf dem Campus unterstützt uns eine russische Kommilitonin. Es ist nicht der Krieg des russischen Volkes. Es ist Putins Krieg gegen die freie, friedliebende Welt.
Es bewegt mich wirklich, dass Menschen auf so viele unterschiedliche Art und Weise helfen wollen: Sei es bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten, auf Demonstrationen, beim Sammeln von Spenden, auf der Ebene der Politik – oder eben als Soldaten im Kampf für ihre Heimat.
Auch auf dem Hohenheimer Campus ist eine humanitäre Hilfsaktion geplant. Der AKN, die Verfasste Studierendenschaft und weitere studentische Gruppen nehmen von Montag bis Mittwoch Sachspenden in der TMS entgegen.
Anna: Ja, denn auch wir sind fassungslos. Für unsere Generation in Deutschland war Krieg nie so nah und hat sich nie so real angefühlt. Mit dem AKN waren wir am Wochenende auf zwei Friedensdemos auf dem Schlossplatz und haben uns zu einem Gesprächsabend getroffen, um irgendwie zu verarbeiten, was gerade passiert. Das alles hilft jetzt, nicht in eine innere Lähmung zu verfallen.
Eine humanitäre Hilfsaktion haben wir noch nie organisiert. Aber dafür viele andere Aktionen auf dem Campus. Als Darya uns kontaktierte war klar, dass wir sie unterstützen. Seit wir die Info über Instagram gepostet haben, haben sich schon viele Studierende bei uns gemeldet und sich unserer Whatsapp-Gruppe angeschlossen, um verschiedenste Aufgaben zu übernehmen. Das macht Mut!
Kyjiw oder Kiew? |
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Beide Namen bezeichnen die gleiche Stadt. Die Schreibweise "Kyjiw" (oder auch Kyjv) wird aus der ukrainischen Sprache abgeleitet, „Kiew“ wird aus dem Russischen, was seit längerem für Kritik sorgt. |
Es gibt aber noch ein paar Lücken im Schichtplan. Insbesondere sind wir aktuell auch noch auf der Suche nach Autofahrer:innen, die uns helfen die Sachspenden zum Sammelpunkt in Stuttgart-Nord zu transportieren. Wer mithelfen will oder eine Frage hat kann uns per Mail oder Instagram jederzeit kontaktieren.
Welche Sachspenden werden jetzt besonders dringend benötigt? Und was passiert damit?
Darya: Wir unterstützen die Hilfsaktion des katholischen Stadtdekanats und der Ukrainischen Gemeinde. Neben der TMS gibt es auch die Möglichkeit Sachspenden im Gemeindezentrum Asemwald abzugeben. Die Hilfsaktion dort ist zeitlich erstmal nicht begrenzt und läuft solange es notwendig ist.
Die Spenden werden an die polnische Grenze gebracht und von dort weiter ins Land, sofern möglich. Ein Teil wird zur Versorgung von Geflüchteten an der Grenze verwendet.
Gerade eben habe ich erfahren, dass aufgrund der dramatischen Entwicklung nicht mehr alle LKWs zur Ukraine abgefertigt werden können. Es werden jetzt nur noch Lieferungen mit haltbaren Lebensmitteln, Babynahrung, Verbandszeug und Medikamenten durchgelassen. Diese Dinge benötigen wir im Moment am dringendsten. Aber auch Geldspenden für Verpackung und Transport sind wichtig.
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Detaillierte Informationen haben wir in einer Liste zusammengestellt.
Wie blickst du in die Zukunft, Darya?
Darya: Im Moment ist es mir nicht möglich über die Zukunft nachzudenken. Ich lebe von einem Tag zum nächsten: morgens telefoniere ich mit meiner Mutter und anderen Verwandten. Ich habe einen 2-jährigen Neffen. Tagsüber organisiere ich Hilfsaktionen und versuche die neuesten Nachrichten zu erhalten. So habe ich die letzten Tage verbracht. Alle sonstigen Pläne wurden letzte Woche zerstört.
Meine Hoffnung ist, dass die Solidarität mit der Ukraine so stark bleibt, wie sie im Moment ist. Wir brauchen weiterhin die Hilfe aller Menschen, die den Krieg ablehnen. So unterschiedlich diese Hilfe auch ausfallen mag. Wenn die Menschen die Ukraine vergessen, ist die Freiheit morgen auch anderswo in Gefahr. Wenn es aber gelingt, dass die Welt zusammensteht, können wir Putin stoppen.
Ich bin in diesem Moment sehr stolz auf mein tapferes Volk und fühle, dass wir für mehr kämpfen als nur für unser eigenes Land.
Interview: Leonhardamir