Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf der Spur [27.05.22]
Könnte eine Störung der inneren Uhr verantwortlich für die Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sein? Dieser Frage gehen an der Universität Hohenheim die beiden Forschungsteams um Prof. Dr. W. Florian Fricke vom Fachgebiet Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik und Prof. Dr. Axel Lorentz vom Fachgebiet Ernährungsmedizin und Prävention nach. Die Baden-Württemberg Stiftung fördert dieses Verbundprojekt mit rund 425.000 Euro.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa nehmen weltweit zu. Bislang weiß man jedoch zu wenig über die Ursachen für deren Entstehung, so dass es nur unzureichende Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung gibt.
Eine entscheidende Rolle bei diesen Erkrankungen spielen Veränderungen in der Zusammensetzung der Darm-Flora oder dem Darm-Mikrobiom. Dadurch wird das normale Wechselspiel der Bakterien mit dem Stoffwechsel und dem Immunsystem des Körpers gestört, was wiederum Entzündungsprozesse begünstigt.
Eine Ursache für dieses Ungleichgewicht im Mikrobiom und damit bei der Entstehung von Darmentzündungen könnte nach Ansicht von Prof. Dr. W. Florian Fricke und Prof. Dr. Axel Lorentz in einer Fehlsteuerung der inneren Uhr des Körpers liegen. Diese wird durch Veränderungen von Licht, Temperatur, Ernährung und anderen Umweltfaktoren gesteuert, so dass viele zelluläre, biochemische und physiologische Funktionen des Organismus einem 24-Stunden-Rhythmus folgen. Auch die Zusammensetzung der Darmflora ändert sich im Laufe des Tages.
Störungen dieser sogenannten zirkadianen Uhr können zu Veränderungen in der Genaktivität des Organismus führen und damit Entzündungsprozesse beeinflussen. So zeigen Mäuse mit einer experimentell ausgelösten Darmentzündung eine reduzierte Aktivität von Genen, die die innere Uhr sowie die Entzündungsreaktionen steuern. Zudem konnten die Forschenden spezifische Änderungen in Zusammensetzung und Menge des bakteriellen Mikrobioms dieser Mäuse unmittelbar vor und während einer aktiven Kolitis nachweisen.
Im neuen Projekt wollen die Forschenden das Verständnis für die Rolle des Darm-Mikrobioms und der biologischen Uhr bei Darmentzündungen sowie der beteiligten Mechanismen vertiefen. Dies bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer, innovativer Ansätze zur Behandlung von CED-Betroffenen und zur Verbesserung ihrer Lebensqualität. So könnte beispielsweise eine Nahrungsaufnahme zu festgelegten Zeiten die innere Uhr des Organismus wieder justieren, die Darmflora positiv beeinflussen und entzündungshemmende Wirkungen entfalten.
Eckdaten des Projekts
- Projekttitel: „Microbiome modulation via circadian clock disruption and resetting to promote or attenuate colitis“ – SET-MBIO-CLOCK
- Fördersumme: 425.110 Euro
- Förderinstitution: Baden Württemberg Stiftung GmbH im Rahmen des Programms „Mikrobiom“
- Projektdauer: 1.4.2022-31.3.2025
- Koordinator: Prof. Dr. W. Florian Fricke, Fachgebiet Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik
- Partner: Prof. Dr. Axel Lorentz, Fachgebiet Ernährungsmedizin/Prävention und Genderforschung
Einsatz von Tieren an der Universität Hohenheim
Die Universität Hohenheim ist Erstunterzeichnerin der 2021 gestarteten, bundesweiten Initiative Transparente Tierversuche. Erkenntnisgewinn und Wissensvermittlung zum Nutzen aller Lebewesen und zum Schutz unseres Planeten ist auf absehbare Zeit nicht ohne Forschung und Lehre mit Tieren möglich. An deren Durchführung legen Gesellschaft, Gesetzgeber und die Universität Hohenheim selbst sehr strenge Maßstäbe: Bereits 2017 hat sich die Universität eine Leitlinie gegeben, in der sie sich weiterhin zur Notwendigkeit von Tierversuchen bekennt, aber auch zur Verpflichtung, diese zu reduzieren, abzumildern und transparent darüber zu informieren.
Schwergewichte der Forschung
Als „Schwergewichte der Forschung“ gelten herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 350.000 Euro bei den Experimental- bzw. 150.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.
Kontakt
Prof. Dr. W. Florian Fricke, Universität Hohenheim, Fachgebiet Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik
+49 (0)711 459 24 841, w.florian.fricke@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Axel Lorentz, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ernährungsmedizin/Prävention und Genderforschung
+49 (0)711 459 24391, lorentz@uni-hohenheim.de
Text: Stuhlemmer