Sie bildet die Change Maker von morgen aus  [06.09.23]

Genug ist mehr als viel: Sogenannte suffizienz-orientierte Lebensstile, bei denen man mit einem freiwillig geringen Konsumniveau Ressourcen schont, sind eines der vielen Forschungsthemen von Jun.-Prof. Dr. Laura Henn. Sie leitet seit 1. März 2023 das Fachgebiet „Nachhaltiges Handeln und Wirtschaften“ an der Uni Hohenheim.


Das Individuum steht im Fokus der Umweltpsychologin. Wobei es ihr nicht nur um nachhaltiges Handeln im privaten Bereich geht, sondern auch darum, wie sich Menschen in anderen Lebensbereichen, etwa ihrem beruflichen Umfeld, verhalten. Denn der Faktor Mensch sei bei der Transformation der Gesellschaft nicht zu unterschätzen, betont sie. Das möchte sie auch ihren Studierenden vermitteln – damit sie später privat und im Beruf zu Change Makern werden.


Frau Henn, „Nachhaltiges Handeln und Wirtschaften“ – was beinhaltet der Name Ihres Fachgebietes?

Nachhaltiges Handeln beinhaltet alles, was Menschen tun und was Auswirkungen auf Umwelt und Klima hat. Also wie treffen Menschen Entscheidungen, wie handeln sie als Privatpersonen, aber auch als Person in einem politischen Amt oder einer Organisation. Oder auch als Lehrer:in, denn diese haben auch noch Multiplikations-Funktion. Von welchen persönlichen Überzeugungen werden die Menschen geleitet und wie sehen sie Lösungen für die Probleme?

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Ich bin also keine Ökonomin, sondern betrachte aus individueller Perspektive, wie Menschen nachhaltig leben können – aber auch wie sie mit den Unternehmen, in denen sie arbeiten, sie gründen oder leiten, Einfluss auf die Lebensweise anderer nehmen.

Es geht Ihnen also primär um Individuen und nicht um Unternehmen?

Genau – aber es geht eben durchaus darum, wie Individuen auch in Unternehmen handeln und wirken. Das beeinflusst ja, wie bzw. ob Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit handeln und etwas für eine nachhaltige Gesellschaft tun. Und wie sie nachhaltige Arbeitsplätze schaffen können. Dafür ist die Basis das individuelle Handeln und die Frage, welche Bedingungen es braucht, damit wir als Gesellschaft nachhaltiger werden.

Was ist denn Ihr persönlicher Hintergrund?

Ich bin Psychologin mit einem Fokus auf dem Denken und Handeln von Menschen. Umweltpsychologische Themen haben mich schon sehr früh fasziniert. Also die Frage, wie man Menschen dazu motivieren kann, Nachhaltigkeit wichtig zu finden und bestimmte Verhaltensweisen umzusetzen. Dabei gibt es Dinge, die leicht umsetzbar sind – Müll trennen zum Beispiel. Anspruchsvolle Umweltverhaltensweisen dagegen fallen deutlich schwerer, wie etwa Fleischverzicht oder ein Verzicht auf das Auto.

Fachgebiet Nachhaltiges Handeln und Wirtschaften

Seit 1.3.2023 leitet Jun.-Prof. Dr. Laura Henn das Fachgebiet. Es handelt sich um eine Juniorprofessur mit Tenure-Track, gefördert durch das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wiss. Nachwuchses. Diese Professuren sind auf 6 Jahre befristet und werden bei Bewährung in eine reguläre Professur umgewandelt. mehr 



Es interessiert mich, wie persönliche Überzeugungen privates Konsum-, Mobilitäts- oder Ernährungsverhalten beeinflussen. Spannend sind auch insgesamt Suffizienz-orientierte Lebensstile, also wenn man durch ein freiwillig geringes Konsumniveau natürliche Ressourcen schont.

Wie sind Sie zu diesen Themen gekommen?

Schon während des Studiums der Psychologie. In meinem Auslandssemester habe ich einen Kurs zu Umweltpsychologie belegt – und war ganz fasziniert von den Möglichkeiten. Nachhaltigkeit ist für mich ein Herzensthema, aber es wird dabei immer noch zu wenig über die Rolle der Menschen gesprochen. Immer werden technologische Lösungen überlegt, und es heißt, die Menschen könne man schließlich nicht ändern. Das stimmt nicht, der Faktor Mensch ist wichtig – sogar für die technologischen Lösungen. Wir müssen die Menschen und ihr Verhalten besser verstehen, sonst kommen wir nicht weiter. Die meisten Leute wollen zum Beispiel Klimaschutz und sind eigentlich bereit sich zu engagieren. Dafür braucht es auch förderliche Bedingungen.

Und Sie erforschen, wie sich das ändern lässt?

Ja, aber wir wollen nicht einzelne Verhaltensweisen beeinflussen, sondern idealerweise erreichen, dass die Menschen in freier Entscheidung ihren ganzen Lebensstil nachhaltiger ausrichten. Dazu ist es interessant, sogenannte Spillover-Effekte besser zu verstehen, also wenn das Verhalten von einer Sache überspringt auf andere Verhaltensweisen. Dazu müssen die Leute überzeugt sein, dass sie etwas ändern können und realisieren, dass sie viele Handlungsmöglichkeiten haben, die sie nutzen können.

Menschen denken in Bezug auf umweltbewusstes Verhalten oft: Ich bin dafür, aber die anderen nicht. Dieses Denkmuster ist weit verbreitet, obwohl viele sich in Wirklichkeit in der Mehrheit befinden. Der soziale Einfluss ist ein wichtiger Aspekt, das Gefühl, gemeinsam zu handeln und zusammenzuarbeiten. Eine effektive Kommunikation, die die Mehrheit unterstützt und das Wir-Gefühl stärkt, kann daher einen motivierenden Effekt haben. Es ist auch von großer Bedeutung, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu betonen.

Forschendes Lernen

Im Rahmen eines Forschungspraktikums hat Jun.-Prof. Dr. Laura Henn gemeinsam mit Studierenden untersucht, welche Faktoren dazu führen, dass Menschen zugunsten von Klima- und Naturschutz auf Konsum verzichten.


Das ist ja auch in Hohenheim immer ein Thema…

…und das finde ich gut an Hohenheim: Hier ist es ein ernsthaftes Thema, das auf allen Ebenen verfolgt wird, und ein glaubhaftes Ziel, das auch von oben stark vertreten wird.

Auch das Thema Mobilität spielt hier ja eine wichtige Rolle. Die Uni ist da schon aktiv: Sie setzt sich für den ÖPNV ein, es gibt den Arbeitskreis Fahrrad, auch Initiativen wie Stadtradeln tragen dazu bei, die Hohenheimer Identität zu stärken. Vieles wird bereits getan. Trotzdem gibt es aber immer noch sehr viel Autoverkehr zur Uni, das ist eine große Herausforderung.

Fahren Sie selbst auch Rad?

Oh ja, sehr gerne und so gut wie jeden Tag!

Kommen wir noch mal zurück zu Ihrer Forschung. Wie gehen Sie bei Ihren Untersuchungen vor?

Nehmen wir als Beispiel die Frage, inwieweit persönliche Überzeugungen einen Einfluss auf professionelles Handeln haben. Diese Frage ist besonders interessant, wenn Menschen an großen Hebeln sitzen, also etwa in der Politikberatung, in der kommunalen Verwaltung oder internationalen Organisationen.

Wir legen Personen, die in diesen Bereichen tätig sind, Politikberatungs-Szenarien vor, wie sie für ihr Arbeitsumfeld typisch sind. Dabei gibt es Zielkonflikte – etwa wenn der Schutz von Mooren oder Ökosystemen nicht kompatibel ist mit dem Ausbau der wirtschaftlichen Aktivitäten. Unsere Befragungen sollen zeigen, wie die Menschen damit umgehen und was bei ihnen Priorität hat.

Können sich denn Studierende an Ihrer Forschung beteiligen?

Ja, es gibt zum Beispiel das Forschungspraktikum. Darin können die Studierenden eigene Projekte zu nachhaltigem Verhalten oder zu persönlichen Effizienzeinstellungen umsetzen. Achten etwa Leute, die wiederverwendbare Kaffeebecher nutzen, auch insgesamt mehr auf einen ressourcensparenden Lebensstil? Die Studierenden führen dazu Feldstudien in Cafés durch, oder vergleichen die Kundschaft in Unverpackt-Läden mit der in anderen Geschäften.

Am Fachgebiet gibt es auch studentische Hilfskräfte. Sie arbeiten an allen Stadien der Forschung mit. Zur Zeit plant eine studentische Hilfskraft zum Beispiel eine Exkursion vor und unterstützt unsere Gastwissenschaftlerin, die derzeit als Humboldt-Stipendiatin hier ist, bei ihrer Feldforschung. Wir freuen uns auf jeden Fall auch über weitere forschungsbegeisterte studentische Unterstützung.

Ihre Lehre konzentriert sich vor allem auf den Studiengang „Sustainability and Change“. Was bedeutet für Sie gute Lehre?

Gute Lehre muss motivieren und für ein Thema begeistern. Lehrende müssen bemerken, wenn es viel Diskussionsbedarf gibt, ein offenes Ohr und einen Sensor dafür haben, ob alle mitkommen. Studierende sollten auch eigene Themen einbringen können und zum eigenständigen Denken ermutigt werden.

Inhaltlich möchte ich den Studierenden vermitteln, was nachhaltiges Handeln ist, und sie von der Wirksamkeit überzeugen. Es geht nicht nur um Fachkenntnisse, sondern auch um Begeisterung und letztlich um den Transfer auf gesellschaftliche Rollen – also darum, privat und im Beruf zum Change Maker zu werden.

Haben Sie denn einen Tipp für ein erfolgreiches Studium?

Es ist wichtig, sich aktiv einzubringen, mitzudenken und sich mit anderen auszutauschen. Das sollte unbedingt auch viel vor Ort und nicht online stattfinden: Der soziale Kosmos einer Universität ist motivierend und bildend und bietet gleichzeitig Raum für persönliche Weiterentwicklung. Es ist besonders förderlich, einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren, sich in studentischen Gruppen zu engagieren und sich auf diese Weise selbst auszuprobieren. Diese Erfahrungen eröffnen neue Perspektiven und ermöglichen es, über den eigenen Horizont hinauszuwachsen.

Eine letzte Frage, Frau Henn: Wie verbringen Sie denn Ihre Freizeit?

Ich mache gerne Sport und bin draußen in der Natur. Beach-Volleyball, Laufen und Reisen… Außerdem wandere ich gerne und fange gerade an, die Schwäbische Alb zu erkunden. Und Musik ist meine Passion. Ich habe auch mal kurz Klavier studiert. Konzerte und Musikveranstaltungen sind etwas Wunderbares. Selbst musizieren oder Musik genießen entspannt mich ungemein.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview: Elsner


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