„Deutschland – Land der Ideen“ 2018

Klick-Tagebuch für afrikanische Bauern ist „ausgezeichnete Idee“  [04.06.18]

Entwicklungsforschung per Smartphone: Mit 60 Symbolen wie Sähen, Pflügen aber auch Freizeit oder Essen erfasst die rein bilderbasierende „Time-Tracker-App“ den Alltag von Kleinbauern in Sambia, auch ohne Lesen oder Schreiben können zu müssen. Wissenschaftler der Uni Hohenheim erforschen mithilfe der App, wie das Einkommen von Kleinbauern in Sambia gesteigert und die Arbeitsbelastung gleichzeitig verringert werden könnte. Entwickelt wurde die App von der Hochschule der Medien (HdM). Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ 2018 und die Deutsche Bank zeichneten das Projekt nun als „Ort im Land der Ideen“ 2018 aus.


2.790 Tage, 62 Familien, 60 Symbole, jeweils 1 Klick: Während einer Farmsaison ließen Wissenschaftler der Uni Hohenheim Kleinbauern in Sambia ihren Alltag dokumentieren – alles mithilfe einer bilderbasierten Smartphone App der Hochschule der Medien.

Ziel war es, durch die Dokumentation herauszufinden, ob und wie sich das Einkommen von Kleinbauern durch Mechanisierung steigern ließe, wie die Arbeitsbelastung verringert werden kann und wie sich das auf das soziale Leben der Kleinbauern auswirken könnte.

Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und die Deutsche Bank zeichnete die Smartphone-App nun im Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ aus. Unter dem diesjährigen Motto „Welten verbinden – Zusammenhalt stärken“ zählt das Projekt damit zu den 100 innovativen Preisträgern unter knapp 1.500 eingereichten Bewerbungen.

Das Forschungsprojekt: Voraussetzungen und Folgen einer Mechanisierung

Etwa 80 Prozent der Landwirte in Afrika bestellen laut Angaben der Welternährungsorganisation FAO ihre Felder nur mit Handarbeit ohne die Hilfe von Zugtieren oder Traktoren. Daher können sie nur kleine Flächen bewirtschaften, die Erträge sind gering.

Die Folge: „Landwirtschaftliche Einkommen sind niedrig, und gerade junge Menschen finden Landwirtschaft kaum attraktiv und wandern ab“, erklärt Prof. Dr. Regina Birner, Agrarexpertin an der Uni Hohenheim und Leiterin des Forschungsprojektes. Gerade zu den kritischen Zeiten seien oft zu wenige Hände zum Anpacken da. Diesen saisonalen Arbeitskräftemangel und seine Folgen könnte Mechanisierung ausgleichen.

Ziel des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts war es deshalb herauszufinden, welche Voraussetzungen für eine Mechanisierung gegeben sein müssen und welche gesellschaftlichen Folgen zu erwarten sind.

Einflüsse auf die Arbeitsteilung

Dabei stand besonders die Arbeitsteilung innerhalb der Haushalte im Fokus der Wissenschaftler. „Männer pflügen, Frauen jäten Unkraut – das ist laut Literatur die klassische Aufteilung in den Familien“, berichtet Thomas Daum, Doktorand in dem Projekt. „Die Männer-Tätigkeit wird oft zuerst mechanisiert. Uns stellte sich deshalb die Frage, wie die Männer die frei gewordenen Zeit nutzen und wie sich Mechanisierung auf die Zeitnutzung von Frauen auswirkt“.

Um Antworten auf die Fragen zu finden und festzustellen, wann, wie und wo der Einsatz von Traktoren ihnen die Arbeit auf den Feldern erleichtern und damit ihre Erträge steigern könnte, nutzen die Forscher eine „Time Tracker App“ fürs Smartphone, entwickelt von Hannes Buchwald, Absolvent des HdM-Masterstudiengangs Computer Science and Media.

Dabei bestand die Aufgabe auch darin, die App auf für Menschen zugänglich zu machen, die weder lesen noch schreiben können.

Ideale Ergänzung zur Datenerfassung – 60 Symbole auf einen Klick

Mit der rein bilderbasierten App konnten die Kleinbauern auf dem Feld nun direkt ein „Klick-Tagebuch“ führen: Der erste Klick auf ein Bild startet eine Zeituhr, mit einem weiteren Klick nach Beendigung der Tätigkeit wurde sie wieder gestoppt. Insgesamt 60 Symbole wie Sähen, Pflügen aber auch Freizeit oder Essen konnten dabei ausgewählt werden.

„Die App hat dabei geholfen, ein möglichst genaues und unvoreingenommenes Bild über den Alltag der Kleinbauern zu erhalten und ist somit eine ideale Ergänzung für die Datenerfassung im Allgemeinen“, so das Fazit von Hannes Buchwald. „Bisher waren Haushaltsbefragungen immer eine eher unsichere Informationsquelle. Eine Studie aus den USA zeigte zum Beispiel, dass Männer ihre Arbeit im Haushalt zu 70 Prozent überbewerten.“

Auch eine deutlich aufwendigere zeitbasierte Tagebuchführung ist nicht immer eine Alternative, sagt Thomas Daum weiter, wenn die Befragten beispielsweise nicht lesen oder schreiben können. „Es gab mangels verlässlicher Methoden kaum Daten über den Zeitaufwand in kleinbäuerlichen Anbausystemen. Das machte es schwierig, gute Entwicklungsprojekte zu gestalten und deren Auswirkungen zu messen.“

Spannend und einfach zu benutzen

62 Haushalte nahmen mithilfe der App an der Untersuchung Teil, insgesamt 2.790 Tage Datenmaterial kamen so zusammen. „Die App kam auch bei den Kleinbauern toll an“, freut sich Hannes Buchwald. „Sie fanden sie spannend und einfach zu benutzen. Das zeigt sich vor allem auch darin, dass die Teilnehmer ihre Daten sehr diszipliniert aufgenommen haben.“

Auch andere Forschergruppen haben bereits ihr Interesse an der App angemeldet, erzählt Thomas Daum. „Wir werden die App auch noch auf der ‚The International Consortium on Applied Bioeconomy Research Conference‘ in Washington und der ‚International Conference of Agricultural Economists‘ in Vancouver vorstellen. Wir hoffen, so noch weitere Wissenschaftler für die App zu gewinnen, um mehr und vor allem genauere Daten zu sammeln. Das soll helfen, die Entwicklungsforschung und -politik auf eine solidere Datengrundlage zu stellen.“

HINTERGRUND „Deutschland – Land der Ideen“

„Deutschland – Land der Ideen“ ist die gemeinsame Standortinitiative der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, vertreten durch den BDI. Die Deutsche Bank ist seit 2006 Partner und Nationaler Förderer des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“. Ziel ist es, Innovationen aus Deutschland im In- und Ausland sichtbar zu machen und die Leistungskraft und Zukunftsfähigkeit des Standorts zu stärken.

Die 100 Preisträger erwartet ein Wettbewerbsjahr voller Höhepunkte und professioneller Unterstützung: Ab September werden die Preisträger u.a. in den Staatskanzleien ihrer Bundesländer empfangen.

Text: C. Schmid

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