War früher wirklich alles besser? – Studieren in Hohenheim vor 30 Jahren

Podiums-Diskussion mit Alumnae und Alumni der Universität Hohenheim

Diplom oder Bachelor und Master, Alter der Absolventinnen und Absolventen, Vorlesungsstil, Wohnsituation, studentisches Engagement - Fünf ehemalige Hohenheimer Studierende schwelgten bei der Podiumsdiskussion „Früher war alles besser!?“ am 6. Juli 2018 in Erinnerungen und mit ihnen viele weitere Gäste.

Alumni-Managerin Tatjana Junge konnte zu dem Alumni-Highlight während der Jubiläums-Festwoche im Juli rund 60 Zuhörer begrüßen, das als gemeinsame Aktion von den Fakultäten und den Alumni-Netzwerken konzipiert war.

Was hat sich in den letzten 30 Jahren geändert? - der Impulsvortrag von Prof. Fellmeth informiert

"Nichts vergoldet die Vergangenheit so sehr wie ein schlechtes Gedächtnis“, mit diesem Zitat von John Steinbeck begann Prof. Fellmeth, Leiter des Universitätsarchivs, seinen Impulsvortrag über die Veränderungen im Uni- und Studentenleben der letzten 30 Jahre. Sein Vergleich machte deutlich, dass sich seit den 80er- und 90er-Jahren an der Universität Hohenheim einiges grundlegend verändert hat: Die Studierendenzahlen haben sich mit heute 10.000 Studentinnen und Studenten seitdem fast verdoppelt. Die Zuwächse an der einst von den Agrarwissenschaften dominierten Universität kamen vor allem aus dem Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Gleichzeitig sei ein stetiges Ansteigen des weiblichen Anteils an der Studierendenschaft zu verzeichnen, der seit 2001 sogar eine deutliche Mehrheit bildet.

Große Veränderungen brachte die Umstellung vom Diplom auf Bachelor- und Master-Studiengänge, die im Jahr 2000 begann und deren Umsetzung fast ein Jahrzehnt dauerte. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal führte er den exponentiellen Anstieg der angebotenen Studiengänge seit 1985 auf. Euro-Forum, Verfügungsgebäude, Otto-Rettenmaier-Audimax, neue Studentenwohnheime: Prof. Fellmeth zeigte den ehemaligen Hohenheimerinnen und Hohenheimern auf, dass sich auch baulich einiges auf dem Campus verändert hatte.

Zum Schluss stellte er fast bedauernd fest, dass sich das Campus-Leben durch das Einpendeln eines Großteils der Studierenden stark reduziert hätte. „Früher war manches anders, es war viel überschaubarer, ja geradezu familiär, aber auch etwas enger.“ Ob es wirklich besser war, bat der Historiker die Podiumsgäste selbst einzuschätzen und leitete damit zur anschließenden Diskussion über.

War früher wirklich alles besser? 5 Alumnae und Alumni geben Einblick in ihre Erinnerungen

Geführt wurde diese vom In-House-Experten Prof. Dr. Jens Vogelsang, Fachbereichsleiter im Institut für Kommunikationswissenschaften. Er begrüßte die fünf Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer (von links nach rechts).

  • Prof. Dr. Hans-Martin Haase, studierte in den 80er-Jahren Biologie
    Heute: Institutsdirektor des Instituts für Naturwissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd
  • Martin Ries, studierte von 1989 bis 1995 Agrarwissenschaften
    Heute: Referatsleiter im Referat Ökologischer Landbau im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
  • Nicole Ackermann, studierte Mitte der 90er-Jahre Wirtschaftswissenschaften
    Heute: Geschäftsführende Gesellschafterin der Mouna GmbH Film & Media Studios
  • Dr. Ulrich Dahm, studierte Agrarwissenschaften in den 90er-Jahren
    Heute: Geschäftsführer der Vertriebsgruppe Süd der Waren-Zentrale Rhein-Main eG
  • Stephanie Fleischmann, studierte in den 90er-Jahre Wirtschaftswissenschaften
    Heute: Leiterin des Geschäftsbereichs Strategie und Internationale Beziehungen bei der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH

Im Folgenden einige Auszüge aus der Diskussion, die insgesamt rund eine Stunde dauerte.

Prof. Vogelgesang: Atemlosigkeit und Leistungsdruck bestimmen die Studiensituation heute: Verkürztes Abitur mit 17 Jahren, drei Jahre Bachelor, Master hinterher, Klausuren sind das arithmetische Mittel über das ganze Studium hinweg. Mit 23 oder 24 Jahren Absolventin bzw. Absolvent. Das war doch definitiv anders vorher. Kann man evtl. sogar von einer untergegangene Welt sprechen, die sich Studierende heute nicht mehr vorstellen können?

Prof. Dr. Hans-Martin Haase: Mit 12 Semestern war ich vergleichsweise schnell fertig. Was mich störte, dass ich im Grundstudium so gut wie keine Biologie hatte, sich die Inhalte auf Mathematik, Statistik, Physik beschränkten. Ich erinnere mich an unverständliche 12 m lange Formeln an der Tafel. Nur mit Hilfe eines „Bremsers“ konnte ich mich gut auf die Klausuren vorbereiten. Gefehlt hat mir eine eher berufsorientierte Vorbereitung

Martin Ries: Auch ich fragte mich, wann geht das mit dem Studium eigentlich los. Das war mich nicht klar, dass das Grundstudium v.a. Grundlagen-Fächer beinhaltete. Im Hauptstudium ging es dann richtig los. Der Unterschied zwischen Uni und Hochschule war mir piep egal. Heute bin ich froh, dass ich ein Unistudium absolviert habe, denn ich könnte mein heutiges Amt nicht bekleiden, wenn ich keinen Uni-Abschluss hätte.

Dr. Ulrich Dahm: Für mich war es wichtig, so viel wie möglich in die Zeit des Studiums reinzupacken, bevor der Ernst des Lebens mit der angestrebten Hofübernahme begann. Die Katholische Deutsche Studentenverbindung Carolinga, deren Mitglied ich war und bin, war mir eine große Hilfestellung. Die Tipps der Verbindungsbrüder boten mir zu jeder Zeit Orientierung und waren dadurch ein enormer Zugewinn und steigerten die Effizienz meiner Studienzeit.

Auf die Frage nach ihrem Lieblingsprofessor oder ihre Lieblingsprofessorin konnten alle Teilnehmer ad hoc einen oder mehrere Favoriten nennen.

Zusammenfassend zeichneten sich die genannten Lehrkräfte aus durch menschliche und fachliche Kompetenz, spannende Vorlesungen, die viele Transferbeispiele enthielten bzw. durch Experimente aufgelockert oder begreiflicher wurden. Schon damals war der Medieneinsatz ein wichtiges Mittel, das den Studierenden den Zugang zu den Lehrinhalten erleichterte: „Damals war es eben ein Dia, wo heute der Beamer zum Einsatz kommt“, so Prof Haase, der heute selber Institutsdirektor ist. Keiner der Podiums-Teilnehmerinnen und -teilnehmer konnte sich an eine weibliche Lehrkraft erinnern. Prof. Vogelgesang schloss diese Meinungsumfrage mit dem Statement: „Da hat sich zum Glück einiges geändert.“

Wohnen zu Hause, pendeln oder campusnah?

Auch damals schon war Pendeln eine Alternative („wegen der Liebe jeden Tag von Pforzheim aus“) oder aus der elterlichen Wohnung an die Uni, von den Eltern gepampert. Da hat sich aus der Sicht der Diskutanten gar nicht so viel geändert.

Wie waren die TMS-Partys früher?

Die Partys in der TMS waren den fünf Ehemaligen mehr oder weniger wichtig. Tatsache ist: Keiner der Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnte das Klischee bedienen, seinen heutigen Partner auf einer TMS-Party kennen gelernt zu haben.

Stephanie Fleischmann: Die tollste TMS-Party war der „Hüttenzauber“ vor Weihnachten mit vielen Besuchern, die heute wahrscheinlich nicht mehr genehmigt werden würde. Nicht zu vergessen die Mr Macs-Party Team-Partys, die vor allem am Anfang des Studiums interessant für mich waren.

Martin Ries: In einer studentischen Initiative haben wir Druck auf die Hochschulleitung ausgeübt und so das Schwerpunktfach Ökolandbau auf den Weg gebracht. Im letzten Jahr entstand hieraus jetzt sogar resultierend ein Zentrum für Ökolandbau hier in Hohenheim.

Stephanie Fleischmann: Ich war in der Fachschaft im Marketing Forum Hohenheim aktiv, also nicht direkt in der Hochschulpolitik. In meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin, in der ich bereits Vorstand bei ALUMNI HOHENHEIM e.V. war, habe ich mit Vertretern der Fachschaft die Absolventenfeiern ins Leben gerufen, die bis heute, wenn auch in veränderter Form, stattfinden. Darauf bin ich ein wenig stolz. 

Stephanie Fleischmann: Alles was im Studium lief, zählte nicht in die Gesamtnote ein. In die Abschlussnote zählten damals nur die fünf schriftlichen und fünf mündlichen Diplom-Prüfungen am Ende des Studiums. Kommilitoninnen und Kommilitonen mit Prüfungsangst konnten nur auf die Diplomarbeit hoffen. Viele wären froh gewesen, das System von heute zu haben. Alles, was ich während des Hauptstudiums sammle, zählt, auch wenn es zu mehr Leistungsdruck während des Studiums führt.

Prof. Dr. Hans-Martin Haase: Das hängt sicherlich vom Typ ab. Ich konnte mich auf „berechenbare“ Abschlussprüfungen einstellen und hatte während des Studiums dafür die Freiheit.

Nicole Ackermann: Mit dem Vordiplom konnte man nichts anfangen. Deshalb finde ich den Bachelor-Abschluss besser. Wenn man früher nach dem Vordiplom aufgehört hat, dann wäre man trotzdem Studienabbrecher gewesen. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge bringt außerdem eine höhere Flexibilität, vor allem in unserer globalisierten Welt.

Martin Ries: Wir wurden damals kalt nach dem Abschluss vor die Tür gesetzt. Ich habe mein Zeugnis beim Prüfungsamt abgeholt. „Herzlichen Glückwunsch. Sie sind jetzt exmatrikuliert.“, ein reiner Verwaltungsakt. Im Anschluss hatte ich keinen Kontakt mehr zur Uni. Deshalb schätze ich den Wert der Alumni-Arbeit. Sie ist wichtige Grundlage für eine gute Vernetzung. 

Dr. Ulrich Dahm: Wir hatten früher vielleicht mehr Zeit zur Reflexion des Gelesenen mit eigenen Erfahrungen. Auch um Netzwerke zu bilden und sie zu leben. Bei dem kleinen Zeitfenster heute bleibt wenig Raum zur Reflexion; aus Mangel an Möglichkeiten und Mangel an Zeit.

Stephanie Fleischmann: Ich habe viele Praktikanten, darunter auch sehr junge Bachelor-Absolventen, die gerade 21 Jahre alt sind, die aber durchaus reflektiert und selbst bewusst auftreten. Das hätte ich selber in dem Alter nicht gekonnt, da hatte ich gerade das Vor-Diplom. Aber es gibt auch Absolventeninnen und Absolventen in dem Alter, die eine starke Anleitung brauchen.